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seit 4 Jahren ohne Krankenversicherung
Verfasst: 25.08.2010, 16:01
von CarmenB
Mein Bruder (27 Jahre) ist seit etwa 4 Jahren nicht mehr krankenversichert. Er hat weder gearbeitet noch Sozialleistungen erhalten, sondern bei den Eltern und von seinem Ersparten gelebt. (Bitte von Wertungen zu diesem Sachstand abzusehen.)
Nun möchte er sich sowohl beim Arbeitsamt als Arbeitssuchender zur Verfügung stellen, als auch eigeninitiativ Bewerbungen schreiben.
Er brauch auf jeden Fall eine Krankenversicherung.
Wie wird die finanziert, solange er noch keine Arbeitsstelle hat (er erhält weiterhin keine Sozialleistungen, da sein Vermögen noch immer über der zulässigen Grenze liegt). Wir haben von der freiwillg gesetzlichen Versicherungsmöglichkeit gehört - bietet das jede Krankenkasse an?
Und wie sieht es mit den Rückzahlungen aus? Muss er wirklich für die vier Jahre nachträglich Versicherungsbeiträge leisten (er hat keine Krankenversicherungsleistungen in Anspruch genommen und konnte das ja auch gar nicht).
Würden uns über hilfreiche Antworten sehr freuen.
Verfasst: 25.08.2010, 17:33
von Gast
ich gehe davon aus, dass er letztmalig in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Ist dem so, dann gilt für ihn seit dem 01.04.2007 Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13.
für ihren Bruder heißt dies, er muss sich bei seiner letzten Krankenkasse melden und rückwirkend ab dem 01.04.2007 die Beiträge nachzahlen. folgedessen wird er einen hohen Rückstand an Beiträgen auf einen Schlag bekommen. um Probleme mit Leistungsausschluss, Gerichtsvollzieher usw. zu umgehen, sollte sofort mit Antragstellung auf die Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 ein Antrag auf Ratenzahlung gestellt werden. dies bewirkt, dass bei Aufnahme einer Ratenzahlung keine weiteren Säumniszuschläge auf den Rückstand hinzukommen, sondern lediglich Zinsen zum Ende der Rückzahlungslaufzeit. die Rate ist dann natürlich zusätzlich zum laufenden Beitrag zu entrichten.
Re: seit 4 Jahren ohne Krankenversicherung
Verfasst: 25.08.2010, 17:36
von Gast
CarmenB hat geschrieben:Und wie sieht es mit den Rückzahlungen aus? Muss er wirklich für die vier Jahre nachträglich Versicherungsbeiträge leisten (er hat keine Krankenversicherungsleistungen in Anspruch genommen und konnte das ja auch gar nicht).
die rückwirkende Einstufung ist unabhängig, ob Leistungen in Anspruch genommen wurden oder nicht. die GKV arbeitet nach dem Solidaritätsprinzip, d.h. einer für alle, alle für einen.
Verfasst: 25.08.2010, 17:42
von Hucky
Was soll man da noch sagen. die Antowort von krümel2007 ist kurz und bündig auf den Punkt gebracht.
Es ist interessiert die KK nicht ob er krank war oder nicht bzw. dass er keine Leistungen in Anspruch genommen hat bzw. dies nicht über die KK konnte. Wenn er sich nicht meldet, obwohl er seine Umstände kannte, dann ist es sein Problem nicht das der Solidargemeinschaft. Den Rest hat ja krümel2007 schon geschrieben.
VG
Hucky
Verfasst: 25.08.2010, 19:14
von Rossi
Nun denn ganz so schlimm es nicht.
Wenn der Bruder noch nicht einmal Leistungen rückwirkend in Anspruch nimmt, dann empfehle ich gleichzeitig den Antrag auf Stundung und Ermäßigung nach § 186 Abs. 11 SGB V zu stellen.
Als Begründung hierfür trägt er vor, dass er es nicht gewusst hat, dass er seit dem 01.04.2007 bei der alten Kasse versicherungspflichtig ist und auch zum 01.04.2007 von der Kasse hierüber nicht informiert worden ist.
