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Verfasst: 18.11.2012, 16:59
von KKA
roemer70 hat geschrieben:@reallyangry
Lies doch bitte weiter oben, dass unverschuldet Erkrankte nicht bestraft werden sollen!
Und dann stell' Dir bitte die Frau vor, die mit 32 einen Herzinfarkt hatte und trotzdem jeden Tag eine halbe Schachtel wegqualmt. Du erkennst den Unterschied.
Und außerdem bringt es nichts, jetzt einzelne Punkte herauszupicken und diese zerpflücken zu wollen. Dann drehen wir uns im Kreis, bis jemand etwas Perfektes entdeckt...
Aber, Roemer, Du wirst doch einsehen müssen, dass Deine These reine Theorie bleiben wird. Es scheitert bereits am Unterscheidungsprozeß. Wo, wie und vor allem von wem werden Grenzen gesetzt? Jemand der 30 Jahre geraucht hat, dann mit 50 das Rauchen aufgibt und mit 60 an Lungenkrebs erkrankt...wird die Behandlung bezahlt, oder 'darf' der Patient qualvoll dahinsiechen?. Ich kannte eine Frau, die hat 60 Jahre geraucht und ist mit 75 an Lungenkrebs gestorben. Ursächlich dafür war nicht - wie von einem Facharzt im Nachhinein konstatiert wurde - das jahrelange Rauchen, sondern Giftstoffe aus 'Kunstblumen' Made in China# und im heimischen Hobbykeller über Jahre verarbeitet. Aus die Maus, oder wer bezahlt die Behandlung?

Möchte ich nicht erleben, wie Menschen zum Richter laufen müssen, um dem Gesundheitssystem beweisen zu müssen, dass er/sie keinen Raubbau am eigenen Körper betrieben hat.

Verfasst: 18.11.2012, 17:40
von roemer70
Ich rede nicht davon, dass die Kosten nicht übernommen würden, sondern dass die Betreffenden sich zu beteiligen hätten. Keiner siecht dahin, keiner muss qualvoll unbehandelt sterben. Liest hier eigentlich jemand im Detail mit???

Also: edukative Steuern + Eigenanteil bei Verschulden. Die Grenzen muss man hier ja nicht im Detail festlegen. Aber es ist möglich. Es muss keine Theorie bleiben (siehe der von mir verlinkte und in Teilen recht frische Paragraph).

Verfasst: 18.11.2012, 17:49
von GerneKrankenVersichert
Ich persönlich halte nichts davon, bei todkranken Menschen Ursachenforschung mit dem Ziel der Kostenbeteiligung zu betreiben. Eine Krebsbehandlung ist für mich ein Fall für eine Hochrisikoversicherung.

Verfasst: 18.11.2012, 18:24
von Lady Butterfly
sorry, roemer - aber ich glaub nicht, dass deine Ideen realistisch sind. Die Möglichkeit, bei Selbstverschulden (z. B. Autounfall unter Alkoholeinfluss) Kosten zurückzufordern, gibt es ja bereits. Wird aber nach meinem Wissen nicht soooo häufig angewandt.

Aber das Problem ist die Kausalität zwischen Krankheit und Verhalten nachzuweisen. Das nächste Problem wäre die Abgrenzung.

wie ist es mit Sportunfällen? Sport und Bewegung sind ja grundsätzlich gesund. Es gibt natürlich auch Extremsportarten, bei denen die Unfallwahrscheinlichkeit höher ist als bei anderen Sportarten. Aber es ist auch so, dass die Unfallwahrscheinlichkeit sinkt, wenn du mehr Erfahrung in dieser Sportart hast. Natürlich spielt auch dein persönlicher Stil eine Rolle (z. B. beim Skifahren, wie du eine Piste herunterfährst und auch welche Pisten). Beim Fussball passieren übrigens häufig Unfälle - ist das dann eine Risikosportart?

