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Von der geringfügigen in die (echte) Selbstständigkeit

Verfasst: 14.05.2013, 12:18
von Kashoogo
Tach zusammen,
ich will nur wissen: Wer denkt sich sowas aus?
Ich stehe bei meinem nebenberuflichen Einkommen und der daraus resultierenden Einstufung meiner Beitragspflicht an einem Punkt, der mich völlig plättet.
Bisher als geringfügig nebenberuflich Selbstständiger (freiwillig gesetzlich versichert) habe ich mit einem Monatseinkommen von € 853,- einen Beitrag (Kranken- und Pflegeversicherung) von ca. € 150,- gezahlt. Das sind immerhin schon 18% meines Einkommens. Andere Selbstständige zahlen 15,5 %.
Jetzt habe ich aber im vorigen Jahr € 1050,- monatlich verdient, und liege damit ca. 150,- Euro über der Bemessungsgrenze von 898,- Euro mtl. Das zieht nach den Buchstaben des Gesetzes eine Änderung der Einstufung bei meiner Beitragszahlung nach sich. Es ist absolut nicht unwahrscheinlich, dass ich einen Monatsbeitrag von € 350,- rückwirkend zu zahlen habe, und obwohl meine Krankenkasse mir sicherlich wohlgesonnen ist, habe ich nicht den Eindruck, als ob sie eine Möglichkeit hätte, eine solche Beitragsattacke abzuwenden. Mein Beitrag beliefe sich dann auf über 33% meines tatsächlichen Einkommens. 33% !
Wie kann es so etwas auf dem Hintergrund einer zu erstrebenden Gleichbehandlung geben?
Dass ich als "Fast-Nichts-Verdiener" den Arbeitgeberanteil an der KV selbst zahlen muss: geschenkt. That's life. Aber wieso mehr als doppelt soviel? Zumal meine Selbstständigkeit darin besteht, dass ich als Honorarempfänger als Selbstständiger behandelt werde und es nicht wirklich bin.
Wie kann es sein, dass ich durch etwas mehr Arbeit im Monat ca. €200,- mehr einnehme, die ich dann komplett wieder abgeben muss?
Man kann sich das ja auch mal so vorstellen, dass ich jetzt nur € 50,- im Monat mehr verdienen würde. Dann müsste ich für diese 50 Euro monatl. Mehrverdienst ebenso 200 Euro an zusätzlichem Beitrag zahlen! Ja, geht's noch? Wer erklärt mir diesen Irrsinn?
Strukturell dasselbe Spiel gibt es übrigens an der Stelle, wo man die Familienversicherung verlassen muss, weil man ein gerinfügiges Einkommen erzielt, also beim Übergang aus der Familienversicherung in die geringfügige Selbstständigkeit. Hier liegt die Bemessungsgrenze bei € 345,-. Stell dir vor, du verdienst 350 Euro monatlich, dann darfst du 150 Euro Beiträge zahlen. Nur mal so zum Spaß: Das wären 43% Beitrag aufs Einkommen.
Und auch diesen Bereich habe ich in meinem Leben schon durchschritten und war damals genau so fassungslos wie heute. Zum Glück habe ich damals dann recht schnell mehr verdient und das Problem hat sich schnell abgemildert. Aber an der Grenze, an der ich im Moment stehe, gibt es eben kaum die Möglichkeit, noch mehr (und es müsste schon erheblich mehr sein) zu verdienen. Es gibt nur die Möglichkeit, mich mit meinem Verdienst wieder zurückfallen zu lassen unter die Grenze eines Monatseinkommens von 898 Euro.
Wie kreativ!!!
Schreibt mir was dazu
Danke

gleiches Problem...

Verfasst: 14.05.2013, 13:36
von klausguenter
Hast Du denn noch einen "Hauptberuf"? Bist Du Student oder sonstwas?
Oder bist Du tatsächlich hauptberuflich selbständig?

Re: Von der geringfügigen in die (echte) Selbstständigkeit

Verfasst: 14.05.2013, 13:52
von Bully
Kashoogo hat geschrieben:Honorarempfänger
Hallo Kashoogo,

Honorarempfänger,

dazu eine Frage

betreibst Du eine eigene Webseite
und daher Dein Honorar.

mir fällt dazu eine eventuelle VS-Pflicht nach dem KSVG ein.

