Seite 1 von 1

Beitragsnachforderung freiwillige GKV

Verfasst: 24.06.2010, 12:55
von Moench
Guten Tag,

ich habe nichts vergleichbares oder per Google gefunden und hoffe nun mir kann hier jemand die folgende Situation erklären:

Ich war 2007 und 2008 hauptberuflich selbständig und freiwillig bei einer gesetzlichen Krankenversicherung kranken- und pflegeversichert. Anfang 2007 habe ich mein erwartetes Einkommen geschätzt und auf der Grundlage Beiträge gezahlt. Seit dem 01.01.2009 war ich hauptberuflich angestellt und war darüber kranken- und pflegeversichert, seit 01.01.2010 bin ich arbeitssuchend und über die Arge krankenversichert. Vor einem Monat hat die KV die Einkommenssteuerbescheide für 2007 und 2008 zur Beitragsermittlung angefordert, die hab ich ihnen gleichzeitig / zusammen zugesandt. 2007 habe ich mehr verdient als damals geschätzt, 2008 sehr viel weniger (einen Antrag auf Herabsetzung meiner Beiträge auf den Mindestbeitrag habe ich nach Rücksprache mit der KV nur nicht gestellt, weil die Differenz nur grob 20 Euro im Monat gewesen wären für ein überaus umfangreiches Formular, und der Antrag auch nicht zwingend genehmigt wird, so die Auskunft der KV damals). Nun habe ich ein Schreiben bekommen in dem mir die KV einen Nachzahlungsbetrag für sowohl 2007 als auch 2008 errechnet, für beide Jahre ist das monatliche Durchschnittseinkommen aus 2007 als Berechnungsgrundlage eingesetzt - stimmt das für 2008 überhaupt nicht sondern lag deutlich darunter (was ja aus dem Einkommenssteuerbescheid so auch vorgeht). Dass ich für 2007 eine Nachzahlung aufgrund der Differenz zwischen meiner Schätzung und dem tatsächlichen Einkommen leisten muss ist mir klar und verständlich, aber 2008 gar nicht.

Ich habe die KV angerufen, die Auskunft da lautete, dass der Gesetzgeber bestimmt hat, dass beim Ende der freiwilligen GKV nicht bis zum letzten Geschäftsjahr die Einkommen herangezogen werden als Berechnungsgrundlage sondern nur das vorletzte. Ich habe die Links / Verweise zu den zugehörigen Gesetzestexten bzw. Urteilen angefordert und das hier per Mail erhalten:

Rechtsquelle ist § 240 SGB V in Verbindung mit den Beitragsverfahrensgrundsätzen des Spitzenverbandes Bund der gesetzlichen Krankenkassen. Die Beitragsverfahrensgrundsätze wiederum stützen sich zum Thema Beitragsberechnung und Einkommensteuerbescheide auf ein Urteil des Bundessozialgerichtes (26.09.1996 12 RK 46/95). Sinngemäß sagt dieses Urteil aus, dass - da kein anderes praktikables System vorhanden ist - die Beitragsberechnung für freiwillig versicherte Selbstständige am Einkommensteuerrecht ausgerichtet wird und die Beitragsberechnung ohne die Heranziehung amtlicher Unterlagen dier Finanzverwaltung nicht erfolgen darf.

Nachdem ich mich da durchgelesen habe finde ich noch immer keine Begründung warum bei mir für 2008 nochmal das (sehr viel höhere) Einkommen von 2007 angesetzt wird.

Ich freue mich sehr, wenn mir das jemand erklären kann. Vielen Dank!

Verfasst: 24.06.2010, 21:49
von heinrich
Hallo Moench,

der Beitrag im ersten Bescheid für 2007 (Begrüßungsschreiben) wurde mit 100%iger Sicherheit „vorläufig“ berechnet (auch: unter Vorbehalt oder einstweilig“ genannt), bis dass der erste Einkommensteuerbescheid aus der selbstständigen Tätigkeit eingereicht wird.
Mit dem ersten Einkommensteuerbescheid (2007) wird dies berichtigt
UND was immer erfolgt, auch ü b e r den 31.12. des ersten Jahres hinaus (bei Dir dann über den 31.12.2007) angesetzt.

Nämlich so lange bis der Einkommensteuerbescheid für das zweite Jahr (2008) kommt.
Wenn der zweite Einkommensteuerbescheid kommt, gilt folgende Regelung.

A)
Dieser führt dann bei niedrigeren Einnahmen gegenüber den Einnahmen aus dem ersten Jahr zu einer Senkung ab dem ersten des Monats nach Einreichung bei der Krankenkasse (betone: nicht rückwirkend).
Wenn zu diesem Zeitpunkt dann keine freiwillige Mitgliedschaft mehr besteht, dann geht die Senkung ins Leere.

B)
Bei höheren Einnahmen gegenüber den Einnahmen aus ersten Jahr auch nicht rückwirkend ab 01.01 dieses (zweiten) Wirtschaftsjahres (bei Dir 01.01.2008), sondern ab ersten des Monats nach Erstellung durch das Finanzamt.

Diese Regelung

gilt im Guten (erstes Jahr wenig, zweites Jahr viel) => B

als auch im Bösen (erstes Jahr viel , zweites Jahr wenig) => A

Bei denen, die davon profitieren (B) hat sich übrigens noch niemand nicht never überhaupt einmal beschwert. Ist ja logisch.

Die Personen, die unter A fallen und Pech haben, stellen jetzt viele die Frage, ob dies denn gerecht ist und ob dies schon mal ein Gericht überprüft hat.

Ja: Wurde vom höchsten deutschen Sozialgericht, dem Bundessozialgericht am 22.03.2006 so als richtig anerkannt.

Hier der Link. http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... =14&anz=37

Wenn Du diese Zeilen gelesen (mit meinen hoffentlich einfachen Worten) hast und dann noch das Urteil des Bundessozialgericht (mit komplizierteren aber gleichen Worten) studiert hast, kannst Du sicherlich verstehen, warum die Krankenkasse so handelte.

Gruß heinrich