Zusatzbeitrag als Sannierungsinstrument
Verfasst: 14.09.2013, 13:29
Darf der Zusatzbeitrag
als Sanierungsinstrument
eingesetzt werden?
Rechtsanwalt Dr Werner Thelen, Köln
Der Zusatzbeitrag ist nach der Auffassung des Verfassers kein Instrument, das zum Abbau von Altschulden einer Krankenkasse eingesetzt werden darf. Seine Erhebung ist auf die Erhaltung der Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse, die für das jeweilige Haushaltsjahr durch Vergleich der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds mit den laufenden Ausgaben für Leistungen und Verwaltung (und nicht für Schuldenabbau) zu ermitteln ist, begrenzt. Dieser Aufsatz basiert auf den in der Beratung von notleidenden Krankenkassen gewonnenen Erkenntnissen. Die dazu
begleitend von Herrn Prof. Dr. Thüsing erstellte wissenschaftliche Ausarbeitung und die, gegenteilige Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes werden dargestellt.
I. Einleitung
Der Zusatzbeitrag ist vom Wortlaut des § 242 SGB V her betrach¬tet ein Instrument zur Aussteuerung von Defiziten in der Lei-stungsfähigkeit einer Krankenkasse, die sich aus den im Vergleich zu ihren Ausgaben zu geringen Einnahmen aus Zuweisungen des Gesundheitsfonds ergeben. Dabei kommt dem Wort „laufende" Bedeutung zu, weil dieses vorgibt, die Berechnung auf das jeweils bevorstehende Wirtschaftsjahr zu beziehen. Über die Frage, wie denn im Rahmen dieses laufenden Jahres die etwaigen aus nega¬tivem Vermögen resultierenden „zusätzlichen" Aufwendungen ei¬ner Krankenkasse, die von ihr zum Zwecke des Schuldenabbaus getätigt werden müssen, als Grundlage für die Erhebung eines Zu¬satzbeitrages einbezogen werden dürfen, sind unterschiedliche Meinungen entstanden. Dieser Meinungsstreit ist für die Sanie¬rung einer Krankenkasse von erheblicher Bedeutung.
Das Bundesversicherungsamt gab im konkreten Fall ei¬ner Krankenkasse vor, den Zusatzbeitrag als Sanierungsinstru¬ment zu nutzen und ihr in den Vorjahren entstandenes und im Rahmen einer Prüfung erstmals festgestelltes negatives Vermögen durch eine entsprechende Erhebung eines Zusatzbeitrags zu besei¬tigen. Der Bedarf für die Erhebung des Zusatzbeitrags wegen einer auf die laufenden Einnahmen und Ausgaben eines Haushalts¬jahres unter Ausklammerung der für die Beseitigung des nega¬tiven Vermögens benötigten Aufwendungen wurde dabei nicht ermittelt. Die in der Krankenkasse vorhandenen stillen Reserven wurden bei der Ermittlung des negativen Vermögens nicht be¬rücksichtigt. Deren Verwertung zum Zwecke der Ausgleichung des bilanziell vorhandenen negativen Vermögens wurde nicht als Prä¬misse definiert. Nachfolgend stellte das Bundesversicherungsamt sich auf den Standpunkt, eine derartige Betrachtung und Hand¬lungsweise sei mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar. Die Be¬fugnis der Krankenkasse, über eine sog. positive Fortführungspro¬gnose den Abbau des negativen Vermögens ohne die Erhebung des Zusatzbeitrags aufzuzeigen und zu realisieren wurde von dem Bundesversicherungsamt nicht in Betracht gezogen. Die Kritik, der Sanierungsvorgang sei ohne Testat eines Wirtschaftsprüfers nicht zulässig gewesen (arg. § 77 Abs. 1a Satz 5 SGB IV), wurde von dem Bundesversicherungsamt mit dem Argument zurückgewie¬sen, man sei nicht in einer Situation der Fortführungsprognose. Diese Auffassung des Bundesversicherungsamtes wird von Boh¬ len-Schöning und Otto' als Erwiderung zu Traut/Pötters/Thüsivertieft darstellt. Der Zusatzbeitrag dient nach Meinung dieser Au-toren ohne Einschränkung dazu, die Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse zu erhalten und er dürfe deshalb auch erhoben wer¬den, um eine in Vorjahren aufgebaute Verschuldung abzubauen.
Der Verfasser vertritt die Auffassung, dass der Zusatzbei¬trag auf seine Funktion als Wettbewerbsinstrument zu begrenzen ist und nur bezogen auf ein laufendes Haushaltsjahr zum Ausgleich der sich etwaig aus der Gegenüberstellung der zu erwartenden Zu¬weisungen aus dem Gesundheitsfonds und den geplanten laufenden Ausgaben für Leistungen und Verwaltung, also ohne Schuldenab¬bau, eingesetzt werden darf. Es schließt sich dabei den wissen¬schaftlich fundierten Ausführungen von Traut/Pötters/Thüsing3 an.
Deshalb wird nachstehend (II.) untersucht, wie die ge-setzliche Bestimmung unter Anwendung der üblichen Ausle¬gungsmethoden zu verstehen ist. Die Funktion des Zusatzbeitrages in Sanierungsfällen wird unter III. abgehandelt. Im Anschluss wird eine Prognose (IV) für die zukünftige Entwicklung der Rahmenbe¬dingungen, die zu der Erhebung von Zusatzbeiträgen zwingen könnten, erstellt.