Gruß Bully

Verfasst: 14.05.2013, 14:07
von Czauderna
Hallo,
um auf die konkrete Frage einzugehen - der Gesetzgeber denkt sich so etwas aus. Er hat diese Mindestbeitragsbemessungsgrenzen (2021,25 € bzw. 1347,50 € für hauptberuflich Selbständige und 898,33 € für sonstige, freiwillig Versicherte) ins Gesetz geschrieben. Ob das nun in allen Fällen immer gerecht ist, darüber kann man diskutieren, ändern kann man es derzeit aber nicht. Solche Grenzen machen aber auch Sinn, besonders, die für sonstig freiwillig Versicherte, denn gäbe es die nicht, dann würde z.B. 100,00 € Einkommen mtl. reine Krankenversicherung 14,90 € ausmachen - und damit ist nun wirklich keine Krankenvollversicherung machbar.
Bei den hauptberuflich Selbständigen ist meiner Meinung nach die Sachlage etwas anders, hier finde ich persönlich die Mindestbemessung schon recht hoch, aber wie gesagt, es ist der Gesetzgeber und nicht die Krankenkassen an sich dafür verantwortlich.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 14.05.2013, 18:12
von Kashoogo
Für diejenigen, die es interessiert: Ich arbeite als, sagen wir mal "Kreativbetreuer" zum Thema Keramik in fünf verschiedenen Offenen Ganztagsschulen (Nachmittagsbetreuung für Grundschüler) und erhalte dort jeweils ein Honorar. Meine diesbezüglichen Verträge drücken unmissverständlich aus, dass ich in dieser Vertragsbeziehung selbstständig bin.
Zur Antwort von Czauderna: Ja, zu dieser Antwort komme ich auch immer wieder. Ich kann sogar die Notwendigkeit bei den Krankenkassen erkennen und widerstrebend akzeptieren, dass sie für jeden Versicherten einen substantiellen Mindestbeitrag generieren müssen. Was mir nicht einleuchten will ist, dass der Versicherte, der sich am unteren Rand dieses Beitragsentwurfs befindet, nachgerade ausgezogen wird. Ich hatte gedacht, dass die Beiträge mehr nach dem Solidaritätsprinzip eingesammelt werden. Ich lerne also: 33% Kassenbeitrag bei monatlich 1050 Euro Verdienst sind solidarische Praxis...
Kannst du mir näheres über die Mindestbeitragsbemessungsgrenze von € 1347,50 sagen? Die kenne ich noch garnicht. Meine KK hat noch die Möglichkeit eines Tarifes für Selbstständige mit geringem Einkommen erwähnt (das ist nicht die geringfügige Selbstständigkeit), hat aber diese Überlegung sofort wieder verworfen, weil mein Einkommen bei dieser Variante mit dem Einkommen meiner Frau zusammengerechnet wird und ich dann - geteilt durch zwei - auf wundersame Weise ein gutes Einkommen habe. Kannst du mir mehr sagen?
Gruß Kashoogo

Verfasst: 14.05.2013, 18:56
von Czauderna
Hallo,
ja, diese niedrigerer Grenze orientiert sich am dem Gesamtvermögensverhältnissen.
Grob gesagt, wenn Vermögen (gemeinsames) über 10.000 € vorhanden ist wird es nix mit dieser Grenze - offenbar hat das deine Kasse schon geprüft ??!!.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 14.05.2013, 19:05
von Kashoogo
Nach einigem 'Rumlesen im Forum halte ich es für erwähnenswert, dass ich mein Verdienst von 1050 Euro mit 17-18 Stunden Arbeit pro Woche incl. Vor- und Nachbereitung erziele. Es stellt sich die Frage nach meiner "Hauptberuflichkeit". Oder nicht?

Kashoogo

Verfasst: 14.05.2013, 20:07
von Poet
@kashoogo: Die Frage stellt sich nur wenn es eine hauptberufliche und eine nebenberufliche Tätigkeit gibt. Bei Dir sieht es nach den bisherigen Informationen so aus, dass Du hauptberuflich selbständig bist. Es sieht so aus, als hätte Deine Kasse bisher dennoch die Beitragsklasse für nebenberuflich SEL genommen. Das geht nun nicht mehr, weil Dein Einkommen drüber liegt.