Und jetzt nehmen wir mal den umgekehrten Fall: jemand lebt nach dem Motto "Sport ist Mord" und verzichtet auf sportliche Aktivitäten. Und erkrankt später an Bluthochdruck und Diabetes. Willst du bei ihm Kosten zurückfordern? Und was machst du mit dem Nichtraucher, der an Lungenkrebs erkrankt?

und was machst du mit Krankheiten, die vielleicht auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sind, vielleicht aber auch auf die private Lebensführung?

Nee, ich glaube das wäre ein grundfalscher Weg - dann werden nachher die Kosten, die für Nachforschungen und Nachweise der Krankheitsursachen entstehen höher, als die Krankheitskosten. Außerdem hat das alles nix mehr mit dem Solidaritätsprinzip zu tun.

nach meiner Meinung muss der Weg über eine bessere Versorgung führen. Das sollte mit einer Diskussion darüber beginnen, was eine "gute Versorgung" überhaupt ist. Und sollte weitergehen über die Suche nach einer raschen Diagnostik und einer guten, effektiven und effizienten Therapie, damit die Menschen möglichst rasch wieder gesund werden (oder bei chronischen Krankheiten - dass möglichst wenig Folgekrankheiten entstehen und die Menschen so leistungsfähig wie möglich bleiben oder wenn das nicht möglich ist - dass wenigstens die Lebensqualtität so weit wie möglich erhalten bleibt.).

Momentan bietet das Gesundheitssystem bei sehr, sehr hohen Kosten nur einen durchschnittliche Leistungen. Das kann und muss besser werden.

übrigens: so was wie "edukative Steuerm" wird bereits seit langem diskutiert - wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung. Google mal nach "Pigou-Steuer". Oder auch nach den Begriffen "Meritorische Gütern", "Demeritorische Güter", "Coase-Theorem" oder "Externe Effekte".

Verfasst: 18.11.2012, 18:39
von KKA
Es geht nicht speziell um Singapur, sondern um das Prinzip der Medical Saving accounts. Singapur hat damit schon lange Erfahrung, deshalb mein Hinweis. Prof. Dr. Jonas Schreyögg http://www.wiso.uni-hamburg.de/professu ... chreyoegg/ hat dieses Prinzip schon 2003 im Hinblick auf die Umsetzbarkeit in Deutschland untersucht.
Und zu welchem Ergebnis ist er gekommen? Der Grundgedanke ist zweifelsohne ein willkommener Versuch dringend notwendige Änderungen herbeizuführen. Die Umsetzung dürfte aber am förderalistischem System in Deutschland scheitern und, nach meinem bescheidenen Kenntnisstand, müsste eine Grundgesetzänderung vorangehen.
In welchem Sinne gebrauchst du denn den Begriff "Neoliberalismus"? Wenn du mit politikwissenschaftlichen Themen vertraut bist, weißt du bestimmt, wie wichtig die genaue Begriffsdefinition in einer Diskussion ist. Da du den Vorwurf "Neoliberalismus" verwendest - was genau verstehst du darunter?
Grundsatzdebatte über den Begriff Neoliberalismus..ok, wenn Du es möchtest.
Der Begriff entspringt dem anglo-amerikanischen Gedanken - zumindest der zeitgenössische, auf dem ich mich beziehe, denn es gibt verschiedene Begriffs-und/oder Bedeutungsversionen - eine vom staatlichen Lenken abgekehrte Vision, welche den Individualismus hervor und das politische Solidarprinzip aufhebt. Die uns hier auch bekannten Slogans ' mehr Freiheit für den Einzelnen ' und ' mehr Eigenverantwortung' sind der Inbegriff neoliberalen Denkens und Handelns. Es unterstreicht eine kalte Philosophie, die in erster Linie den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft auf eine der menschlichen Evolution widersprechende totale Freiwilligkeit reduziert. Neoliberale Thesen insistieren die absoluten Lösungen zu den vielfältigen Problemen in der (primär westlichen) Welt zu haben. Tatsächlich ist die 'Freiheit des Einzelnen' und 'mehr Eigenverantwortung' ein oberflächlicher Versuch, dem Betrachter Glück und Prosperität zu suggerieren, gleichwohl, übersetzt ins reale Leben, die Bedeutung den Verlust der Chancengleichheit (Bildung, beruflicher Erfolg usw.) und den wirtschaftlichen Abstieg für nicht oder weniger wohlhabende Menschen beschert.
Insofern widerstrebt mir die insbesondere von den Liberalen (in D) propagierte Floskel nach 'mehr Eigenverantwortung'. Diese ist der erste Schritt in eine Mehrklassengesellschaft, weg von der sozialen Marktwirtschaft (die ohnehin schon lange nicht mehr existiert - siehe Armen/Reichnschere) zu Ungunsten - in dieser Debatte - der Versicherten.
Wie ich bereits schrieb, Bagatellfälle sollten und könnten durchaus privatisiert werden, aber wenn ich hier lese, dass die Behandlung 'selbstverschuldeter' (wer kann das wie exakt formulieren) Krankheiten von den Betreffenden mindestens z.T. aus Eigenmittel finanziert werden sollte, ist das nicht nur juristisch äußerst fragwürdig, vielmehr dürfen wir nicht vergessen, dass Selektionsprozesse
im medizinischen Sinne in der Vergangenheit zu fürchterlichen Verwerfungen führte. Der hier aufgeworfene Grundgedanke ist selbstverständlich mit den seinerzeitigen Verwerfungen nicht assoziierbar, aber die Selektion in der täglichen Praxis, wer und wer nicht behandelt wird, werden darf (durch wen?), würde mir große Sorge bereiten.