Zu den Ausführungen von Bohlen-Schöning und Otto4 in deren Einleitung ist richtig zu stellen, dass dem Bundesversiche-rungsamt der Vorwurf einer Mitwirkung bei einer fehlgeschlagenen und in Bezug auf die Erhebung der zum Zwecke des Abbaus der Alt-verschuldung erhobenen Zusatzbeiträge rechtswidrigen Genehmi-gung einer Sanierungsbemühung unterbereitet wurde. Der Zusatz-beitrag führte aufgrund seiner Höhe von 15,00 € monatlich zu einer Mitgliederabwanderung von mehr als 30 % innerhalb eines halben Jahres und damit zu der Insolvenz der Krankenkasse, die nur durch die von dem Bundesversicherungsamt dann initiierte Fusion noch vor der Schließung gerettet wurde. Der Haftungsverbund wurde durch diesen Vorgang mit einer Umlage in einer Höhe von ca. 30 Mio. € belastet Hieraus resultierte die Frage nach der Haftung des die Aufsicht führenden und den als unzutreffend angesehenen An¬satz der Sanierung über den Weg des Zusatzbeitrags genehmigendenund seiner regelmäßig existenten D Et 0 Versicherung abgehandelt Bundesversicherungsamtes. Dies geschah auf der Grundlage der Ein-schätzung, dass die Krankenkasse über die Verwertung von Vermö-genswerten zum Schuldenabbau in der Lage gewesen wäre und für die Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit allenfalls einen geringfügigen Zusatzbeitrag hätte erheben müssen, der nicht zu einem beachtlichen Mitgliederabgang in dieser Traditionskasse geführt hätte.
II. Die gesetzlichen Bestimmungen
1. Auslegung des § 242 SGB V
Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig und begrenzt die Erhebung des Zusatzbeitrags auf den Ausgleich der zu einem laufenden Haushaltsjahr aus der Gegenüberstellung der zu erwartenden Zu¬weisungen aus dem Gesundheitsfonds und der geplanten Ausga¬ben für Leistungen und Verwaltung zu erwartenden Unterde¬ckung.5 Diese am Wortlaut des Gesetzes orientierte „enge" Ausle¬gung wird auch durch den von dem Gesetzgeber definierten Zweck des Zusatzbeitrags untermauert. Einen über die Zuweisungen hi¬nausgehenden Finanzbedarf sollen die Krankenkassen zunächst durch wirtschaftlicheres Verhalten und - soweit dies nicht ausrei¬cht - durch die Erhebung von Zusatzbeiträgen decken.6 Hierzu enthält der Beitrag von Bohlen-Schöning und Otto' keine Ausfüh¬rungen. Diese Autoren beschränken sich auf eine Darstellung des historischen Ablaufs, der jedoch nur ein Element der Gesetzesaus¬legung darstellt. Ihr Hinweis auf den Grundsatz der Gesamtde¬ckung gemäß § 3 SVHV8 kann nicht relevant sein, weil hier nur haushaltsrechtliche Vorgaben für die Verwaltung einer Kranken¬kasse, jedoch keine Rahmenbedingungen für die Berechtigung zur Belastung der Mitglieder mit Zusatzbeiträgen (zu Sanierungszwe¬cken) normiert werden und diese somit nicht als Kriterium für die Auslegung des § 242 SGB V in Betracht kommen können.
2. Zuständigkeit des Vorstands
Die im Gesetz geschaffene Zuständigkeit des Vorstands für die Er-hebung bzw. Erhöhung eines Zusatzbeitrags im laufenden Haus¬haltsjahr gemäß § 242 SGB V zeigt die Bestrebung des Gesetzge¬bers, eine ausreichende Ermächtigung für die stetige Aussteuerung der Liquidität zu schaffen, auf. Damit hatte der Gesetzgeber aber nicht Maßnahmen zur Sanierung einer Krankenkasse, sondern ausschließlich die Erhaltung ihrer Liquidität im Blick. Sollte also z.B. als Ergebnis einer Prüfling durch das Bundesversicherungsamt gemäß § 274 SGB V im laufenden Jahr eine Erhöhung des Schuldenstands und hierdurch bedingt ein sog. negatives Vermö¬gen aufgezeigt werden, dann fällt die Erhebung des Zusatzbeitrags nicht in die zuvor genannte Sonderzuständigkeit des Vorstands, sondern hier muss der Verwaltungsrat gemäß § 34 SGB IV, § 242 SGB V über die geeigneten Maßnahmen entscheiden. Diese Zu¬ordnung ist auch bereits durch den ansonsten zu Lasten der Mit¬glieder entstehenden Interessenskonflikt des Vorstands vorgege¬ben. Denn eine nicht zutreffende Erstellung eines Jahresabschlus¬ses in der Vergangenheit, die zu einem verdeckten Aufbau von Schulden geführt hat, begründet häufig dessen Verantwortlichkeit. Daneben kommt auch eine, allerdings gemäß § 42 SGB IV auf zu¬mindest grobe Fahrlässigkeit begrenzte Verantwortlichkeit der Mitglieder des Verwaltungsrates bei einem ihnen anzulastenden Versäumnis in Betracht. Die in der Vergangenheit schuldhaft ver¬säumte Erhebung eines Zusatzbeitrags kann mit dem Vorstand
1G5• Tranteötters/Thüsing. ZfS 2012. 641 ff. KrV werden und die Krankenkasse kann verlangen so gestellt zu wer¬den, als wäre durch die Erhebung eines Zusatzbeitrags der Aufbau dieses negativen Vermögens vermieden worden.