In die Beitragsentlastungsklassen von 1347€ bis rd. 2021€ scheinst Du auch nicht zu kommen aufgrund des Einkommens der Ehefrau.

Dabei bist Du aber nicht allein, es gibt en masse hauptberufliche Selbstständige, die 330€ monatlich bezahlen sogar trotz Negativeinkünften lt. Steuerbescheid (Investitionen, Abschreibungen usw.). Das Problem von (Einkommens-) Grenzen ist immer gegeben, sobald Du eine Grenze über- oder unterschreitest. Warum es proportional nicht geht, hat Czauderna schon erklärt.

Rein rechnerisch müsstest Du als Selbständiger Deine gestiegenen Kosten auf Deine Preise/Dein Honorar umlegen. Gegenvorschlag wenn Deine Auftraggeber jammern: Mind. eine der Schulen stellt Dich für fest ein.

Verfasst: 14.05.2013, 21:06
von Bully
Kashoogo hat geschrieben:Für diejenigen, die es interessiert: Ich arbeite als, sagen wir mal "Kreativbetreuer" zum Thema Keramik in fünf verschiedenen Offenen Ganztagsschulen (Nachmittagsbetreuung für Grundschüler) und erhalte dort jeweils ein Honorar.
hallo Kashoogo,

wenn ich das richtig verstehe,

bist Du freiberuflich und auf Honorarbasis tätig,
bist nicht in den Schulbetrieb eingebunden,

Stichwort "Keramik"
ist es von mir zuweit hergeholt, wenn ich sage
" Du unterichtest in Sachen Kunst" bildende Kunst. ???


sollte ich mit meinen Vermutungen richtig liegen, besteht durchaus
die Möglichkeit eine VS nach dem KSVG.
und dann sprechen wir über ganz andere mtl. KK-Beiträge

Frage: was macht Ihr genau, sind es z.b Skulpturen. Reliefs, usw.

Gruß Bully

Verfasst: 14.05.2013, 22:53
von Kashoogo
Dabei bist Du aber nicht allein, es gibt en masse hauptberufliche Selbstständige, die 330€ monatlich bezahlen sogar trotz Negativeinkünften lt. Steuerbescheid (Investitionen, Abschreibungen usw.). Das Problem von (Einkommens-) Grenzen ist immer gegeben, sobald Du eine Grenze über- oder unterschreitest. Warum es proportional nicht geht, hat Czauderna schon erklärt.
Na, da bin ich aber jetzt beruhigt...

Vielen Dank

Verfasst: 15.05.2013, 09:35
von Kashoogo
...sollte ich mit meinen Vermutungen richtig liegen, besteht durchaus die Möglichkeit eine VS nach dem KSVG.
@ Bully:
Kurz noch dazu: Ich glaube, der Gedanke an die Künstlersozialversicherung trägt nicht wirklich. Ich war vor Zeiten mal in der KSV versichert und erinnere mich an den Fragebogen, den ich vor der Aufnahme beantworten musste. Demnach käme ich mit meiner "Kreativbetreuung Keramik" bestenfalls auf die Einschätzung "Basteln mit Tante Erika".
Gut, ich glaube, das Thema ist zunächst mal erschöpfend dargestellt und beantwortet. Ich danke allen, die mir mit ihrer Kenntnis geholfen haben.
Wenn jetzt noch jemand eine Idee hat, wie ich von diesen 1050 Euro die befürchtete, ja ziemlich sichere Nachzahlung, die erhöhte laufende Zahlung und auch noch Steuern bezahlen soll, der kann mir gerne schreiben.
Vielen Dank
Kashoogo

Verfasst: 15.05.2013, 21:37
von heinrich
Hallo Fragesteller,

es gibt sogar Selbstständige (sehr sehr viele sogar), die haben
lt. Steuerbescheid ein NEGATIVeinkommen (Verluste meine ich)

Gäbe es KENE Mindestbemessungsgrenze würden diese Menschen ja mit NULL EUR Beitrag geführt werden

oder

müssten , weil MINUSeinkünfte noch jeden Monat eine Erstattung erhalten.