Viele Kasse ignonieren die Ermäßigung einfach stumpf. Aber ich persönlich sehe dort sehr viel Potential. Vor allen Dingen, wenn man die Begründung zum Gesetzentwurf von § 186 Abs. 11 SGB V (siehe GKV-WSG) gelesen und verstanden hat.
Auszug:
BT-DRS 16/3100 Seite 159
Durch Satz 4 der Neuregelung soll vermieden werden, dass diese Nachzahlungspflicht bei unverschuldet verspäteter Anzeige zu unbilligen Härten für die Betroffenen führt. Eine Ermäßigung oder Nichterhebung der nachzuentrichtenden Beiträge wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Betroffenen in der Zwischenzeit keine Leistungen oder nur Leistungen in geringem Umfang in Anspruch genommen haben.
Na, wie siehst Du es, passt es wohl für den Bruder?
Die Kasse sieht es natürlich anders, holt die Kanone raus und ballert nen fetten Nachzahlungsbescheid - natürlich mit vollem Beitrag - und zusätzlich noch Säumniszuschläge in Höhe von 5 % pro Monat raus. Ja Du hast richtig gelesen, 5 % pro Monat mithin 60 % pro Jahr.
Ist das wohl verhältnismäßig?
Verfasst: 25.08.2010, 20:20
von Gast
@Rossi
In welchen Fällen läge nach deiner Definition denn ein nicht unverschuldetes Verhalten vor?
Die Reglung existiert schließlich schon ne gute Weile und wurde über zig Kanäle publik gemacht.
Verfasst: 25.08.2010, 21:01
von Czauderna
Hallo,
unser guter Rossi glaubt eben immer an das Gute im Menschen.
Alle, die sich hier melden mit dem gleichen Problem sind natürlich auch immer und selbstverständlich unschuldige Opfer des Systems.
Rossi sieht das schon richtig, deshalb gibt er auch immer die passenden Ratschläge. Wir, also ich z.B. sind eben die sturen Bürokraten, die sich hinter Gesetzen verschanzen und nix anderes im Sinne haben als Macht auszuüben und den Betreffenden in den Ruin zu treiben, dies entweder vorsätzlich oder aus Dummheit.
Ich kann nur von meiner Praxis berichten und dort sind es schätzungsweise
2 von 10, denen ich das zugestehe was Rossi hier feststellt, nämlich unschuldige Opfer des Systems, alle anderen wussten schon was Sache ist und suchten nur Möglichkeiten um ungeschoren aus der Nummer rauszukommen. im Gegensatz zu denjenigen welche treu und brav seit dem 01.04.2007 bzw. 01.01.2009 das tun was richtig ist, nämlich einen Krankenversicherungsbeitrag zu zahlen, egal wohin.
War das jetzt zu hart und unpassend für dieses Forum, dann sorry, aber ich bin es langsam leid für unsinnige Gesetzgebung den Kopf hinhalten zu müssen und wenn hier Urteile eines örtlichen Sozialgerichtes als allgemein verbindlich dargestellt werden dann erweckt dies einfach einen falschen Eindruck.
Gruss
Czauderna
Verfasst: 25.08.2010, 21:54
von Gast
@Czauderna
Ich gebe dir Recht.
Na ja..Stundungen find ich voll ok. Ich könnte vier Jahresbeiträge schlichtweg auch nicht ad hoc tragen.
Grundgedanke des Gesetzgebers war ja orginär mal der Schutz der Leistungserbringer..sollte man ggf. auch net vergessen.
Verfasst: 25.08.2010, 22:46
von Rossi
Ich hab´s schon in dem anderen Forum eingstellt.
Die Kassen reiten immer darauf rum, dass das Gesetz im BGBL veröffentlich wurde und somit jeder am 01.04.2007 wusste, och man, ich bin von der Kralle erwischt worden.
Das schlagskräftige Argument der Kassen lautet also, Gesetze haben Publizitätswirkung und deswegen muss sich jeder anlasten lassen, dass er es hätte wissen müssen.
