Seite 1 von 1

Wechsel von PKV in GKV sinnvoll?

Verfasst: 03.04.2016, 17:10
von no glue
Hallo zusammen,

ich stehe gerade vor einer Versicherungsentscheidung und würde mich über Eure Erfahrungen, Einschätzungen und Ratschläge freuen.

Seit meiner Geburt bin ich privat krankenversichert (durch Schulzeit, Studium und danach gleich in die Selbstständigkeit) und bin mit den Leistungen der PKV auch sehr zufrieden - allerdings steigen die Beiträge schnell ins Unermessliche. Mit Mitte 30 zahle ich aktuell 420€ - zzgl Selbstbeteiligung und stationär wie GKV. Die letzten Jahre hatte ich jeweils Anpassungen von rund 25€ der Monatsbeiträge. Jetzt habe ich durch den Wechsel in einen festen Job die Möglichkeit, mich freiwillig gesetzlich zu versichern. Davon würde ich mir kalkulierbarere Beiträge erhoffen - auch in Anbetracht eines geplanten Familienzuwachses, der sehr wahrscheinlich über mich versichert werden müsste und möglicher Teilzeitarbeit.

Für mich sind jedoch die "Langzeitfolgen" kaum abschätzbar. Wenn ich zusätzliche Leistungen zur GKV aus eigener Tasche zahle (beispielsweise sporadische Homöopathie oder Osteopathie), stelle ich mich dann langfristig immer noch besser? Werden die Leistungen der GKV langfristig weiter gekürzt? Wie werden sich die Kosten der PKV entwickeln? Wie ist der Leistungsunterschied (Arztwahl, Terminvergabe, notwendige Untersuchungen und Therapien usw.) - noch ist das nicht relevant, könnte dies jedoch mit den Jahren werden. wer weiß?

Und konkret für den Fall, dass ich in die GKV wechseln werde:

--> Welche GKV bietet ein gutes Leistungsverhältnis und deckt auch Homöopathie und Osteopathie ab?
--> Welche ambulanten Zusatzversicherungen könnt Ihr empfehlen? Idealerweise möchte ich die Leistungskluft zwischen GKV und PKV etwas abmildern.
--> Es gibt Zusatzversicherungen, die einem trotz GKV den Status eines PKV geben (bei erheblichen Zusatzkosten), sodass auch Ärzte ohne Kassenzulassung aufgesucht werden können. Lohnen sich die? Wenn ja, welche wäre empfehlenswert?

So, das ist nun doch etwas länger geworden. Ich freue mich auf Eure Einschätzungen und Tipps.

VG
no glue

Verfasst: 03.04.2016, 18:40
von GerneKrankenVersichert
Eine GKV zur PKV "aufpimpen" kann sich m. E. finanziell nicht lohnen.

Wenn ich dann lese, dass du die einzige mir wichtige Zusatzleistung (Einzelzimmer und ggf. Chefarzt bei Bedarf) bisher nicht abgesichert hast, frage ich mich, was dir eigentlich wichtig ist.

So wie ich das lese sind es:
- Der Status als Privatversicherter beim Arzt, auch Privatarzt
- Leistungen wie Homöopathie (Heilpraktiker?) und Osteopathie (ggf. dito), die keine Kassenleistung sind

Von deine Ansprüchen her bist du auf jeden Fall in der PKV besser aufgehoben. Allerdings hast du selbst gemerkt, dass diese Ansprüche auch etwas mehr kosten.

Meiner Meinung nach solltest du dich zunächst einmal mit den grundsätzlichen Unterschieden zwischen GKV und PKV auseinandersetzen.

"Leistungen in der GKV weiter gekürzt"
Welche Leistungen meinst du? Wichtige, notwendige und teure Leistungen werden in der GKV nicht gekürzt. Die Leistungen müssen dem WANZ-Prinzip entsprechen: wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig. Ausreichend wird von PKV-Vertretern oft mit der Note 4 übersetzt, es bedeutet jedoch, dass die Leistungen ausreichen müssen, um die Krankheit oder gesundheitliche Einschränkung zu behandeln. Das führt dann z. B. dazu, dass der Kassenpatient teure Hilfsmittel erhält, die einem PKV-Versicherten mit geschlossenem Hilfsmittelkatalog vorenthalten werden (google mal bei Reha-Kids, da wird der vermeintlich Vorteil PKV schnell zum Nachteil).

