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Leistungsunterschiede der gesetzlichen Krankenversicherungen

Verfasst: 17.06.2016, 06:56
von Lighthouse
Moin, Moin,

ich hatte gestern Besuch einer Bekannten, die Alkoholikerin ist. Sie sprach mich an auf einen Krankenkassenwechsel von der AOK zur Knappschaft an.
Hintergrund seien die angeblich besseren Leistungen der Knappschaft/Bahn/See gegenüber anderen Krankenkassen.

Daraufhin kontrollierte ich ihre Aussage. Die AOK zahlt bei der Entgiftung nur 7 Tage, die Knappschaft dagegen unbegrenzt. Auch die weiteren Leistungen im stationären Bereich sind besser.

Kann das tatsächlich so sein oder hat der SB der AOK nur falsche Angaben gemacht?

LG Rolf

Verfasst: 17.06.2016, 07:29
von vlac
Auf welche Quelle stützt sich denn Deine Aussage?

Leistungsunterschiede der gesetzlichen Krankenversicherungen

Verfasst: 17.06.2016, 14:28
von Lighthouse
Moin, Moin vlac,

Ich bin jetzt ein wenig irritiert über Deine Frage. Was meinst Du, wenn Du schreibst:

[i]Auf welche Quelle stützt sich denn Deine Aussage?[/i]

Dies hatte ich doch klar zum Ausdruck gebracht:

[i]Kann das tatsächlich so sein oder hat der SB der AOK nur falsche Angaben gemacht?[/i]

Noch einmal. die SACHBEARBEITER DER AOK und der KNAPPSCHAFT/BAHN/SEE

LG Rolf

Verfasst: 17.06.2016, 14:52
von GerneKrankenVersichert
Ich behaupte mal, dass weder ein Sachbearbeiter der AOK noch der Knappschaft sagen kann, wie lange eine Entgiftung dauert. Das entscheiden Mediziner. Außerdem vermute ich, dass eine Entgiftung bei AOK und Knappschaft mit einer Fallpauschale gezahlt werden und nicht einzelne Tage abgerechnet werden können.

Die weiteren Zusatzleistungen der Knappschaft - welche sollen das denn sein?

Verfasst: 17.06.2016, 16:48
von ichselbst
welcher Kostenträger ist denn generell für Entgiftungen/Entzüge zuständig? vorrangig die Krankenkasse oder ist das wie mit Rehas, dann über den Rententräger?

Verfasst: 17.06.2016, 17:45
von Czauderna
Hallo,
ja, genau so ist es, grundsätzlich.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 17.06.2016, 20:10
von vlac
Hallo,

@Lighthouse: Bitte entschuldige. Meine Frage war weniger brüsk gemeint, als sie rüber kam. Ich hatte dabei im Kopf, dass vielleicht auf den konkreten Fall bezogen im Therapiekonzept bereits eine bestimmte Dauer der Entgiftung fest gelegt worden ist. In diesem Fall könnte man nicht ohne weiteres sagen, dass eine andere Krankenkasse besser ist, nur weil man dort sagt, dass man den Entzug der Dauer nach nicht begrenzt.

Hinzu kommt, dass der Teufel im Detail liegt, und es gut möglich ist, dass verschiedene Dinge gemeint sind. Bevor ich loslege. möchte ich gerne erneut um Entschuldigung bitten: Ich versuche nun in einigen Worten zusammen zu fassen, was die Autoren der entsprechenden Leitlinie auf immerhin 405 Seiten darlegen.

Die Behandlung einer Abhängigkeit ist komplex: Körperliche Entzugserscheinungen treffen auf psychische Abhängigkeit und soziale und / oder psychische Begleitfaktoren.

Die reine Entgiftung behandelt nur die körperlichen Entzugserscheinungen. Eine Entwöhnungsbehandlung kümmert sich um die psychische Abhängigkeit und die sozialen und / oder psychischen Begleitfaktoren. Daneben gibt es aber auch die sogenannte "qualifizierte Entzugsbehandlung", die beides miteinander vereint, und rein fachlich gesehen, als die effizienteste, auch: kosteneffizienteste und erfolgversprechendste Methode gilt.

Es ist also zunächst einmal ausgesprochen wichtig, deutlich zwischen den Begrifflichkeiten zu unterscheiden.

Ein Alkoholiker wird einige Stunden nach Beendigung oder nach einer erheblichen Absenkung der Trinkmenge ein sogenanntes vegetatives Alkoholentzugssyndrom entwickeln, dass Hyperaktivität, erhöhtes Schwitzen, Zittern, erhöhten Blutdruck, Übelkeit, Erbrechen, diese Liste ist nicht abschließend, umfassen kann. Der Höhepunkt wird in der Regel im Schnitt nach 24 Stunden erreicht; nach 40 bis 50 Stunden lässt das vegetative Alkoholentzugssyndrom dann meist nach. Den Leitlinien zufolge entwickeln fünf Prozent der Patienten Entzugsanfälle und / oder einen Entzugsdelir, also Krämpfe oder einen Zustand der Verwirrtheit.

