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Der Krankengeld-Fallen-Fall Stefanie Reffgen aus Boden
Verfasst: 06.03.2016, 18:27
von Anton Butz
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​Achtung: ZUR SACHE RHEINLAND-PFALZ vom 03.03.2016 (5 min)
http://www.ardmediathek.de/tv/zur-Sache ... d=33881886
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Verfasst: 06.03.2016, 18:41
von Czauderna
Hallo,
schade, ich muss mich (noch) raus halten - aber da gäbe des wirklich einiges dazu zu schreiben - nur so viel, von einer "Falle" kann hier nun wirklich nicht die Rede sein.
Gruss
Czauderna
Verfasst: 06.03.2016, 19:14
von Anton Butz
Czauderna hat geschrieben:
... da gäbe des wirklich einiges dazu zu schreiben ...
... von einer "Falle" kann hier nun wirklich nicht die Rede sein.
Hallo Czauderna,
zum ersten Teil sind wir uns wohl einig, sogar "sehr viel"! Zur "
gesetz-
lichen Krankengeld-Falle" versuche ich weiterhin, dich und andere zu
überzeugen.
Schönen Gruß!
Anton Butz
Verfasst: 06.03.2016, 22:36
von SuperNova
Leider fehlen in dem Beitrag wichtige Details, z.B. wie groß die Lücke eigentlich war, ob nur ein Tag, mehrere Tage oder sogar Wochen, bleibt unklar. Es war nur von Dezember und Januar die Rede.
Zwar bleibt nach der neuen Regelung noch der Folgetag nach Ende der Krankschreibung, doch sollte man spätestens am Tag des Ablaufs der AU in der Praxis erscheinen um noch wenigstens bis zum nächsten Werktag (auf Freitag folgt z.B. Montag) eine Frist zu haben, falls der Arzt Schwierigkeiten mit der Krankschreibung macht oder die Praxis überraschend nicht erreichbar ist oder aus sonstigen Gründen nicht zur Verfügung steht, wie hier geschehen.
Es gibt ja meistens immer einen Hausarzt, der eine Überweisung ausgestellt hat, oder auch nicht, in jedem Fall kann oder sollte dieser dann auch wegen einer Folge-AU einspringen, was meiner z.B. schon problemlos gemacht hat.
Dass sich die Patientin von der neurologischen Praxis mit einer Terminverschiebung abspeisen lässt, war natürlich ein Kardinalfehler, den man im Krankengeld nicht machen sollte. Dies zeigt wieder einmal, wie sorglos und unwissend -nicht nur- die Ärzteschaft ist, wenn es um Obliegenheiten von Krankengeldpatienten geht.
Ansonsten kann ich nur sagen: Wieder mal typisch DAK, passt gut. Fallensteller machen eben auch nur das, was sie gemäß ihren Fähigkeiten am besten können, nämlich in Ruhe abwarten, bis die Falle zuschnappt.
Verfasst: 07.03.2016, 10:28
von Anton Butz
Hallo SuperNova,
mir erscheint das „Filmchen“ um einiges bedenklicher. Hier fehlen nicht nur
Details – das war eher „Lügen-Fernsehen“. So wird der Beitrag der Sache nicht
gerecht, gerade weil ZUR SACHE „viele solche Fälle vorliegen“ und der Sender in
Mainz die Entwicklung von der „BSG-Krankengeld-Falle“ zur „gesetzlichen Kranken-
geld-Falle“ (ab 23.07.2015) besser kennen sollte als jeder andere. Die Entwicklung
verlangt von „Öffentlich Rechtlichen“ für unser Geld in der aktuellen Situation weit
mehr, als einem „typischen Opfer der neuen gesetzlichen Krankengeld-Falle“ einen
Fernsehauftritt zu ermöglichen und dieses nach offenbar längerer finanzieller Lücke
auf dem Verschiebebahnhof der Sozialleistungen zur Arbeitsagentur zu rangieren.
Natürlich ist dies in fünf Minuten nicht zu leisten. Falls dem Sender mehr nicht
möglich ist, sollte er auch Volksverdummung in kleinen Raten unterlassen
oder sich auf die Warnung vor der „gesetzlichen Krankengeld-Falle“ be-
schränken.