3. Überforderungsregelung
Auch die mit dem GKV Finanzierungsgesetz zum 1.1.2011 in Kraft getretene Aufhebung der sog. Überforderungsregelung von 8,00 € und die Einrichtung eines Sozialausgleiches, der bei der Überstei¬gung der Grenze von 2 der beitragspflichtigen Einnahmen eines Mitglieds in Bezug auf den von dem Schätzerkreis festgelegten „durchschnittlichen Zusatzbeitrag" greift, zeigen auf, dass der Ge¬setzgeber sich bei der Definition des Zusatzbeitrags und seines Anwendungsbereiches auf die Betrachtung der laufenden Einnah¬men und Ausgaben eines Haushaltsjahres (ohne Abbau von Altla¬sten) beschränkt. Hieraus leitet er die Sozialverträglichkeit her.9 Andernfalls könnte es sehr schnell zu einer finanziellen Belastung der Mitglieder durch Zusatzbeiträge, die wegen Abbau von Alt-schulden zu Sanierungszwecken erhoben werden, kommen, die wegen des derzeit auf 0,00 € angesetzten „durchschnittlichen Zu¬satzbeitrags" in Verbindung mit der Aufhebung der Grenze von 8,00 € nicht zumutbar ist.10 Das Argument, die Mitglieder könnten wegen des Zusatzbeitrags die Mitgliedschaft kündigen, vermag dabei nicht zu überzeugen. Denn das Mitglied hat ein durch § 69 Abs. 2 SGB IV gesichertes Recht auf einen angemessen Beitrag und es ist nicht zumutbar, den Mitgliedern als Reaktion auf derar¬tig hohe Zusatzbeiträge die Kündigung der Mitgliedschaft in der Krankenkasse seiner Wahl nahezulegen. Deshalb wird die Kündi¬gungsmöglichkeit des Mitglieds von dem Gesetzgeber als „wei¬tere" Schutzmöglichkeit bezeichnet.11 Ihr Einkommen soll für die Sanierung nicht herangezogen werden können und deshalb muss die betreffende Krankenkasse andere Wege einer Sanierung gehen.
4. Kritik
Die Kritik, mit dieser engen Auslegung der gesetzlichen Vorgaben für den Zusatzbeitrag komme den übrigen im Sozialgesetzbuch vorgesehen „eigentlichen" Sanierungsmöglichkeiten im Wege ei¬ner Umlage oder einer Liquiditätsstütze und häufig auch einer Fu¬sion eine Bedeutung zu, die letztlich dazu führe, dass eine Kran¬kenkasse wegen einer „versäumten" rechtzeitigen Erhebung des Zusatzbeitrags relativ schnell in diese teilweise aufwändigen und häufig andere Krankenkassen mit finanziellem Aufwand belasten¬den Maßnahmen geraten könne, vermag die vorstehende Ausle-gung des Gesetzes nicht zu erschüttern. Grundsätzlich steht es den in dem Haftungsverbund einbezogenen Krankenkassen frei, eine derartige Maßnahme zu praktizieren. Das Bundesversicherungsamt hat es allerdings in der Hand, mit dem Instrument der Schließung derartige Sanierungsbeiträge der übrigen Krankenkassen im Haf-tungsverbund zu forcieren, weil die wirtschaftlichen Folgen einer Schließung im Vergleich zu der Sanierung regelmäßig deutlich ne¬gativer sind. Der Vorgang City BKK hat gezeigt, dass letztlich auch Schließungen stattfinden können und wirtschaftlich verkraftet werden. Das sog Haftungsverbundsystem (siehe § 155 SGB V) darf deshalb kein Kriterium sein, das eine über die Unterdeckung aus den laufenden Einnahmen und Ausgaben eines Haushaltsjahres hi¬nausgehende Belastung der Mitglieder rechtfertigt. Aus § 4 Abs. 4 SGB V ist herzuleiten, dass die Mitglieder von einer durch die Grundsätze der wirtschaftlichen Haushaltsführung definierte und gleichzeitig auch in ihren Ausgaben begrenzte Tätigkeit der Kran
kenkasse ausgehen dürfen. In diesem Verständnis ist die Erhöhung der laufenden Ausgaben einer Krankenkasse zum Zwecke eines Schuldenabbaus nicht wirtschaftlich und läuft somit dem in dieser Bestimmung beschriebenen Interesse der Mitglieder zuwider.
Das Ergebnis lautet somit:
1. Nur die laufenden Ausgaben für Leistungen und Verwaltung und nicht der Schuldenabbau dürfen über den Zusatzbeitrag ausgesteuert werden.
2. Die Mitglieder sind nur mit den Kosten für die laufenden Leistungen und Verwaltung und nicht mit dem Abbau von Altla¬sten zu belasten.
III. Die Funktion des Zusatzbeitrages in Sanie-rungsfällen
Der Zusatzbeitrag ist kein Instrument zum Schuldenabbau son¬dern ein Instrument zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit, bezogen auf die Einnahmen aus den Zuweisungen und den laufenden Aus¬gaben in einem Haushaltsjahr (ohne Schuldenabbau).
Die Krankenkasse muss deshalb bei Bestehen eines nega¬tiven Vermögens Maßnahmen außerhalb der Erhebung eines Zu¬satzbeitrags ergreifen. Dabei unterfällt sie gemäß § 171 b SGB V den allgemeinen Vorgaben des Insolvenzrechts für die Sanierung. Sie darf also eine positive Fortführungsprognose aufstellen, die ge¬mäß Art. 5 FMStG bis zuletzt 31.12.2013 befristet eingeführt wurde und gemäß dem Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbeleh¬rung im Zivilprozess12 nunmehr ohne zeitliche Einschränkung ge¬nutzt werden darf. Die von dem Bundesversicherungsamt zu diesem Kriterium vertretene Auffassung, diese Sanierungsmöglichkeiten seien bei Krankenkassen nur weitgehend eingeschränkt zulässig,13 kollidiert mit der Entscheidung des Gesetzgebers, mit Wirkung ab 1.1.2010 die Krankenkassen dem allgemeinen Insolvenzrecht zu unterstellen, ihre Insolvenzfähigkeit also uneingeschränkt zu nor¬mieren. Die Insolvenzreife ist folglich gemäß §§ 16 ff. InsO zu defi-nieren. Deshalb darf eine Krankenkasse trotz bestehendem nega¬tivem Vermögen ihre Tätigkeit fortsetzen, wenn sie entweder tat¬sächlich nicht überschuldet ist oder aber durch geeignete Maßnah¬men diese Überschuldung beseitigen kann. Denkbare Maßnahmen sind z. B. der Verkauf von Vermögenswerten (Aufdeckung stiller Reserven) oder die Vereinbarung einer bilanzwirksamen Stützungs¬leistung anderer Krankenkassen. Die Ausführungen von Bohlen¬Schöning und Otto,14 Krankenkassen dürften keine negativen Be¬triebsmittel ausweisen, ist in Anbetracht dieser durch das Insol¬venzrecht definierten Rahmenbedingung in dieser Absolutheit nicht zutreffend, weil die Betrachtung auf die tatsächliche Vermö-genssituation einer Krankenkasse abzustellen ist. Diese ist gegebe¬nenfalls durch das Testat eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers zu bestätigen, damit eine ausreichend sichere Grundlage für die Fort¬führung trotz bilanzieller Überschuldung geschaffen ist. Auf diesem Wege der Sanierung lassen sich überhöhte und die Schließung einer Krankenkasse auslösende Zusatzbeiträge vermeiden und hierdurch wird das Risiko einer die ansonsten dann notwendige Schließung ermöglichenden Umlage im Haftungsverbund reduziert.