Dies leuchtet Dir bestimmt ein, dass es eine Mindestgrenze geben muss.

Jetzt kann ich schon Deine Gedanken lesen.
Nämlich dass die Mindestgrenze ziemlich genau dort liegen müsste, wo Dein persönliches Einkommen liegt.


PS: meine moralische Einstellung wäre auch, dass die Mindestgrenzen zu hoch sind, weil es unsolidarisch ist.
Da Bundesverfassungsgericht so die jedoch als o.K. an.

Verfasst: 16.05.2013, 00:22
von Kashoogo
Jetzt kann ich schon Deine Gedanken lesen.
Nämlich dass die Mindestgrenze ziemlich genau dort liegen müsste, wo Dein persönliches Einkommen liegt.
Ja, genau! So ist das nun einmal, nämlich dass man immer denkt, die Probleme dieser Welt wären immer nur und genau die, die man selber gerade hat.
Ich verstehe die Argumentation mit den Mindestgrenzen schon, aber mir erscheinen sie doch erheblich zu undifferenziert. Außerdem weiß ich trotz allem Verständnis eben doch nicht genau, wie ich diesen erhöhten Beitrag und die eventuelle Nachzahlung bezahlen soll, ohne dass mir der Erlös aus meiner Arbeit als völlig absurd vorkommt.
Dass du das BVG erwähnst, das zu diesem Thema schon eine Stellungnahme abgegeben hat, finde ich sehr interessant. Es zeigt, dass dieses Problem auf höherer, ja höchster Ebene wahrgenommen und bewertet wurde. Genau so etwas - Kommentare oder Stellungnahmen aus berufenem Munde - habe ich immer gesucht und würde ich gerne einmal lesen. Kannst du mir den Weg zu solchen Texten weisen? Ich wäre dir - und auch jedem anderen - sehr verbunden, wenn ich da etwas erfahren könnte.
Grüße
Kashoogo

Verfasst: 16.05.2013, 07:53
von Czauderna
Hallo,
vielleicht hilft dir das weiter : BVerfG, 22.05.2001, 1 BvL 4/96 ?
Gruss
Czauderna

Verfasst: 16.05.2013, 08:26
von GerneKrankenVersichert
Guckst du hier: http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 69-01.html

Gesamter Beschluss: http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls2 ... 00496.html

Diese Regelung muss man mittlerweile historisch sehen. Vor der Einführung des SGB V zum 01.01.89 war es für Selbständige sehr leicht möglich, für kleines Geld in der GKV versichert zu sein. Eine Beschäftigung mit damals 400,-- DM bei einem befreundeten Selbständigen reichte vollkommen aus, einen Ausschluss der Versicherungspflicht wegen hauptberuflich selbständiger Tätigkeit gab es nicht und wenn ich mich recht erinnere auch keine Mindestbemessung der Beiträge in dieser Höhe. Damals, als man sich dann selbständig machte, wenn man sich ein höheres Gehalt aus seiner selbständigen Tätigkeit als aus dem Angestelltenverhältnis erhoffte, machte die Regelung und auch die Mindestbemessung in der Höhe Sinn.

Beim Wandel zum aktivierenden Staat mit seinen Hartz-Gesetzen änderte sich die Motivation zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit grundlegend. Die Mindestgrenze wurde zunächst für die ICH-AGs und später dann auch für bedürftige Selbständige angepasst, obwohl das BVerfG das nicht gefordert hatte.

Soviel zur Theorie. Zur Praxis:
Nach einigem 'Rumlesen im Forum halte ich es für erwähnenswert, dass ich mein Verdienst von 1050 Euro mit 17-18 Stunden Arbeit incl. Vor- und Nachbereitung erziele. Es stellt sich die Frage nach meiner "Hauptberuflichkeit". Oder nicht?
Genau das ist die Frage. Die Kritierien findest du hier: http://www.mediafon.net/upload/2010_GKV ... selbst.pdf ab Seite 12. Je nach Einkommen deiner Frau müsste eine Einstufung als nebenberuflich Selbständiger wie bisher möglich sein.