Schönen Gruß
Anton Butz
Verfasst: 07.03.2016, 12:56
von SuperNova
@Anton Butz:
Da kann ich nur zustimmen, im Prinzip war der gesamte Beitrag nichtssagend. Er taugt allenfalls, um kurz aufzuzeigen, wie wichtig die lückenlose Krankschreibung ist und dass man sich nicht von Terminabsagen durch Arztpraxen hinhalten lassen darf, wie im Beitrag geschehen.
Verfasst: 07.03.2016, 20:55
von urson
SuperNova hat geschrieben:Ansonsten kann ich nur sagen: Wieder mal typisch DAK, passt gut. Fallensteller machen eben auch nur das, was sie gemäß ihren Fähigkeiten am besten können, nämlich in Ruhe abwarten, bis die Falle zuschnappt.
ich will zwar für die DAK nicht Partei ergreifen, aber jede andere Krankenkasse hätte genauso entschieden.
in dem Beitrag wird erwähnt, dass sie schon seit einem Jahr krank ist. nach einem Jahr dürfte sie den Hinweis der Lückenlosigkeit bestimmt mehr als einmal gehört haben.
und wenn eine Arztpraxis zwei Tage vor dem eigentlichen Termin diesen absagt, ist genügend Zeit, um sich die Krankmeldung ersatzweise beim Hausarzt ausstellen zu lassen.
leider fehlen in dem Beitrag Details, dass man sich kein wirkliches Urteil darüber bilden kann. nun ist sie wieder arbeitsfähig nach dem ganzen Kuddelmuddel.
Verfasst: 07.03.2016, 22:51
von vlac
Hallo,
wenn man das Video an dem Punkt, an dem die Mail der DAK gezeigt wird, anhält, erfährt man mehr zu den zeitlichen Dingen: Nach dieser Mail war die Patientin vom 23. Februar 2015 bis zum 4. Dezember 2015 krank geschrieben. Die erneute Krankschreibung erfolgte dann wohl am 11. Januar 2016 - also mehr als einen Monat später.
Man kann hier wirklich nicht sagen, dass die Krankenkasse die Patientin hat in die Fall laufen lassen - die Gesetze sind so, wie sie sind, und die Krankenkasse kann nicht einfach sagen, dass sie jetzt mal drei gerade sein lässt, weil das Fernsehen anruft.
Verfasst: 07.03.2016, 23:51
von SuperNova
Die sogenannte "Krankengeldfalle", welche ja seit Sommer 2015 etwas "entschärft" wurde, wäre es wahrhaft wert gewesen, in einem qualifizierten Bericht der Öffentlichkeit präsentiert zu werden.
Dass dazu ausgerechnet ein "unpassendes" Beispiel wie dieser gezeigte Fall verwendet wurde, ist wohl das Verschulden der Autoren. So gewinnen wir auch noch den berechtigten Eindruck, dass die Patientin selbst durch Untätigkeit ihre Schwierigkeiten verschuldet hat.
Wie auch immer: Die Krankenkassen haben in der Vergangenheit zu rigide reagiert und viele Kranke lapidar im Regen stehen lassen. Dies allein zeigt den unmenschlichen und skrupellosen Umgang mit den Patienten. Dies sollte durch einen kompetenteren Filmbeitrag aufgearbeitet werden.
Verfasst: 08.03.2016, 09:53
von Anton Butz
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Die „neue
gesetzliche Krankengeld-Falle“ ist kein DAK-spezifisches Problem,
sondern Ziel der Konstruktion von Spitzenverbänden der Krankenversicherung
(AOK-Bundesverband, GKV-Spitzenverband). Sie unterscheidet nicht danach,
ob die Lücke mit einem Tag kurz oder mit 5 ½ Wochen lang ist. Die Folgen
sind die selben.
Bisher ist aber keineswegs klar, dass das Gesetz „hergibt“, was die Kranken-
kassen ihren Versicherten antun. Da muss dringend näher hingeschaut werden:
http://dejure.org/gesetze/SGB_V/46.html
Danach entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag der ärztlichen Fest-
stellung der Arbeitsunfähigkeit an. Diese Singular-Formulierung geht von einem
Anspruch, von einer Feststellung und von einer Arbeitsunfähigkeit aus. Für eine
Plural-Auslegung (jeweils mehrere: Ansprüche, Feststellungen, Arbeitsunfähig-
keiten) lässt dieser Wortlaut keinen Raum.