Das Ergebnis lautet deshalb:
1. Die mit einem negativen Vermögen arbeitende Krankenkasse muss aufzeigen, dass sie entweder dieses negative Vermögen durch außerordentliche Erträge ausgleichen kann oder aber durch Finanzhilfen einen Ausgleich herstellen kann.
rungsprognose die Aufrechterhaltung ihrer Existenz, wenn sie eine Sanierung durch derartige Maßnahmen als hinreichend wahrscheinlich darstellen kann.
IV. Aussichten für die Zukunft
Die Krankenkassen müssen für jedes Haushaltsjahr prüfen, ob sie einen Zusatzbeitrag zum Ausgleich ihrer Ausgaben erheben müssen. Versäumnisse können sich drastisch auswirken, weil eine ,,nachträg-liehe" Korrektur dem Schuldenabbau dient und damit nicht von § 242 SGB V gedeckt wäre. Aus Wettbewerbsgründen wird zwar die Beitragserhebung gescheut, jedoch kann eine Unterschätzung der drohenden Unterdeckung zu einer erheblichen Schieflage führen. Die Rücklage ist häufig nicht ausreichend dimensioniert um als Ele¬ment der Aussteuerung der Liquidität eingesetzt zu werden mit der Folge, dass der Zusatzbeitrag dieser Rücklagenbildung dienen würde und damit in dieser Höhe zulässig erhoben werden darf.
Der Zusatzbeitrag wird nach derzeitigen Prognosen zukünftig an Relevanz gewinnen, soweit nicht die diskutierte Rückkehr zu der Bei-tragshoheit der Krankenkassen stattfinden wird. Die aktuell hohen Bei-tragseinnahmen als Folge der guten Konjunktur verdecken den Blick auf die drohende Notwendigkeit der Erhebung von Zusatzbeiträgen.
Der Zusatzbeitrag ist dabei als ein Wettbewerbskriterium zu verstehen. Denn er zeigt auf, wie die einzelne Krankenkasse ihre laufenden Ausgaben aus den Zuweisungen des Gesundheits¬fonds decken kann. Damit hat das Mitglied einen direkten Ver¬gleich zu den Beitragssituationen konkurrierender Krankenkassen und deren Leistungen. Es kann auf dieser Grundlage seine Ent-scheidung zum Verbleib bzw. zum Wechsel treffen.
Die Krankenkassen müssen Systeme installieren, die ih¬nen eine Frühwarnung ermöglichen und eine hinreichende sichere Basis für die Berechnung der Notwendigkeit einer Zusatzbeitragser¬hebung bieten. Den Bescheiden des Bundesversicherungsamtes und den Feststellung des Schätzerkreises wird dabei ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Das Vertrauen in deren Angaben privile¬giert Verwaltungsrat und Vorstand in ihrer hierauf abgestimmten Handlungsweise. Sobald nennenswerte Abweichungen von diesen Vorgaben in der tatsächlichen Entwicklung in einem laufenden Haushaltsjahr festgestellt werden, muss bei Vorliegen des Bedarfs durch die Erhebung bzw. Erhöhung des Zusatzbeitrags reagiert wer¬den. Bei Versäumnissen kommt es zu einem Aufbau von Schulden und es droht die Insolvenz, wenn die Schieflage nicht durch Ma߬nahmen außerhalb der Zusatzbeiträge beseitigt werden kann.
Das Bundesversicherungsamt verfügt nicht über die ausrei-chende fachspezifische Kompetenz zur Begleitung der Krankenkas¬sen in Schieflagen. Die Vorgänge City BKK und BKK Hoesch zeigen auf, dass derartige Sanierungsvorgänge nicht durch Behördenvertre¬ter bestimmt werden können, weil dort die notwendige Erfahrung und Ausbildung fehlt. In beiden Vorgängen wurde in erheblichem Umfange Kosten für Beratungsleistungen durch die Aufsichtsbe¬hörde ausgelöst und in ihrem Aufkommen unterstützt, die sich bei fachkundiger Betrachtung nicht als Sanierungsberatung charakteri¬sieren lassen. Beide Sanierungsfälle scheiterten mit gravierenden fi¬nanziellen Folgen für die Mitglieder der Krankenkassen im Haftungs¬verbund der BKK, die jeweils entsprechend hohe Umlagen leisteten.
Deshalb müssen von der jeweils betroffenen Krankenkasse rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, die ihr ein solides und ge¬genüber der Aufsicht belastbares Fundament für die Ermittlung der Höhe des Zusatzbeitrages schaffen und sie in der in einer derartigen Situation vor beeinflussenden Maßnahmen der Aufsicht, die durch¬aus die finanziellen Belastungen erhöhen können, schützen.