Und Frustauslagerung - klar, was nicht sein darf, kann nicht sein. Jetzt kommst du mir vor wie die Politiker in Berlin, die nicht Taxi fahren wollen, weil die Taxifahrer sie in ein politisches Gespräch verwickeln :lol: . Rede mit den Leuten an der Basis, Römer70 hat es ja schon bestätigt, die Krankenkasse wird dann als Sparkasse gesehen, wenn man "ja noch nie etwas gebraucht hat" und dann als "die Kasse", wenn andere für einen zahlen sollen.
Nun, GKV, sicher berichtest Du uns hier aus der alltäglichen Praxis, der deutlich auszumachende Frust in Deinen Zeilen läßt sich nicht verleugnen.
Sicher gibt es Menschen mit - ein unglücklicher Begriff - 'Vollkaskomentalität', aber es ist Dein Job damit umgehen zu können, oder?
Dein HInweis mit den Gewinnen - hmmmm, da habe ich dann doch den Eindruck, dass du nicht überblickst, dass es darum geht, es zukunftssicheres Gesundheitssystem zu installieren und nicht darum, die Versicherten zu piesacken.
Gewinnstreben bedeutet in der freien Marktwirtschaft immer eine Produktverteuerung, schließlich müssen die stets 'steigerungsfähigen Profitmargen' von irgendwo herkommen. Eindeutig, denn egal auf welchem Wege (Leistungsminderung und/oder Beitragserhöhung), der Versicherte ist letztendlich der das System finanzierende Dumme.
Die Bürgerversicherung löst nicht die Probleme der Kosten. Kurzfristig kommt mehr Geld ins System, das neue Begehrlichkeiten auf allen Seiten weckt. Und die unveschämten Gewinn-Margen der Pharmaindustrie zu senken ist eine populäre Forderung - solange, bis ich selbst mein bisheriges Medikament nicht mehr bekomme, weil die Kasse mit einem anderen Hersteller lukrative Rabattverträge abgeschlossen hat.
Begehrlichkeiten, GKV, sind situationsbezogen immer beherrschbar. Die Idee, eine kassenübergreifende Purchase power einzurichten, mit dem Ziel Pharma und sonstige dem Gesundheitswesen dienliche Produkte kostengünstiger einzukaufen, finde ich im Rahmen einer Bürgerversicherung nicht so abwegig, auch unabhängig davon, ob die Bürgerversicherung von einer oder mehreren Kassen verwaltet wird.