Fast das gleiche Argument hat die Bundesagentur für Arbeit im Jahre 2000 in den Ring geworfen und wollte betroffenen Arbeitslosen den Leistungsanspruch kürzen.
Nun denn, 3 Verfahren hat man zum BSG gepeitscht! Ergebnis, nix mit Publizitätswirkung; die Agentur musste löhnen.
Szenenwechsel; wir sind im Jahr 2010 und die Kasse kommen mit einer Kamelle um die Ecke, die schon längst durchgekaut wurde.
Ich bleibe dabei, wenn bpsw. nach dem 01.04.2007 jemand aus der GKV ausgeschieden ist und er von der Kasse ausdrücklich auf eine freiw. Kv., sowie auf eine evtl. Kralle mit Nachzahlungspflicht hingewiesen wurde, dann ist es in Ordnung. In dieser Konstellation muss der Kunde es sich dann - bei einer verspäteten Anzeige - anlasten lassen.
Aber ist es so in der Praxis?
Verfasst: 26.08.2010, 12:27
von Gast
Es redet hier keiner von dem Bgbl. Darauf zu verweisen wäre absurd und weltfremd.
Die Gesetzesnovellierung wurde ausgebiebig und immer wieder in den Medien publiziert und nicht nur bei der Einführung.
80% der Kunden (die ich als Berater vor mir sitzen habe) versuchen sich auf §186 zu berufen mit den Grundtenor des Erlasses mit dem Argument, dass man von der Versicherungspflicht gewusst habe aber nicht von den Beiträgen.
Konnten die KK alle informieren? Nein. Viele waren auch vorher schon geraume Zeit nicht versichert und eine lückenlose Mitgliedschaft wurde zur damaligen Zeit nicht geprüft -mangels der Notwendigkeit- und war ab der Einführunng des Gesetzes schlichtweg nicht möglich.
Wie gesagt, eine Stundung find ich voll ok und wird in den allermeisten Fällen von meiner KK bewilligt.
Ich find es reichlich witzig von den, wie es hier immer so schön geschrieben steht, "ho ho ho bösen KKen" zu lesen. Von der hier implizierten Böswilligkeit mal ausgegangen: von den Beiträgen ab 2009 kann ich mir ein Ei drauf pellen, da die entsprechend an den Fond abgeführt werden. Die KK gewinnt dadurch nix.
§ 186 sieht eine Ausnahme vor und nicht die Regel. Wenn der Gesetzgeber eine andere Intention verfolgte, dann soll er dies gefälligst endlich korrekt näher definieren.
Wenn er schon mal dabei ist, kann er auch eine ausgebiege Erläuterung/Umformulierung für § 5 (2a) SGB V stricken, damit in Zukunft auch hier nix mehr von den "ho ho ho bösen KKen" zu lesen ist.
Verfasst: 26.08.2010, 13:18
von Gast
Tut mir leid, ich weiß das war etwas harsch.
Würde es einen internen Bereich geben, hätte ich die Thematik dorthin verlegt.
Es ist halt einfach arg frustrierend, dass Gesetze im Regelfall äußerst kümmerliche Rahmengerüste sind, die oft durch ebenso kümmerliche Erläuterungen gestützt werden. Die Auslegung, sprich das raten was der Künstler uns sagen möchte bleibt bei den KKen hängen. Im Rahmen einer SG Entscheidung -deren Cleverness ich oftmals anzweifle- wird alles über den Haufen geschmissen mit der Begründung "hätte der Gesetzgeber was anderes gewollt, hätte er es reingeschrieben".
Dann sollen die Macher das doch bitte einfach erschöpfend ausführen und dann hätten wir den ganzen Mist nicht.
Aber bei der Unterstellung, dass ich von mir aus (oder im Auftrag meines Arbeitgebers) böswillig agiere muss ich innerlich brechen.
Alleine schon die Unterstellung bei § 5 (2a), dass die "ho ho ho bösen KKen" nicht wollen treibt mir den Puls schon ins dreistellige. Für mich ist das immernoch ein "wir dürfen nicht". Wo der Benefit für ne KK sein soll Mitglieder abzulehnen ist mir ein Rätsel.