Thelen Zusatzbeitrag als Sanierungsinstrument? in KrV 04/13 S. 154 -155
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eingesetzt werden?
Rechtsanwalt Dr Werner Thelen, Köln
Der Zusatzbeitrag ist nach der Auffassung des Verfassers kein Instrument, das zum Abbau von Altschulden einer Krankenkasse eingesetzt werden darf. Seine Erhebung ist auf die Erhaltung der Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse, die für das jeweilige Haushaltsjahr durch Vergleich der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds mit den laufenden Ausgaben für Leistungen und Verwaltung (und nicht für Schuldenabbau) zu ermitteln ist, begrenzt. Dieser Aufsatz basiert auf den in der Beratung von notleidenden Krankenkassen gewonnenen Erkenntnissen. Die dazu
begleitend von Herrn Prof. Dr. Thüsing erstellte wissenschaftliche Ausarbeitung und die, gegenteilige Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes werden dargestellt.
I. Einleitung
Der Zusatzbeitrag ist vom Wortlaut des § 242 SGB V her betrach¬tet ein Instrument zur Aussteuerung von Defiziten in der Lei-stungsfähigkeit einer Krankenkasse, die sich aus den im Vergleich zu ihren Ausgaben zu geringen Einnahmen aus Zuweisungen des Gesundheitsfonds ergeben. Dabei kommt dem Wort „laufende" Bedeutung zu, weil dieses vorgibt, die Berechnung auf das jeweils bevorstehende Wirtschaftsjahr zu beziehen. Über die Frage, wie denn im Rahmen dieses laufenden Jahres die etwaigen aus nega¬tivem Vermögen resultierenden „zusätzlichen" Aufwendungen ei¬ner Krankenkasse, die von ihr zum Zwecke des Schuldenabbaus getätigt werden müssen, als Grundlage für die Erhebung eines Zu¬satzbeitrages einbezogen werden dürfen, sind unterschiedliche Meinungen entstanden. Dieser Meinungsstreit ist für die Sanie¬rung einer Krankenkasse von erheblicher Bedeutung.
Das Bundesversicherungsamt gab im konkreten Fall ei¬ner Krankenkasse vor, den Zusatzbeitrag als Sanierungsinstru¬ment zu nutzen und ihr in den Vorjahren entstandenes und im Rahmen einer Prüfung erstmals festgestelltes negatives Vermögen durch eine entsprechende Erhebung eines Zusatzbeitrags zu besei¬tigen. Der Bedarf für die Erhebung des Zusatzbeitrags wegen einer auf die laufenden Einnahmen und Ausgaben eines Haushalts¬jahres unter Ausklammerung der für die Beseitigung des nega¬tiven Vermögens benötigten Aufwendungen wurde dabei nicht ermittelt. Die in der Krankenkasse vorhandenen stillen Reserven wurden bei der Ermittlung des negativen Vermögens nicht be¬rücksichtigt. Deren Verwertung zum Zwecke der Ausgleichung des bilanziell vorhandenen negativen Vermögens wurde nicht als Prä¬misse definiert. Nachfolgend stellte das Bundesversicherungsamt sich auf den Standpunkt, eine derartige Betrachtung und Hand¬lungsweise sei mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar. Die Be¬fugnis der Krankenkasse, über eine sog. positive Fortführungspro¬gnose den Abbau des negativen Vermögens ohne die Erhebung des Zusatzbeitrags aufzuzeigen und zu realisieren wurde von dem Bundesversicherungsamt nicht in Betracht gezogen. Die Kritik, der Sanierungsvorgang sei ohne Testat eines Wirtschaftsprüfers nicht zulässig gewesen (arg. § 77 Abs. 1a Satz 5 SGB IV), wurde von dem Bundesversicherungsamt mit dem Argument zurückgewie¬sen, man sei nicht in einer Situation der Fortführungsprognose. Diese Auffassung des Bundesversicherungsamtes wird von Boh¬ len-Schöning und Otto' als Erwiderung zu Traut/Pötters/Thüsivertieft darstellt. Der Zusatzbeitrag dient nach Meinung dieser Au-toren ohne Einschränkung dazu, die Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse zu erhalten und er dürfe deshalb auch erhoben wer¬den, um eine in Vorjahren aufgebaute Verschuldung abzubauen.
Der Verfasser vertritt die Auffassung, dass der Zusatzbei¬trag auf seine Funktion als Wettbewerbsinstrument zu begrenzen ist und nur bezogen auf ein laufendes Haushaltsjahr zum Ausgleich der sich etwaig aus der Gegenüberstellung der zu erwartenden Zu¬weisungen aus dem Gesundheitsfonds und den geplanten laufenden Ausgaben für Leistungen und Verwaltung, also ohne Schuldenab¬bau, eingesetzt werden darf. Es schließt sich dabei den wissen¬schaftlich fundierten Ausführungen von Traut/Pötters/Thüsing3 an.
Deshalb wird nachstehend (II.) untersucht, wie die ge-setzliche Bestimmung unter Anwendung der üblichen Ausle¬gungsmethoden zu verstehen ist. Die Funktion des Zusatzbeitrages in Sanierungsfällen wird unter III. abgehandelt. Im Anschluss wird eine Prognose (IV) für die zukünftige Entwicklung der Rahmenbe¬dingungen, die zu der Erhebung von Zusatzbeiträgen zwingen könnten, erstellt.