Leistungen in der GKV sind in der Vergangenheit gekürzt worden, wenn sie der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden können. Gern genommenes Beispiel der PKV-Vertreter sind die Brillen. Oder aber die Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung. 1989 gab es eine Liste mit nicht mehr zu verordnenden Hilfsmitteln, da gab es so interessante Dinge wie Penisklemmen und Vakuumpumpen (für denselben), die bis dahin Kassenleistung waren. Wer's braucht und dann nicht selbst zahlen will...

Auf der anderen Seite des Spektrums wurden die gesetzlichen Kassen vom Bundesverfassungsgericht dazu verdonnert, bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung wirklich alles zu zahlen, was Aussicht auf Heilung oder auch nur eine positive Entwicklung des Krankheitsverlaufes darstellt. Überspitzt dargestellt auch das Handauflegen eines Heilers. Dies ist mittlerweile Gesetz.

Womit wir dabei wären, wie eine Kassenleistung eine Kassenleistung wird. Da gibt es den Gemeinsamen Bundesausschuss, einem Gremium aus Vertretern von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen in Deutschland. Dieses Gremium bestimmt, unter welchen Voraussetzungen (Stichwort "evidenzbasierte Medizin") Leistungen zu Lasten der GKV abgegeben werden können.

Kassenleistungen, die in PKV-Verträgen oft sind oder nur in geringerer Höhe enthalten sind, sind u. a. Hilfsmittel in unbegrenzter Höhe einschließlich Stromkosten (bei einem Sauerstoffkonzentrator kann das ganz schön ins Geld gehen), Psychotherapie, Vorsorge- und Rehamaßnahmen, kieferorthopädische Behandlung bei Kindern.

Einschränkungen der Leistungen (kein Heilpraktiker, keine Osteopathie) kann man jetzt wie PKV-Vertreter und Leistungserbringer negativ sehen: "Als Kassenpatient bekommen Sie eben nicht das, was möglich ist, sondern nur das, was nötig ist". Gern argumentiert wird mit veralteten Medikamenten, wenig innovativen Behandlungsmöglichkeiten etc. pp.

Man kann das natürlich auch anders herum sehen -die Kassenpatienten erhalten die geprüften Leistungen und sind nicht das Versuchskaninchen wie oft die PKV-Versicherten oder dann, wenn ihnen eine IGeL verkauft wird.

Terminvergabe - ja, da gibt es ja immer wieder Berichte über die Benachteiligung der Kassenpatienten bei Ärzten. Wobei ich selbst bei einem Arzt nicht als Geldesel angesehen werden möchte, sondern als Patient, dem geholfen wird - unabhängig vom Versicherungsstatus. Und komischerweise sind die Wartezimmer der Ärzte immer voll, die keine Unterschiede machen, sondern sich einfach dem Patienten zuwenden. Weil auch die Privatversicherten so langsam merken, worauf es eigentlich ankommt, wenn sie wirklich mal krank sind.

Wenn du nicht bereit bist, dich auf das Kassensystem einzulassen und weiterhin eigentlich eine PKV willst, die du mit dem Kassensystem "unterfütterst", wirst du nie zufrieden sein. Denn dann zahlst du doppelt, einmal die GKV für die Sicherheit und die PKV für den medizinisch nicht unbedingt notwendigen Schnickschnack.

Mein Tipp: Beschäftige dich mit den Systemen, entscheide dich für das, mit dem du jetzt zufrieden bist (was die Zukunft bringt, weiß keiner) und sei dir im Klaren darüber, dass die sogenannten besseren Leistungen der PKV auch mehr kosten, vor allen Dingen im Alter.

Und dann, aber nur dann, wenn du in der GKV versichert sein möchtest, kommt als zweiter Schritt die Auswahl der passenden GKV mit ihren Zusatzleistungen, die allerdings jederzeit wegfallen können, darauf verlassen kannst du dich anders als bei einem PKV-Vertrag nicht.

Re: Wechsel von PKV in GKV sinnvoll?

Verfasst: 04.04.2016, 20:06
von urson
no glue hat geschrieben:Jetzt habe ich durch den Wechsel in einen festen Job die Möglichkeit, mich freiwillig gesetzlich zu versichern.
lese ich das richtig? du bist nicht mehr selbständig und willst deshalb von der PKV in die GKV zu einer freiwilligen Versicherung? das geht nur, wenn du sozialversicherungspflichtig wirst. und das wirst du nicht, wenn du über der JAEG verdienst. du musst darunter liegen.

Verfasst: 04.04.2016, 20:19
von GerneKrankenVersichert
Wenn es die erste Beschäftigungsaufnahme ist, geht es. Das ist der sogenannte Senkrechtstarter. Meines Wissens schadet einen vorherige selbständige Tätigkeit da nicht.

Vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 3 SGB V und § 7 SGB IV