Der nächste Satz, dass der Anspruch auf Krankengeld „
bestehen bleibt“, ist er-
kennbar eine Begünstigungsregelung für den Fall, dass das
Ende der Arbeitsun-
fähigkeit
bescheinigt wurde und am nächsten Werktag die weitere Arbeitsunfähig-
keit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird. Dem Wortlaut ist jeden-
falls nicht zu entnehmen, dass die Fälle der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
„
voraussichtlich bis ...“ ebenfalls erfasst sein könnten. Im Gegenteil: nicht um-
sonst sieht die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch die Formulierung
„
letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit“ in Kombination mit dem Feld „
Endbe-
scheinigung“ vor.
Aus dem Fernsehbeitrag spricht nichts dafür, dass der Arzt den 04.12.2015 als
Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hätte. Im Übrigen ist es ein nur von
den Krankenkassen praktiziertes sozialrechtliches Novum, gutgläubigen Leistungsbe-
ziehern rückwirkend – hier mit Bescheid vom Mitte Januar 2016 zum 04.12.2015 –
das Ende der Zahlungen mitzuteilen. Das hat mit „Sozial“recht nichts zu tun und
ist vom Gesetzgeber mit dem SGB X bereits vor 35 Jahren ausdrücklich unter-
bunden worden.
So gesehen könnte Frau Reffgen aus Boden ziemlich „verschaukelt“ worden sein
als ihr die – mindestens – 3-monatige Einkommenslücke als unvermeidbar darge-
stellt wurde. Ob sie nun Arbeitslosengeld erhalten kann, ist eine ganz andere
Frage.
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Verfasst: 08.03.2016, 12:23
von SuperNova
Eine sogenannte "Krankengeldfalle" kann ich nach den Änderungen im Sommer 2015 eigentlich nicht mehr so richtig erkennen. Die alte Regelung war dagegen eine wirklich raffinierte und versteckte Falle.
Betrachte ich hingegen generell die Lücke in der Krankschreibung und ihre verhängnisvollen Folgen, könnte man durchaus argumentieren, dass die Falle weiter besteht und dem Patienten eine penible Sorgfalt abverlangt.
Der Patient hat nun bis spätestens am Folgetag nach Ablauf der AU Zeit, die Krankschreibung verlängern zu lassen. Fällt der Ablauf der AU auf einen Freitag. so genügt nach der neuen Regelung der darauffolgende nächste Werktag, also Montag. Bei Feiertagen ist entsprechend zu verfahren, maßgeblich ist der Begriff "Werktag".
Die unsägliche alte Regelung ist damit endgültig gekippt.
Es ist zwar immer noch ärgerlich, dass eine Lücke in der AU noch derart drastische und nachteilige Folgen für den Patienten haben kann, doch leben wir jetzt -gemessen an der alten Regelung- wohl mit dem geringeren Übel. Auch wenn das Übel leider weiter besteht.
Verfasst: 08.03.2016, 14:38
von Anton Butz
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Ausgehend vom „fortbestehenden ärgerlichen Übel“ und von den „drastischen,
verhängnisvollen Folgen“ einer Lücke erscheint der Begriff „gesetzliche Kranken-
geld-Falle“ nach wie vor völlig legitim. Versicherte werden weiterhin aus lediglich
formalen Gründen endgültig von ihren materiell-rechtlichen Krankengeld-Ansprüchen,
ihrer wirtschaftlichen Sicherung bei Krankheit, getrennt. Dies ist unverhältnismäßig
und mit der Verfassung wohl kaum in Einklang zu bringen!
Mit der Regelung ab 23.07.2015 wurde die „unsägliche“, „raffinierte“, „versteckte“
„BSG-Krankengeld-Falle“ auch nicht „gekippt“, sondern – lediglich um einen Werktag
(plus Samstag) entschärft – zur „gesetzlichen Krankengeld-Falle“ umgebaut. Was
(mir) zuvor als illegal erschien, sollte aus Sicht der Krankenkassen für die Zukunft
weitgehend „legalisiert“ werden.
