Es geht nicht speziell um Singapur, sondern um das Prinzip der Medical Saving accounts. Singapur hat damit schon lange Erfahrung, deshalb mein Hinweis. Prof. Dr. Jonas Schreyögg
http://www.wiso.uni-hamburg.de/professu ... chreyoegg/ hat dieses Prinzip schon 2003 im Hinblick auf die Umsetzbarkeit in Deutschland untersucht.
Und zu welchem Ergebnis ist er gekommen? Der Grundgedanke ist zweifelsohne ein willkommener Versuch dringend notwendige Änderungen herbeizuführen. Die Umsetzung dürfte aber am förderalistischem System in Deutschland scheitern und, nach meinem bescheidenen Kenntnisstand, müsste eine Grundgesetzänderung vorangehen.
In welchem Sinne gebrauchst du denn den Begriff "Neoliberalismus"? Wenn du mit politikwissenschaftlichen Themen vertraut bist, weißt du bestimmt, wie wichtig die genaue Begriffsdefinition in einer Diskussion ist. Da du den Vorwurf "Neoliberalismus" verwendest - was genau verstehst du darunter?
Grundsatzdebatte über den Begriff Neoliberalismus..ok, wenn Du es möchtest.
Der Begriff entspringt dem anglo-amerikanischen Gedanken - zumindest der zeitgenössische, auf dem ich mich beziehe, denn es gibt verschiedene Begriffs-und/oder Bedeutungsversionen - eine vom staatlichen Lenken abgekehrte Vision, welche den Individualismus hervor und das politische Solidarprinzip aufhebt. Die uns hier auch bekannten Slogans ' mehr Freiheit für den Einzelnen ' und ' mehr Eigenverantwortung' sind der Inbegriff neoliberalen Denkens und Handelns. Es unterstreicht eine kalte Philosophie, die in erster Linie den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft auf eine der menschlichen Evolution widersprechende totale Freiwilligkeit reduziert. Neoliberale Thesen insistieren die absoluten Lösungen zu den vielfältigen Problemen in der (primär westlichen) Welt zu haben. Tatsächlich ist die 'Freiheit des Einzelnen' und 'mehr Eigenverantwortung' ein oberflächlicher Versuch, dem Betrachter Glück und Prosperität zu suggerieren, gleichwohl, übersetzt ins reale Leben, die Bedeutung den Verlust der Chancengleichheit (Bildung, beruflicher Erfolg usw.) und den wirtschaftlichen Abstieg für nicht oder weniger wohlhabende Menschen beschert.
Insofern widerstrebt mir die insbesondere von den Liberalen (in D) propagierte Floskel nach 'mehr Eigenverantwortung'. Diese ist der erste Schritt in eine Mehrklassengesellschaft, weg von der sozialen Marktwirtschaft (die ohnehin schon lange nicht mehr existiert - siehe Armen/Reichnschere) zu Ungunsten - in dieser Debatte - der Versicherten.
Wie ich bereits schrieb, Bagatellfälle sollten und könnten durchaus privatisiert werden, aber wenn ich hier lese, dass die Behandlung 'selbstverschuldeter' (
wer kann das
wie exakt formulieren) Krankheiten von den Betreffenden mindestens z.T. aus Eigenmittel finanziert werden sollte, ist das nicht nur juristisch äußerst fragwürdig, vielmehr dürfen wir nicht vergessen, dass Selektionsprozesse
im medizinischen Sinne in der Vergangenheit zu fürchterlichen Verwerfungen führte. Der hier aufgeworfene Grundgedanke ist selbstverständlich mit den seinerzeitigen Verwerfungen nicht assoziierbar, aber die Selektion in der täglichen Praxis, wer und wer nicht behandelt wird, werden darf (durch wen?), würde mir große Sorge bereiten.
Und Frustauslagerung - klar, was nicht sein darf, kann nicht sein. Jetzt kommst du mir vor wie die Politiker in Berlin, die nicht Taxi fahren wollen, weil die Taxifahrer sie in ein politisches Gespräch verwickeln
. Rede mit den Leuten an der Basis, Römer70 hat es ja schon bestätigt, die Krankenkasse wird dann als Sparkasse gesehen, wenn man "ja noch nie etwas gebraucht hat" und dann als "die Kasse", wenn andere für einen zahlen sollen.
Nun, GKV, sicher berichtest Du uns hier aus der alltäglichen Praxis, der deutlich auszumachende Frust in Deinen Zeilen läßt sich nicht verleugnen.
Sicher gibt es Menschen mit - ein unglücklicher Begriff - 'Vollkaskomentalität', aber es ist Dein Job damit umgehen zu können, oder?
Dein HInweis mit den Gewinnen - hmmmm, da habe ich dann doch den Eindruck, dass du nicht überblickst, dass es darum geht, es zukunftssicheres Gesundheitssystem zu installieren und nicht darum, die Versicherten zu piesacken.
Gewinnstreben bedeutet in der freien Marktwirtschaft immer eine Produktverteuerung, schließlich müssen die stets 'steigerungsfähigen Profitmargen' von irgendwo herkommen. Eindeutig, denn egal auf welchem Wege (Leistungsminderung und/oder Beitragserhöhung), der Versicherte ist letztendlich der das System finanzierende Dumme.
Die Bürgerversicherung löst nicht die Probleme der Kosten. Kurzfristig kommt mehr Geld ins System, das neue Begehrlichkeiten auf allen Seiten weckt. Und die unveschämten Gewinn-Margen der Pharmaindustrie zu senken ist eine populäre Forderung - solange, bis ich selbst mein bisheriges Medikament nicht mehr bekomme, weil die Kasse mit einem anderen Hersteller lukrative Rabattverträge abgeschlossen hat.
Begehrlichkeiten, GKV, sind situationsbezogen immer beherrschbar. Die Idee, eine kassenübergreifende Purchase power einzurichten, mit dem Ziel Pharma und sonstige dem Gesundheitswesen dienliche Produkte kostengünstiger einzukaufen, finde ich im Rahmen einer Bürgerversicherung nicht so abwegig, auch unabhängig davon, ob die Bürgerversicherung von einer oder mehreren Kassen verwaltet wird.