Verfasst: 18.11.2012, 19:10
von KKA
roemer70 hat geschrieben:Ich rede nicht davon, dass die Kosten nicht übernommen würden, sondern dass die Betreffenden sich zu beteiligen hätten. Keiner siecht dahin, keiner muss qualvoll unbehandelt sterben. Liest hier eigentlich jemand im Detail mit???

Also: edukative Steuern + Eigenanteil bei Verschulden. Die Grenzen muss man hier ja nicht im Detail festlegen. Aber es ist möglich. Es muss keine Theorie bleiben (siehe der von mir verlinkte und in Teilen recht frische Paragraph).
Ich lese jedes Detail Deiner Posts, glaube mir.

Die Grenzen können nicht nur im Detail nicht festgelegt werden, sondern grundsätzlich nicht. Dein Gedankengang ist nicht in die Realität umsetzbar, es sei denn, jeder Bürger hätte eine möglichst neutrale Anlaufstelle, um die vielen Details für eine endgültige Ursachenbeurteilung festhalten zu lassen und um demzufolge einen Behandlungsanspruch geltend zu machen, ohne Selbstbeteiligung..oder vielleicht mit Eigenanteil...

Was geschieht, wenn der Betreffende als Selbstverschuldner eingestuft wird und er völlig mittellos ist?

Verfasst: 18.11.2012, 19:13
von CiceroOWL
Was heißt denn auch selbstverschulden beim Typ II Diabetes liegt meist eine genetische Komponete vor. Beim Typ iliegt es meist an einem liegt meistens eine Reaktion des körpers vor / Entzündung die zum Diabetes führt.

die meisten Krankenschwestern und Pfleger schaffen es heute nicht mal mehr bis zum 60 Lebensjahr in der Pflege, weil sie verheizt werden, ergo wo liegt da das Selbstverschulden.

Verfasst: 18.11.2012, 19:25
von GerneKrankenVersichert
KKA hat geschrieben: Und zu welchem Ergebnis ist er gekommen? Der Grundgedanke ist zweifelsohne ein willkommener Versuch dringend notwendige Änderungen herbeizuführen. Die Umsetzung dürfte aber am förderalistischem System in Deutschland scheitern und, nach meinem bescheidenen Kenntnisstand, müsste eine Grundgesetzänderung vorangehen.
wiso.uni-hamburg.de/fileadmin/bwl/.../medical_savings.pdf

Punkt 5 Fazit

Grundgesetzänderung???? Ich habe immer noch den Verdacht, dass du ein Konzept ablehnst, mit dem du dich noch nicht beschäftigt hast. Dazu im o. g. Text:

Da Medical Savings Accounts systemimmanent keine Umverteilung induzieren, und sich somit Gerechtigkeitsprobleme ergeben können, ist eine Förderung einkommensschwacher Bevölkerungsteile notwendig. 8 Die Gerechtigkeit eines Systems kann jedoch nur in Abhängigkeit von dem jeweiligen kulturellen Kontext beurteilt werden.
KKA hat geschrieben: Grundsatzdebatte über den Begriff Neoliberalismus..ok, wenn Du es möchtest.
Der Begriff entspringt dem anglo-amerikanischen Gedanken - zumindest der zeitgenössische, auf dem ich mich beziehe, denn es gibt verschiedene Begriffs-und/oder Bedeutungsversionen - eine vom staatlichen Lenken abgekehrte Vision, welche den Individualismus hervor und das politische Solidarprinzip aufhebt. Die uns hier auch bekannten Slogans ' mehr Freiheit für den Einzelnen ' und ' mehr Eigenverantwortung' sind der Inbegriff neoliberalen Denkens und Handelns. Es unterstreicht eine kalte Philosophie, die in erster Linie den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft auf eine der menschlichen Evolution widersprechende totale Freiwilligkeit reduziert. Neoliberale Thesen insistieren die absoluten Lösungen zu den vielfältigen Problemen in der (primär westlichen) Welt zu haben. Tatsächlich ist die 'Freiheit des Einzelnen' und 'mehr Eigenverantwortung' ein oberflächlicher Versuch, dem Betrachter Glück und Prosperität zu suggerieren, gleichwohl, übersetzt ins reale Leben, die Bedeutung den Verlust der Chancengleichheit (Bildung, beruflicher Erfolg usw.) und den wirtschaftlichen Abstieg für nicht oder weniger wohlhabende Menschen beschert.
Insofern widerstrebt mir die insbesondere von den Liberalen (in D) propagierte Floskel nach 'mehr Eigenverantwortung'. Diese ist der erste Schritt in eine Mehrklassengesellschaft, weg von der sozialen Marktwirtschaft (die ohnehin schon lange nicht mehr existiert - siehe Armen/Reichnschere) zu Ungunsten - in dieser Debatte - der Versicherten.
Okay, das dachte ich mir. Das Prinzip der Medical saving accounts mit ihrem sozialen Ausgleich und der Hochrisikoversicherung hat damit allerdings nichts zu tun. Eher mit der sozialen Marktwirtschaft in ihrem ursprünglichen Sinn: Der Staat soll durch aktive Eingriffe in die Wirtschaft das Marktgeschehen ergänzen und korrigieren (zum Beispiel durch sozialpolitische, konjunkturpolitische oder arbeitsmarktpolitische Maßnahmen), wenn dies im Allgemeinen Interesse für notwendig erachtet wird. Die sozialpolitisch orientierte Korrektur der Markteinkommen soll jedoch insoweit begrenzt sein, dass die Funktionsfähigkeit einer Wettbewerbswirtschaft nicht beeinträchtigt und die Eigenverantwortung und Initiative der Bürger nicht durch einen Versorgungsstaat gelähmt werden darf, die konkrete Grenzziehung bleibt aber offen. (Der Einfachheit halber zitiert aus Wiki).
KKA hat geschrieben: Wie ich bereits schrieb, Bagatellfälle sollten und könnten durchaus privatisiert werden, aber wenn ich hier lese, dass die Behandlung 'selbstverschuldeter' (wer kann das wie exakt formulieren) Krankheiten von den Betreffenden mindestens z.T. aus Eigenmittel finanziert werden sollte, ist das nicht nur juristisch äußerst fragwürdig, vielmehr dürfen wir nicht vergessen, dass Selektionsprozesse
im medizinischen Sinne in der Vergangenheit zu fürchterlichen Verwerfungen führte. Der hier aufgeworfene Grundgedanke ist selbstverständlich mit den seinerzeitigen Verwerfungen nicht assoziierbar, aber die Selektion in der täglichen Praxis, wer und wer nicht behandelt wird, werden darf (durch wen?), würde mir große Sorge bereiten.
Auch hier wieder mein Tipp, dich erst einmal mit dem Konzept vertraut zu machen. All das, was du hier implizierst, hat damit überhaupt nichts zu tun.
KKA hat geschrieben: Nun, GKV, sicher berichtest Du uns hier aus der alltäglichen Praxis, der deutlich auszumachende Frust in Deinen Zeilen läßt sich nicht verleugnen.
Sicher gibt es Menschen mit - ein unglücklicher Begriff - 'Vollkaskomentalität', aber es ist Dein Job damit umgehen zu können, oder?
Ich weiß nicht, woraus du den Frust liest. Es ist meine Beobachtung sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich. Und ich stehe damit nicht alleine, es gibt für dieses Verhalten bereits den Begriff "Moral hazard" und umfangreiche Überlegungen, wie es eingedämmt werden könnte.
KKA hat geschrieben: Gewinnstreben bedeutet in der freien Marktwirtschaft immer eine Produktverteuerung, schließlich müssen die stets 'steigerungsfähigen Profitmargen' von irgendwo herkommen. Eindeutig, denn egal auf welchem Wege (Leistungsminderung und/oder Beitragserhöhung), der Versicherte ist letztendlich der das System finanzierende Dumme.
Im momentanen System, ja, da es sich für den Einzelnen nicht lohnt, die Kosten zu reduzieren und es das Phänomen des Moral Hazard natürlich auch bei Leistungsanbietern gibt.
KKA hat geschrieben: Begehrlichkeiten, GKV, sind situationsbezogen immer beherrschbar. Die Idee, eine kassenübergreifende Purchase power einzurichten, mit dem Ziel Pharma und sonstige dem Gesundheitswesen dienliche Produkte kostengünstiger einzukaufen, finde ich im Rahmen einer Bürgerversicherung nicht so abwegig, auch unabhängig davon, ob die Bürgerversicherung von einer oder mehreren Kassen verwaltet wird.
Das machen die Kassen doch heute schon. Stichwort Fusionen und Marktmacht. Und auch das ist unabhängig vom System und könnte von dem Verwalter der Medical saving accounts genauso durchgeführt werden.