Ob dies den Krankenkassen per Gesetzesänderung gelungen ist, bleibt fraglich. Da-
rüber geht bisher nicht nur der vorherige Beitrag hinweg. Dem Patientenbeauftragten
fällt dazu auf die Anfrage vom 08.02.2016
http://www.sozial-krankenkassen-gesundh ... #post21253
nur ein:
​
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Verfasst: 08.03.2016, 16:44
von SuperNova
Anton Butz hat geschrieben:
Mit der Regelung ab 23.07.2015 wurde die „unsägliche“, „raffinierte“, „versteckte“ „BSG-Krankengeld-Falle“ auch nicht „gekippt“, sondern – lediglich um einen Werktag (plus Samstag) entschärft – zur „gesetzlichen Krankengeld-Falle“ umgebaut.
Fakt ist, dass die ursprüngliche Regelung (KG-Anspruch entsteht erst am Folgetag der Krankschreibung) vom Tisch ist und damit auch "gekippt".
Dass eine "unverschuldete" Lücke dann wieder alles zunichte machen und die Existenzgrundlage entziehen kann, steht weiterhin leider nur im alleinigen Ermessensspielraum der Krankenkassen, welche wohl überwiegend keine Kulanz anwenden werden. Hier wäre eben wieder mal der Gesetzgeber gefragt.
In jedem Fall haben wir mit der Abschaffung der bisherigen zweifelhaften und logisch nicht nachvollziehbaren Folgetagsregelung eine "nicht unbeachtliche" Verbesserung erreicht, die man nicht klein reden sollte.
Verfasst: 08.03.2016, 18:33
von Anton Butz
SuperNova hat geschrieben:
Dass eine "unverschuldete" Lücke dann wieder alles zunichte machen und die Existenzgrundlage entziehen kann, steht weiterhin leider nur im alleinigen Ermessensspielraum der Krankenkassen, welche wohl überwiegend keine Kulanz anwenden werden. Hier wäre eben wieder mal der Gesetzgeber gefragt.
"
Ermessensspielraum", "
Kulanz" - interessant! Und ob der Gesetzgeber gefragt ist? Eher nicht! Da gibt es inzwischen einen besseren Ansatz, der der langjährigen Problematik gerecht werden könnte - durch
Auslegung:
Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 31.08.2016, S 3 KR 405/13 (Auszug, 4.8.1):
§ 46 Satz 2 SGB V lautet in der neuen Fassung:
„Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.“
Diese Neuregelung könnte den Anspruch auf Krankengeld allenfalls für den Fall begrenzen, dass ein Arzt ein Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Sie sieht zugleich eine Ausnahme von dieser – möglichen – Rechtsfolge für den Fall vor, dass spätestens am nächsten Werktag nach dem „bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit“ die weitere Arbeitsunfähigkeit auf Grund derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird. Allerdings ist zweifelhaft, ob anhand dieser Vorschrift überhaupt ein Beendigungstatbestand für den materiellen Krankengeldanspruch konstruiert werden kann. Es fehlt an dieser Stelle und auch sonst im SGB V nach wie vor an einer Regelung, die eine Beendigung des Krankengeldanspruchs durch eine ärztliche Handlung („Feststellung der Arbeitsfähigkeit“, „Bescheinigung des Endes der Arbeitsunfähigkeit“) vorsieht. In § 46 Satz 2 SGB V n.F. wird eine entsprechende Rechtsnorm möglicherweise vorausgesetzt. Eine solche lässt sich aber nicht auf einen geltenden Normtext zurückführen. Der in § 46 Satz 2 SGB V n.F. normierten Regelung zum Fortbestand des Krankengeldanspruchs fehlt es somit an einem hiermit korrespondierenden Beendigungstatbestand.
Vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen (Art. 20 Abs. 3 GG) Gebotes der Normenklarheit und Normenwahrheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 – Rn. 61: „Gesetzliche Regelungen müssen so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag (…). (…) Nicht nur bei Eingriffen in die Freiheitssphäre des Einzelnen (…), sondern auch bei der Gewährung von Leistungen und deren zivilrechtlicher Behandlung müssen die Normen in ihrem Inhalt entsprechend ihrer Zwecksetzung für die Betroffenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung widerspruchsfrei sein.“) sowie des Gesetzesvorbehalts des § 31 SGB I erscheint es nicht vertretbar, einen Beendigungstatbestand für den Krankengeldanspruch als durch § 46 Satz 2 SGB V n.F. mittelbar oder indirekt mitnormiert anzusehen. Die hieraus resultierende weitgehende Funktionslosigkeit der Regelung ist vielmehr als Folge ihrer Unvollständigkeit hinzunehmen. Sie ist letztendlich Ausdruck des Versuchs der Legislative, auf eine nicht vom Gesetz gedeckte Rechtsprechung des BSG nur punktuell zu reagieren, anstatt sie entweder umfassend in rechtsstaatlich gebotener Klarheit zu positivieren oder ihr im Wege einer Klarstellung vollständig den Boden zu entziehen.
Aus dem Normtext des § 46 Satz 2 SGB V n.F. ergibt sich erst recht kein Anknüpfungspunkt dafür, dass die in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V vorausgesetzte ärztliche Feststellung sich auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, der Anspruch auf Krankengeld von vornherein nur für einen „bescheinigten“ Prognosezeitraum entsteht, der Anspruch mit dem Ablauf eines „Bewilligungsabschnitts“ endet oder der Arzt mit der Angabe eines Datums bezüglich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit das (vorläufige) Ende des Krankengeldanspruchs bewirkt. Des Weiteren wird weder in § 46 Satz 2 SGB V n.F. noch anderswo im SGB V vorgeschrieben, dass der Arzt das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen hat.
Selbst wenn davon ausgegangen würde, durch § 46 Satz 2 SGB V n.F. würde mittelbar eine Begrenzung des materiellen Krankengeldanspruchs auf einen vom Arzt bescheinigten Endpunkt normiert, wäre diese Tatbestandsvoraussetzung nicht mit dem vom Arzt in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder anderweitig dokumentierten Prognose über das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Wenn ein Arzt prognostiziert, dass die Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten voraussichtlich bis zu einem bestimmten Datum andauern wird, stellt dies semantisch keine Bescheinigung über das Ende der Arbeitsunfähigkeit, sondern eine Bescheinigung über die ärztliche Prognose des voraussichtlichen Endes der Arbeitsunfähigkeit dar. Die vom 1. Senat des BSG letztlich vertretene Rechtsauffassung, die in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentierte Prognose eines Enddatums der Arbeitsunfähigkeit setze dem materiellen Krankengeldanspruch ein (ggf. vorläufiges) Ende, steht somit auch im Widerspruch zum Normtext des § 46 Satz 2 SGB V in der neuen Fassung.
Die semantisch zwingende Unterscheidung zwischen bescheinigter Prognose der Dauer der Arbeitsunfähigkeit und Bescheinigung des Enddatums der Arbeitsunfähigkeit hat auch in der als Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) mit Wirkung zum 01.01.2016 vereinbarten Muster-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Niederschlag gefunden. Hierin ist vorgesehen, dass der bescheinigende Arzt neben einer Erst- oder Folgebescheinigung auch eine „Endbescheinigung“ erstellen kann, in der er nicht anzugeben hat, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen wird, sondern wann der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit war. In den Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung heißt es hierzu:
„Liegt ein potentieller Krankengeldfall vor und der Vertragsarzt/die Vertragsärztin kann bereits bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit einschätzen, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich an dem im Feld „voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich bzw. letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit“ angegebenen Datum endet, enden wird bzw. geendet hat, ist zusätzlich zur Angabe des letzten Tages der Arbeitsunfähigkeit das Kästchen „Endbescheinigung“ anzukreuzen. Auf diese Angabe ist besondere Sorgfalt zu verwenden, weil das bescheinigte Datum für die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers, die Leistungsfortzahlung der Agentur für Arbeit und die Krankengeldzahlung wichtig ist.“
Aus § 46 Satz 2 SGB V n.F. folgt wiederum zwingend, dass in einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthaltene Angaben über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit keinerlei Auswirkungen auf den materiellen Krankengeldanspruch des Versicherten haben. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage und entzieht der Rechtsprechung des BSG zur Wirkung der ärztlichen Prognose der Arbeitsunfähigkeitsdauer ein weiteres Mal die Legitimation.