Zu den Ausführungen von Bohlen-Schöning und Otto4 in deren Einleitung ist richtig zu stellen, dass dem Bundesversiche-rungsamt der Vorwurf einer Mitwirkung bei einer fehlgeschlagenen und in Bezug auf die Erhebung der zum Zwecke des Abbaus der Alt-verschuldung erhobenen Zusatzbeiträge rechtswidrigen Genehmi-gung einer Sanierungsbemühung unterbereitet wurde. Der Zusatz-beitrag führte aufgrund seiner Höhe von 15,00 € monatlich zu einer Mitgliederabwanderung von mehr als 30 % innerhalb eines halben Jahres und damit zu der Insolvenz der Krankenkasse, die nur durch die von dem Bundesversicherungsamt dann initiierte Fusion noch vor der Schließung gerettet wurde. Der Haftungsverbund wurde durch diesen Vorgang mit einer Umlage in einer Höhe von ca. 30 Mio. € belastet Hieraus resultierte die Frage nach der Haftung des die Aufsicht führenden und den als unzutreffend angesehenen An¬satz der Sanierung über den Weg des Zusatzbeitrags genehmigendenund seiner regelmäßig existenten D Et 0 Versicherung abgehandelt Bundesversicherungsamtes. Dies geschah auf der Grundlage der Ein-schätzung, dass die Krankenkasse über die Verwertung von Vermö-genswerten zum Schuldenabbau in der Lage gewesen wäre und für die Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit allenfalls einen geringfügigen Zusatzbeitrag hätte erheben müssen, der nicht zu einem beachtlichen Mitgliederabgang in dieser Traditionskasse geführt hätte.
II. Die gesetzlichen Bestimmungen
1. Auslegung des § 242 SGB V
Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig und begrenzt die Erhebung des Zusatzbeitrags auf den Ausgleich der zu einem laufenden Haushaltsjahr aus der Gegenüberstellung der zu erwartenden Zu¬weisungen aus dem Gesundheitsfonds und der geplanten Ausga¬ben für Leistungen und Verwaltung zu erwartenden Unterde¬ckung.5 Diese am Wortlaut des Gesetzes orientierte „enge" Ausle¬gung wird auch durch den von dem Gesetzgeber definierten Zweck des Zusatzbeitrags untermauert. Einen über die Zuweisungen hi¬nausgehenden Finanzbedarf sollen die Krankenkassen zunächst durch wirtschaftlicheres Verhalten und - soweit dies nicht ausrei¬cht - durch die Erhebung von Zusatzbeiträgen decken.6 Hierzu enthält der Beitrag von Bohlen-Schöning und Otto' keine Ausfüh¬rungen. Diese Autoren beschränken sich auf eine Darstellung des historischen Ablaufs, der jedoch nur ein Element der Gesetzesaus¬legung darstellt. Ihr Hinweis auf den Grundsatz der Gesamtde¬ckung gemäß § 3 SVHV8 kann nicht relevant sein, weil hier nur haushaltsrechtliche Vorgaben für die Verwaltung einer Kranken¬kasse, jedoch keine Rahmenbedingungen für die Berechtigung zur Belastung der Mitglieder mit Zusatzbeiträgen (zu Sanierungszwe¬cken) normiert werden und diese somit nicht als Kriterium für die Auslegung des § 242 SGB V in Betracht kommen können.
2. Zuständigkeit des Vorstands
Die im Gesetz geschaffene Zuständigkeit des Vorstands für die Er-hebung bzw. Erhöhung eines Zusatzbeitrags im laufenden Haus¬haltsjahr gemäß § 242 SGB V zeigt die Bestrebung des Gesetzge¬bers, eine ausreichende Ermächtigung für die stetige Aussteuerung der Liquidität zu schaffen, auf. Damit hatte der Gesetzgeber aber nicht Maßnahmen zur Sanierung einer Krankenkasse, sondern ausschließlich die Erhaltung ihrer Liquidität im Blick. Sollte also z.B. als Ergebnis einer Prüfling durch das Bundesversicherungsamt gemäß § 274 SGB V im laufenden Jahr eine Erhöhung des Schuldenstands und hierdurch bedingt ein sog. negatives Vermö¬gen aufgezeigt werden, dann fällt die Erhebung des Zusatzbeitrags nicht in die zuvor genannte Sonderzuständigkeit des Vorstands, sondern hier muss der Verwaltungsrat gemäß § 34 SGB IV, § 242 SGB V über die geeigneten Maßnahmen entscheiden. Diese Zu¬ordnung ist auch bereits durch den ansonsten zu Lasten der Mit¬glieder entstehenden Interessenskonflikt des Vorstands vorgege¬ben. Denn eine nicht zutreffende Erstellung eines Jahresabschlus¬ses in der Vergangenheit, die zu einem verdeckten Aufbau von Schulden geführt hat, begründet häufig dessen Verantwortlichkeit. Daneben kommt auch eine, allerdings gemäß § 42 SGB IV auf zu¬mindest grobe Fahrlässigkeit begrenzte Verantwortlichkeit der Mitglieder des Verwaltungsrates bei einem ihnen anzulastenden Versäumnis in Betracht. Die in der Vergangenheit schuldhaft ver¬säumte Erhebung eines Zusatzbeitrags kann mit dem Vorstand
1G5• Tranteötters/Thüsing. ZfS 2012. 641 ff. KrV werden und die Krankenkasse kann verlangen so gestellt zu wer¬den, als wäre durch die Erhebung eines Zusatzbeitrags der Aufbau dieses negativen Vermögens vermieden worden.