Das einzig Neue an den Medical saving accounts ist die Berücksichtigung der verschiedenen Preiselastizitäten bei verschiedenen nachgefragten Leistungen und ihre jeweilige Absicherung. Alle anderen Prozesse können in diesem oder jenem System durchgeführt werden.

Verfasst: 18.11.2012, 19:25
von Bully
die meisten Krankenschwestern udn Pfleger schaffen es heute nicht mal mehr bis zum 60 Lebensjahr in der Pfle, weil sie verhizt werden, ergo wo liegt da das Selbstverschulden.
jo, das trifft den Nagel auf den Kopf,

Verfasst: 18.11.2012, 19:27
von roemer70
Lady Butterfly hat geschrieben:sorry, roemer - aber ich glaub nicht, dass deine Ideen realistisch sind. Die Möglichkeit, bei Selbstverschulden (z. B. Autounfall unter Alkoholeinfluss) Kosten zurückzufordern, gibt es ja bereits. Wird aber nach meinem Wissen nicht soooo häufig angewandt.

Aber das Problem ist die Kausalität zwischen Krankheit und Verhalten nachzuweisen. Das nächste Problem wäre die Abgrenzung.
Ich habe auch nicht behauptet, dass es einfach sei. Aber das macht es nicht unrealistisch. Es widerstrebt vielen, das ist mir klar. Aber solidarisch heißt für mich nunmal nicht "Toll, die anderen zahlen es" und ich kann tun und lassen, was ich will.

Und bitte kein: Der (selbst verschuldet) Kranke ist ja schon bestraft genug. Sicherlich ist er arm dran. Aber ist er deshalb wieder schuldlos an seinem Zustand?

Ich behaupte, die Abgrenzungen sind möglich, gerecht und führen zu mehr Verantwortungsbewusstsein.
Ihr dürft das aber natürlich gerne anders sehen. Solange dass nicht umgesetzt wird, muss ich den Beweis schuldig bleiben. Da es aber immer wieder Bestandteil der politischen Diskussion ist, bin ich mal gespannt auf die weitere Entwicklung.
und was machst du mit Krankheiten, die vielleicht auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sind, vielleicht aber auch auf die private Lebensführung?
Das grenzt die BG ab. Wenn jemand deren Meinung anzweifelt, gibt es den Weg der Sozialgerichtsbarkeit.
Nee, ich glaube das wäre ein grundfalscher Weg - dann werden nachher die Kosten, die für Nachforschungen und Nachweise der Krankheitsursachen entstehen höher, als die Krankheitskosten.
Nicht, wenn Du die Verhaltensweisen und Krankheitsbilder klar definierst.
Du isst viel und ungesund, Du treibst keinen Sport, Dein Arzt hat Dich darauf hingewiesen (dies könnte man ja auch als Pflicht einführen, damit sich niemand auf Unwissenheit beruft), Du erleidest entsprechende Krankheiten -> Du wirst an den Kosten beteiligt.
Und was machst du mit dem Nichtraucher, der an Lungenkrebs erkrankt?
Nun, da Nichtrauchen das Lungenkrebsrisiko nicht steigert, wird er auch nicht an den Behandlungskosten beteiligt...