Fundstelle:
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/Display ... 8BF13F803}
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Verfasst: 08.03.2016, 19:08
von Anton Butz
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Außerdem gibt es das ganz aktuelle Urteil des Landessozialgerichts Mainz vom 04.02.2016, L 5 KR 65/15, das für die seit 23.07.2015 geänderte Rechtslage entsprechend relevant sein dürfte, zumindest aber nicht völlig übergangen werden darf - gerade in Rheinland-Pfalz (Auszug):
Vom Erfordernis der vorherigen ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit lässt die Rechtsprechung jedoch Ausnahmen zu. Dies gilt bei Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit des Versicherten (BSG 5.5.2009 – B 1 KR 20/08 R, juris Rn 21) sowie bei fehlerhafter Information des Versicherten durch die Krankenkasse (BSG 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R, juris Rn 17). Die vorliegende Fallgestaltung ist durch außergewöhnliche Umstände gekennzeichnet, deretwegen ebenfalls eine Ausnahme vom Erfordernis der erneuten Feststellung spätestens am letzten Tag der zuvor ärztlich bestätigten Arbeitsunfähigkeit zu machen ist. Der Kläger, dem zuvor Arbeitsunfähigkeit bis zum 3.9.2014 bescheinigt worden war, hat sich rechtzeitig am 3.9.2014 zur Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit zu Dr L begeben, der ihn aber an diesem Tag, obwohl er dort um eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gebeten hatte, wegen überfüllter Praxis nicht untersucht und erst für den folgenden Tag erneut einbestellt hat, um dann Arbeitsunfähigkeit festzustellen. Bei der gegebenen Sachlage hat der Kläger alles ihm Zumutbare getan, um die rechtzeitige Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit sicherzustellen. Er war zu einer persönlichen Untersuchung am 3.9.2014 bereit, die allein aus praxisinternen Gründen (Überfüllung der Praxis) nicht durchgeführt wurde. Der Kläger konnte den Arzt nicht zwingen, ihm am 3.9.2014 die begehrte Bescheinigung auszustellen. Bei einer Differenzierung nach Verantwortungsbereichen kann es keinen Unterschied machen, ob der Vertragsarzt eine medizinisch fehlerhafte Feststellung trifft, was der Krankenkasse zuzurechnen ist (BSG 8.11.2005 – B 1 KR 30/04, juris Rn 24 f), oder ob von dem Arzt die Feststellung vereitelt wird, da auch ein solches Verhalten unmittelbar mit der Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit verknüpft ist (Sonnhoff in jurisPK-SGB V, § 46 Rn 49). Der Versicherte hat sich in einem solchen Fall keinen fehlerhaften Rechtsrat von seinem Arzt geholt, was der Krankenkasse nicht zuzurechnen wäre (vgl. BSG 10.5.2012 – B 1 KR 19/11 R, juris Rn 27), sondern es lediglich hingenommen, dass der Arzt an diesem Tag keine Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit vorgenommen hat. Der Versicherte hat in einem solchen Fall keine realistische Handlungsalternative. Wenn es bei einer medizinisch fehlerhaften Feststellung dem Versicherten nicht zumutbar ist, solange weitere Ärzte aufzusuchen, bis die gewünschte Bescheinigung erteilt wird (vgl. BSG 8.11.2005 aaO, juris Rn 24), muss dies auch für den Fall gelten, dass eine Feststellung durch den behandelnden Arzt vereitelt wird, obwohl der Versicherte seinerseits alles getan hat, um die rechtzeitige Feststellung zu ermöglichen (ebenso Sonnhoff aaO). Dies gilt jedenfalls bei einem Sachverhalt wie im vorliegenden Fall, in dem der behandelnde Arzt den Kläger für den folgenden Tag einbestellt hat. Unabhängig davon war es für den Kläger am 3.9.2014 ohnehin schwierig, noch einen anderen Arzt zu finden, der an diesem Tag weitere Arbeitsunfähigkeit hätte feststellen können, weil der 3.9.2014 ein Mittwoch war, an dem erfahrungsgemäß viele Praxen nachmittags geschlossen sind. Da die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Zeitraum ab dem 4.9.2014 bis zum 25.11.2014 rechtzeitig ärztlich festgestellt wurde, war die Beklagte bei dieser Sachlage zur Gewährung von Krankengeld für diesen Zeitraum zu verurteilen.
Fundstelle:
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/Display ... A3A0FCDBA}
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