3. Überforderungsregelung
Auch die mit dem GKV Finanzierungsgesetz zum 1.1.2011 in Kraft getretene Aufhebung der sog. Überforderungsregelung von 8,00 € und die Einrichtung eines Sozialausgleiches, der bei der Überstei¬gung der Grenze von 2 der beitragspflichtigen Einnahmen eines Mitglieds in Bezug auf den von dem Schätzerkreis festgelegten „durchschnittlichen Zusatzbeitrag" greift, zeigen auf, dass der Ge¬setzgeber sich bei der Definition des Zusatzbeitrags und seines Anwendungsbereiches auf die Betrachtung der laufenden Einnah¬men und Ausgaben eines Haushaltsjahres (ohne Abbau von Altla¬sten) beschränkt. Hieraus leitet er die Sozialverträglichkeit her.9 Andernfalls könnte es sehr schnell zu einer finanziellen Belastung der Mitglieder durch Zusatzbeiträge, die wegen Abbau von Alt-schulden zu Sanierungszwecken erhoben werden, kommen, die wegen des derzeit auf 0,00 € angesetzten „durchschnittlichen Zu¬satzbeitrags" in Verbindung mit der Aufhebung der Grenze von 8,00 € nicht zumutbar ist.10 Das Argument, die Mitglieder könnten wegen des Zusatzbeitrags die Mitgliedschaft kündigen, vermag dabei nicht zu überzeugen. Denn das Mitglied hat ein durch § 69 Abs. 2 SGB IV gesichertes Recht auf einen angemessen Beitrag und es ist nicht zumutbar, den Mitgliedern als Reaktion auf derar¬tig hohe Zusatzbeiträge die Kündigung der Mitgliedschaft in der Krankenkasse seiner Wahl nahezulegen. Deshalb wird die Kündi¬gungsmöglichkeit des Mitglieds von dem Gesetzgeber als „wei¬tere" Schutzmöglichkeit bezeichnet.11 Ihr Einkommen soll für die Sanierung nicht herangezogen werden können und deshalb muss die betreffende Krankenkasse andere Wege einer Sanierung gehen.
4. Kritik
Die Kritik, mit dieser engen Auslegung der gesetzlichen Vorgaben für den Zusatzbeitrag komme den übrigen im Sozialgesetzbuch vorgesehen „eigentlichen" Sanierungsmöglichkeiten im Wege ei¬ner Umlage oder einer Liquiditätsstütze und häufig auch einer Fu¬sion eine Bedeutung zu, die letztlich dazu führe, dass eine Kran¬kenkasse wegen einer „versäumten" rechtzeitigen Erhebung des Zusatzbeitrags relativ schnell in diese teilweise aufwändigen und häufig andere Krankenkassen mit finanziellem Aufwand belasten¬den Maßnahmen geraten könne, vermag die vorstehende Ausle-gung des Gesetzes nicht zu erschüttern. Grundsätzlich steht es den in dem Haftungsverbund einbezogenen Krankenkassen frei, eine derartige Maßnahme zu praktizieren. Das Bundesversicherungsamt hat es allerdings in der Hand, mit dem Instrument der Schließung derartige Sanierungsbeiträge der übrigen Krankenkassen im Haf-tungsverbund zu forcieren, weil die wirtschaftlichen Folgen einer Schließung im Vergleich zu der Sanierung regelmäßig deutlich ne¬gativer sind. Der Vorgang City BKK hat gezeigt, dass letztlich auch Schließungen stattfinden können und wirtschaftlich verkraftet werden. Das sog Haftungsverbundsystem (siehe § 155 SGB V) darf deshalb kein Kriterium sein, das eine über die Unterdeckung aus den laufenden Einnahmen und Ausgaben eines Haushaltsjahres hi¬nausgehende Belastung der Mitglieder rechtfertigt. Aus § 4 Abs. 4 SGB V ist herzuleiten, dass die Mitglieder von einer durch die Grundsätze der wirtschaftlichen Haushaltsführung definierte und gleichzeitig auch in ihren Ausgaben begrenzte Tätigkeit der Kran
kenkasse ausgehen dürfen. In diesem Verständnis ist die Erhöhung der laufenden Ausgaben einer Krankenkasse zum Zwecke eines Schuldenabbaus nicht wirtschaftlich und läuft somit dem in dieser Bestimmung beschriebenen Interesse der Mitglieder zuwider.
Das Ergebnis lautet somit:
1. Nur die laufenden Ausgaben für Leistungen und Verwaltung und nicht der Schuldenabbau dürfen über den Zusatzbeitrag ausgesteuert werden.
2. Die Mitglieder sind nur mit den Kosten für die laufenden Leistungen und Verwaltung und nicht mit dem Abbau von Altla¬sten zu belasten.
III. Die Funktion des Zusatzbeitrages in Sanie-rungsfällen
Der Zusatzbeitrag ist kein Instrument zum Schuldenabbau son¬dern ein Instrument zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit, bezogen auf die Einnahmen aus den Zuweisungen und den laufenden Aus¬gaben in einem Haushaltsjahr (ohne Schuldenabbau).
Die Krankenkasse muss deshalb bei Bestehen eines nega¬tiven Vermögens Maßnahmen außerhalb der Erhebung eines Zu¬satzbeitrags ergreifen. Dabei unterfällt sie gemäß § 171 b SGB V den allgemeinen Vorgaben des Insolvenzrechts für die Sanierung. Sie darf also eine positive Fortführungsprognose aufstellen, die ge¬mäß Art. 5 FMStG bis zuletzt 31.12.2013 befristet eingeführt wurde und gemäß dem Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbeleh¬rung im Zivilprozess12 nunmehr ohne zeitliche Einschränkung ge¬nutzt werden darf. Die von dem Bundesversicherungsamt zu diesem Kriterium vertretene Auffassung, diese Sanierungsmöglichkeiten seien bei Krankenkassen nur weitgehend eingeschränkt zulässig,13 kollidiert mit der Entscheidung des Gesetzgebers, mit Wirkung ab 1.1.2010 die Krankenkassen dem allgemeinen Insolvenzrecht zu unterstellen, ihre Insolvenzfähigkeit also uneingeschränkt zu nor¬mieren. Die Insolvenzreife ist folglich gemäß §§ 16 ff. InsO zu defi-nieren. Deshalb darf eine Krankenkasse trotz bestehendem nega¬tivem Vermögen ihre Tätigkeit fortsetzen, wenn sie entweder tat¬sächlich nicht überschuldet ist oder aber durch geeignete Maßnah¬men diese Überschuldung beseitigen kann. Denkbare Maßnahmen sind z. B. der Verkauf von Vermögenswerten (Aufdeckung stiller Reserven) oder die Vereinbarung einer bilanzwirksamen Stützungs¬leistung anderer Krankenkassen. Die Ausführungen von Bohlen¬Schöning und Otto,14 Krankenkassen dürften keine negativen Be¬triebsmittel ausweisen, ist in Anbetracht dieser durch das Insol¬venzrecht definierten Rahmenbedingung in dieser Absolutheit nicht zutreffend, weil die Betrachtung auf die tatsächliche Vermö-genssituation einer Krankenkasse abzustellen ist. Diese ist gegebe¬nenfalls durch das Testat eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers zu bestätigen, damit eine ausreichend sichere Grundlage für die Fort¬führung trotz bilanzieller Überschuldung geschaffen ist. Auf diesem Wege der Sanierung lassen sich überhöhte und die Schließung einer Krankenkasse auslösende Zusatzbeiträge vermeiden und hierdurch wird das Risiko einer die ansonsten dann notwendige Schließung ermöglichenden Umlage im Haftungsverbund reduziert.