Verfasst: 26.08.2010, 14:18
von Shayla
Und wie gehen die gesetzlichen Krankenversicherungen in vorliegendem Fall mit den
Säumniszuschlägen um?
§ 24 SGB IV
(1a) ... haben ... Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 des Fünften Buches ... für Beiträge ..., mit denen sie länger als einen Monat säumig sind, für jeden weiteren angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 5 vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Beitrages zu zahlen.
Wäre bei rd. mtl. EUR 140 Beitragsschuld seit 1.4.07 und Rückstand von 1.4.07 - 31.07.10 = 39 Monate á 5 %
EUR 10.647 - zuzüglich
EUR 5.600 Beitragsrückstand.
Setzen die Krankenversicherungen die
"... Gründe(n), die er nicht zu vertreten hat ..." im Sinne des § 186 XI 4 SGB V mit der
"Glaubhaftmachung des Unverschuldetseins" nach § 24 II SGB IV gleich ?
§ 24 II SGB IV
(2) Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
Die Ablehnung des Nichtvertretenmüssens nach § 186 XI 4 SGB V würde dann gleichzeitig die Nichtanwendbarkeit des § 24 II SGB IV bedeuten!
Verfasst: 26.08.2010, 15:59
von Marco
Wenn er den Antrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V stellt, dürften keine Säumniszuschläge für den Zeitraum von 1.4.07 - 31.07.10 angerechnet werden.
Erst ab dem Tag, wo er den Bescheid oder Rechnung erhält, können Säumniszuschläge bei ihm erhoben werden.
Erster Monat 1% zweiter Monat 5% auf die 5.600 EURO.
@Marco: Vielen Dank für die Antwort
Verfasst: 26.08.2010, 17:18
von Shayla
Wenn er den Antrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V stellt, dürften keine Säumniszuschläge für den Zeitraum von 1.4.07 - 31.07.10 angerechnet werden.
Vorausgesetzt, er zahlt innerhalb der von der Krankenversicherung gesetzten Frist den gesamten Beitragsrückstand oder die Krankenversicherung gewährt ihm (auf Antrag)
vor Fälligkeit des Beitragsrückstandes eine Stundung und Ratenzahlung, ist das korrekt?
Zahlt er den Beitragsrückstand nicht fristgerecht, müssten doch schlagartig mit Fristablauf die Säumniszuschläge auf den gesamten Rückstand entstehen, sonst würde § 24 II SGB IV (
"... Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt ...") keinen Sinn machen.
Zusätzlich entsteht jeden Monat ein
weiterer Säumniszuschlag von 5 % auf den gesamten Beitragsrückstand, solange dieser fällig ist.
Diese riesige Schuld allein durch Säumniszuschläge auf Beitragsrückstände würde danach allein dann nicht entstehen, wenn die Krankenkasse dem Mitglied eine Stundung und Ratenzahlung
vor Fälligkeit des Beitragsrückstandes gewährt - und das Mitglied muss über diese Zusammenhänge aufgeklärt sein.
Was wurde den Krankenkassenmitarbeitern denn da für eine Beratungs-Verantwortung aufgebürdet?
Verfasst: 26.08.2010, 18:13
von Hucky
Wie ich sehe ist dieses Thema immer wieder ein sehr begehrt.
Grundsätzlich weise ich bei Bedarf auf die Möglichkeit der Stundung .. hin. Mache jedoch keine Zusage über die Entscheidung, zumal ich diese eh nicht treffe. Sofern die Anzeige UNVERSCHULDET sehr spät erfolgt ist durch das Gesetz bzw. durch die jeweilige Satzung der KK eine entspr. Regelung getroffen. Die Beweisführung obliegt dem Versicherten.
Ich bin mit Bjoern81 und Czauderna einer Meinung zu diesem Thema. Da gibt es nichts zu ergänzen.
@ SHAYLA
Sofern er die Zahlungsfrist einhält, fallen natürlich keine SZ an.
Den Rest ja Marco geschrieben.
Wer uns diese Beratungsverantwortung auferlegt hat? Ganz einfach, der Gesetzgeber. Wer sonst?
VG
Hucky