Wenn die Klärung von Unfällen ohne Fremdeinwirkung zu komplex ist, spricht ja auch nichts dagegen, Unfälle auszuklammern. Bleiben wir also bei Erkrankungen.

Und bevor wir jetzt in eine theoretische Diskussion über Steuerarten oder die "Nutella-Steuer" in Frankreich anstimmen, lassen wir doch einfach mal Revue passieren, dass die Zahl der Raucher von 2005 bis 2011 um rund 6 % zurückgegangen ist. Steigendes Gesundheitsbewusstsein? Oder doch eher steigende Preise und partielles Rauchverbot?

Kleiner Nachtrag: Es spricht natürlich nichts dagegen, gleichzeitig eine Verbesserung der Versorgung anzustreben. Das sollte immer Ziel sein, unabhängig von den weiteren Baustellen, die man aufmacht.

Verfasst: 18.11.2012, 19:50
von roemer70
KKA hat geschrieben:Was geschieht, wenn der Betreffende als Selbstverschuldner eingestuft wird und er völlig mittellos ist?
Einem nackten Mann kannst Du nicht in die Taschen greifen. Ergo, wo nichts zu holen ist, kannst Du auch nichts holen. Welche Antwort hast Du erwartet? :wink:
es sei denn, jeder Bürger hätte eine möglichst neutrale Anlaufstelle, um die vielen Details für eine endgültige Ursachenbeurteilung festhalten zu lassen und um demzufolge einen Behandlungsanspruch geltend zu machen, ohne Selbstbeteiligung..oder vielleicht mit Eigenanteil...
Ja, warum nicht? Es lassen sich ja auch generelle Kausalitäten definieren - was könnte wozu führen. Wenn dann das Ergebnis "Lebensstil" heisst -> Selbstbeteiligung. Sonst nicht. Zudem müssten ja auch nicht alle Krankheitsbilder entsprechend geprüft werden. Zumal der Aufwand sich bei vielen Krankheiten nicht lohnen würde. Bei Diabetes, Krebs etc. aber mit Sicherheit.
CiceroOWL hat geschrieben:die meisten Krankenschwestern und Pfleger schaffen es heute nicht mal mehr bis zum 60 Lebensjahr in der Pflege, weil sie verheizt werden, ergo wo liegt da das Selbstverschulden.
Kein Selbstverschulden, warum auch? Weil sie einen körperlich anstrengenden Job haben? Du vermischst hier etwas.

Und da ich kein Diabetologe oder Genetiker bin, überlasse ich das Klären, welche Krankheitsbilder wie entstehen, doch lieber anderen. Zieht Euch bitte nicht an den Beispielen hoch, diese dienen der Verdeutlichung einer Idee!

Verfasst: 18.11.2012, 19:53
von CiceroOWL
Naja ist mir schon klar was du mit deiner Idee darstellen willst, nur z.B am Beispiel BG möchte ich nur sagen das es auch da relativ schwierig ist Klärung zu schaffen. Vom Ansatz her der eigentlichen Mitverantwortung her diskutabel.