Die reine stationäre Entgiftung wird also selten länger als eine Woche benötigen, es sei denn, es treten schwere, länger andauernde Symptome auf. Auf die Frage der Notwendigkeit einer stationären Entgiftung komme ich später zu sprechen.

Ausgestanden ist die Sache damit aber noch lange nicht: Die psychische Abhängigkeit wird durch die reine Entgiftung nicht beseitigt; der Patient wird weiterhin das Bedürfnis haben, "zur Flasche zu greifen", und dies noch viel stärker, wenn beispielsweise Konflikte im beruflichen und / oder familiären Umfeld vorliegen, oder psychische Erkrankungen vorliegen. Man muss also Maßnahmen ergreifen, die darauf abzielen, den Patienten psychisch zu entwöhnen, und ihm, salopp gesagt, das Leben ohne Suchtmittel beizubringen. Dies ist dann die Entwöhnung, die je nach Konzept drei, vier, sechs Wochen, aber auch einige Monate dauern kann.

Bei der qualifizierten Entwöhnungsbehandlung hingegen werden, grob gesagt, beide Elemente miteinander verbunden, was dann zu einer Gesamtbehandlungsdauer von in der Regel maximal sechs Wochen und sehr viel niedrigeren Rückfallraten führt.

Ein großes Problem ist in Deutschland allerdings die Schnittstelle zwischen den Kostenträgern: Die Behandlung von schwerem körperlichem Entzug ("Entgiftung"), Folgeerkrankungen des Alkoholmissbrauchs und psychischen Begleiterkrankungen fällt in den Bereich der Krankenkassen. Die Entwöhnungsbehandlung hingegen ist der reinen Lehre nach eine medizinische Rehabilitation, die in der Regel im Bereich der Rentenversicherung verortet ist.

Die QEB enthält Elemente aus beiden Bereichen, was dann wiederum dazu führt, dass sich manche Krankenkassen auf den Standpunkt stellen, dass es immer wieder mal Probleme mit der Kostenübernahme gibt. Manche Krankenkassen zahlen nur die reine Entgiftung, und die Behandlung von körperlichen und psychischen (Begleit- / Folge-)Erkrankungen, und verweisen im Übrigen an die Rentenversicherung.

Aber: Nicht jeder Alkoholabhängige wird zwingend eine stationäre Entgiftung benötigen; jeder Alkoholabhängige benötigt aber vor Beendigung oder Reduktion des Alkoholkonsums eine umfassende medizinische und sozialpsychologische Beratung, um Risikofaktoren einzuschätzen, und, sollte eine stationäre Entgiftung für nicht notwendig gehalten (oder vom Patienten abgelehnt) werden, eine engmaschige ambulante Betreuung des Entzugs zu planen.

Man sollte sich also, wenn man den Alkohol aufgeben möchte, unbedingt zuerst an den Hausarzt wenden, und sich untersuchen und beraten lassen: Nicht jedem drohen schwere Entzugserscheinungen. Darüber hinaus stehen auch flächendeckend Beratungsstellen zur Verfügung, die bei der Einschätzung sozialer und beruflicher Faktoren helfen. Viele Betriebe haben auch Alkohol-Beauftragte, die auch im Hinblick auf den Erhalt des Arbeitsplatzes beraten, und dabei helfen, mögliche Konflikte und / oder Überlastungssituationen zu lösen.

In jenen Fällen, in denen Entgiftung (Krankenhaus) und Entwöhnung (Reha) separat vorgenommen werden sollen, sollte übrigens zwingend darauf geachtet werden, dass sich beides nahtlos aneinander anschließt, was allerdings, wie ich offen eingestehe, angesichts des deutschen Systems, oft Wunschdenken ist.

Verfasst: 18.06.2016, 05:01
von Lighthouse
Moin, Moin vlac,
Moin, Moin Czauderna,
Moin, Moin ichselbst,
Moin, Moin GerneKrankenversichert,

Euch allen zuerst einmal herzlichen Dank für Eure Zuschriften.
Dir vlac ganz besonderen Dank für die ausführliche Stellungnahme.
Ich bin wirklich nicht "angepisst" vlac sondern verstehe jetzt worauf Du hinaus wolltest.

Nun muss ich mich zurücknehmen, da ich nicht beurteilen kann, was in der Klinik mit der Frau und einem weiteren Nachbarn tatsächlich passierte.

Waren es Kommunikationsprobleme zwischen den Beteiligten und den Ärzten oder Leistungsträgern? Letztendlich bewogen mich die Aussagen der beiden Nachbarn zu dieser Anfrage. In beiden Fällen kommen zu dem Alkoholismus psychische Probleme hinzu, die nie behandelt wurden.

Bei Andreas sind es traumatische Kriegserlebnisse, die er als Soldat in Tschetschenien und Afghanistan erlebte. Dabei ging es um Tötungen.
Außerdem erlebte Andreas als Kind seinen Vater als Alkoholiker.

Bei Peggy ist es der Tod Ihrer Zwillinge, die sie bei einem Autounfall verloren hat. Sie war alkoholisiert und hatte jemandem die Vorfahrt genommen.

Übereinstimmend haben sich beide Personen nicht psychiatrisch behandeln lassen.

LG Rolf