Das Ergebnis lautet deshalb:
1. Die mit einem negativen Vermögen arbeitende Krankenkasse muss aufzeigen, dass sie entweder dieses negative Vermögen durch außerordentliche Erträge ausgleichen kann oder aber durch Finanzhilfen einen Ausgleich herstellen kann.
rungsprognose die Aufrechterhaltung ihrer Existenz, wenn sie eine Sanierung durch derartige Maßnahmen als hinreichend wahrscheinlich darstellen kann.
IV. Aussichten für die Zukunft
Die Krankenkassen müssen für jedes Haushaltsjahr prüfen, ob sie einen Zusatzbeitrag zum Ausgleich ihrer Ausgaben erheben müssen. Versäumnisse können sich drastisch auswirken, weil eine ,,nachträg-liehe" Korrektur dem Schuldenabbau dient und damit nicht von § 242 SGB V gedeckt wäre. Aus Wettbewerbsgründen wird zwar die Beitragserhebung gescheut, jedoch kann eine Unterschätzung der drohenden Unterdeckung zu einer erheblichen Schieflage führen. Die Rücklage ist häufig nicht ausreichend dimensioniert um als Ele¬ment der Aussteuerung der Liquidität eingesetzt zu werden mit der Folge, dass der Zusatzbeitrag dieser Rücklagenbildung dienen würde und damit in dieser Höhe zulässig erhoben werden darf.
Der Zusatzbeitrag wird nach derzeitigen Prognosen zukünftig an Relevanz gewinnen, soweit nicht die diskutierte Rückkehr zu der Bei-tragshoheit der Krankenkassen stattfinden wird. Die aktuell hohen Bei-tragseinnahmen als Folge der guten Konjunktur verdecken den Blick auf die drohende Notwendigkeit der Erhebung von Zusatzbeiträgen.
Der Zusatzbeitrag ist dabei als ein Wettbewerbskriterium zu verstehen. Denn er zeigt auf, wie die einzelne Krankenkasse ihre laufenden Ausgaben aus den Zuweisungen des Gesundheits¬fonds decken kann. Damit hat das Mitglied einen direkten Ver¬gleich zu den Beitragssituationen konkurrierender Krankenkassen und deren Leistungen. Es kann auf dieser Grundlage seine Ent-scheidung zum Verbleib bzw. zum Wechsel treffen.
Die Krankenkassen müssen Systeme installieren, die ih¬nen eine Frühwarnung ermöglichen und eine hinreichende sichere Basis für die Berechnung der Notwendigkeit einer Zusatzbeitragser¬hebung bieten. Den Bescheiden des Bundesversicherungsamtes und den Feststellung des Schätzerkreises wird dabei ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Das Vertrauen in deren Angaben privile¬giert Verwaltungsrat und Vorstand in ihrer hierauf abgestimmten Handlungsweise. Sobald nennenswerte Abweichungen von diesen Vorgaben in der tatsächlichen Entwicklung in einem laufenden Haushaltsjahr festgestellt werden, muss bei Vorliegen des Bedarfs durch die Erhebung bzw. Erhöhung des Zusatzbeitrags reagiert wer¬den. Bei Versäumnissen kommt es zu einem Aufbau von Schulden und es droht die Insolvenz, wenn die Schieflage nicht durch Ma߬nahmen außerhalb der Zusatzbeiträge beseitigt werden kann.
Das Bundesversicherungsamt verfügt nicht über die ausrei-chende fachspezifische Kompetenz zur Begleitung der Krankenkas¬sen in Schieflagen. Die Vorgänge City BKK und BKK Hoesch zeigen auf, dass derartige Sanierungsvorgänge nicht durch Behördenvertre¬ter bestimmt werden können, weil dort die notwendige Erfahrung und Ausbildung fehlt. In beiden Vorgängen wurde in erheblichem Umfange Kosten für Beratungsleistungen durch die Aufsichtsbe¬hörde ausgelöst und in ihrem Aufkommen unterstützt, die sich bei fachkundiger Betrachtung nicht als Sanierungsberatung charakteri¬sieren lassen. Beide Sanierungsfälle scheiterten mit gravierenden fi¬nanziellen Folgen für die Mitglieder der Krankenkassen im Haftungs¬verbund der BKK, die jeweils entsprechend hohe Umlagen leisteten.
Deshalb müssen von der jeweils betroffenen Krankenkasse rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, die ihr ein solides und ge¬genüber der Aufsicht belastbares Fundament für die Ermittlung der Höhe des Zusatzbeitrages schaffen und sie in der in einer derartigen Situation vor beeinflussenden Maßnahmen der Aufsicht, die durch¬aus die finanziellen Belastungen erhöhen können, schützen.
Thelen Zusatzbeitrag als Sanierungsinstrument? in KrV 04/13 S. 154 -155
Mal für alle die es intressiert