Verfasst: 18.11.2012, 19:55
von roemer70
Lady Butterfly, ich stolpere gerade über diese Aussage:
Und sollte weitergehen über die Suche nach einer raschen Diagnostik und einer guten, effektiven und effizienten Therapie, damit die Menschen möglichst rasch wieder gesund werden (oder bei chronischen Krankheiten - dass möglichst wenig Folgekrankheiten entstehen und die Menschen so leistungsfähig wie möglich bleiben oder wenn das nicht möglich ist - dass wenigstens die Lebensqualtität so weit wie möglich erhalten bleibt.).
Ist nicht genau das der Weg, den wir seit Jahren gehen?
DMP, IV, Versorgungsforschung etc.?
Dein Beitrag klingt für mich so, als würden wir das derzeit komplett ausklammern. Gegen ein Ausweiten spricht in meinen Augen nichts, zumal DMP ja schon als Erfolgsmodelle gewertet werden können.

Verfasst: 18.11.2012, 20:12
von Lady Butterfly
roemer70 hat geschrieben:Lady Butterfly, ich stolpere gerade über diese Aussage:
Und sollte weitergehen über die Suche nach einer raschen Diagnostik und einer guten, effektiven und effizienten Therapie, damit die Menschen möglichst rasch wieder gesund werden (oder bei chronischen Krankheiten - dass möglichst wenig Folgekrankheiten entstehen und die Menschen so leistungsfähig wie möglich bleiben oder wenn das nicht möglich ist - dass wenigstens die Lebensqualtität so weit wie möglich erhalten bleibt.).
Ist nicht genau das der Weg, den wir seit Jahren gehen?
DMP, IV, Versorgungsforschung etc.?
Dein Beitrag klingt für mich so, als würden wir das derzeit komplett ausklammern. Gegen ein Ausweiten spricht in meinen Augen nichts, zumal DMP ja schon als Erfolgsmodelle gewertet werden können.
ja - es ist der richtige Weg. und wir müssen ihn weiter gehen - es gibt noch vieles zu verbessern.

dein Weg mit den verschuldensabhängigen Selbstbeteiligungen gefällt mir nicht. er führt nach meiner Meinung zu "Schnüffel-Krankenkassen". wenn jemand jetzt dick ist (ab wann ist man dick - nehmen wir den BMI als einziges Kriterium?) und Diabetes bekommt, soll er zu den Krankheitskosten zuzahlen. wer muss dann welchen Nachweis erbringen - gilt der Anscheinsbeweis (Dick = Verschulden, es sei denn der Versicherte kann das Gegenteil beweisen) oder muss die Kasse den Nachweis erbringen?

was ist mit jemandem, der 20 Jahre geraucht hat und dann 30 Jahre nicht mehr geraucht hat? wer beweist die "ungesunde" Lebensführung? ab wann ist die Lebensführung ungesund? ab 1 Bier/Woche, 2 Bier/Woche, 1 Bier/Tag oder was? und wie willst du das nachweisen? für die meisten Krankheiten ist es auch heute nicht möglich, den genauen Grund zu wissen - häufig spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: genetische Veranlagung, Lebensführung, Beruf etc. etc. - wie willst du das auseinanderhalten?

Verfasst: 18.11.2012, 20:18
von Poet
[quote="KKA"]

Und wenn Oma,86, einen neuen Rollator braucht, den sie sich bei einer Armutsrente von € 600 nicht leisten kann, muss Oma umerzogen werden...

Mit Verlaub, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Du, und manch Andere, sich hier so positionieren, als wären die Versichertenbeiträge privates Eigentum der KK.[/quote]

???Ich bin kein Liberaler, ich bin mehr links als Du denkst. Und genau deswegen denke ich dass die Beiträge die eine Solidargemeinschaft aufbringt auch nach Bedürftigkeit und Sinnhaftigkeit eingesetzt werden müssen, z.B. für Deine virtuelle Oma. Fakt ist, die GKV in Deutschland hat genügend Geld, es wird nur Scheiße eingesetzt.