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Kasseninsolvenz: Wie sieht es mit Beitragsguthaben aus

Verfasst: 15.06.2010, 22:53
von windkom
Stellen wir uns, es geht tatsächlich eine Kasse pleite und fusioniert nicht im letzten Moment mit einer anderen Kasse.

Was passiert mit Beitragsguthaben?

Szenario:
Kasse will von Versicherten EUR 2000,-. Versicherter meint, das sei rechtswidrig. Durch die sofortige Vollstreckbarkeit zahlt der Versicherte, um keine Gehaltspfändung zu erhalten.
Kurze Zeit danach geht die Kasse in die Insolvenz.
Kurze Zeit danach gewinnt der Versicherte vor dem Sozialgericht und der Bescheid wird vom Gericht aufgehoben.

Was geschieht dann mit den EUR 2000,-?

Jetzt möge jmd. sagen: Pech gehabt!

In der freien Wirtschaft könnte ich das ja verstehen. Aber eine gesetzliche Krankenkasse hat das Privileg sich sofort vollstreckbare Titel in Form von Bescheiden selbst zu kreiieren. Dieses Privileg haben Unternehmen in der freien Wirtschaft nicht - aus gutem Grund, sonst würden Abofallen-Betreiber schnell reich werden.

Verfasst: 15.06.2010, 23:12
von Czauderna
Hallo windkom,
fürwahr eine sehr interessante Frage, und offengestanden, da habe ich keine rechtlich fundierte Antwort drauf - ich könnte mir aber vorstellen dass die neue Krankenkasse sozusagen als Rechtsnachfolger dafür aufkommen muesste und eventuell zuvielgezahlte Beiträge erstatten muesste.
Aber wie gesagt, das ist eine Annahme von mir.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 16.06.2010, 12:56
von Sailor2012
Evtl. auf dem Überweisungsträger "unter Vorbehalt bis zur rechtlichen Klärung" schreiben :?:

Verfasst: 16.06.2010, 17:11
von windkom
In der Privatwirtschaft erkämpft man sich mit Worten auf dem Überweisungsträger "UNTER VORBEHALT" KEINE Sonderrechte bei einer Insolvenz.

In meinen Augen muss der Gesetzgeber schon klären, was mit den Guthaben geschieht - eben wg. den einfachen Vollstreckungsmöglichkeiten, die eine Krankenkasse hat.

Verfasst: 16.06.2010, 17:33
von Czauderna
windkom hat geschrieben:In der Privatwirtschaft erkämpft man sich mit Worten auf dem Überweisungsträger "UNTER VORBEHALT" KEINE Sonderrechte bei einer Insolvenz.

In meinen Augen muss der Gesetzgeber schon klären, was mit den Guthaben geschieht - eben wg. den einfachen Vollstreckungsmöglichkeiten, die eine Krankenkasse hat.
Hallo windkom,
man kann es aber auch anders sehen - wie ist es denn bei einer normalen Pleite (Insolvenz), da sehen die Gläubiger meist keine Kohle mehr wogegen die Schuldner mit der Vollstreckung durch den Insolvenzverwalter rechnen müssen.
Übertragen auf den hier geschilderten Fall - Beitragsguthaben sind futsch und Reste werden auch bei Insolvenz eingetrieben, wobei ich auch nicht weiss wer hier als Insolvenzverwalter auftritt.
Ist mir gerade so eingefallen.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 16.06.2010, 18:01
von GerneKrankenVersichert
Die Haftung bei Insolvenzen richtet sich nach der Art der jeweiligen Verpflichtung. Grundsätzlich gilt die Insolvenzordnung. Während jedoch für Altersversorgungsverpflichtungen der Spitzenverband einzustehen hat, haften für Verpflichtungen gegenüber Versicherten und Leistungserbringern die Krankenkassen der Kassenart bis zu einem Schwellenwert von 1 Prozent der jährlichen Gesamtzuweisung aus dem Gesundheitsfonds. Hiermit sollen eine finanzielle Überforderung sowie Folgeinsolvenzen vermieden werden. Wird diese Schwelle überschritten, haften auch alle übrigen Krankenkassen. Der Grund: Versicherte sollen nicht auf die Insolvenzquote verwiesen werden, da ihre Ansprüche aus verfassungsrechtlichen Gründen erfüllt werden müssen. Die Erfüllung dieser Leistungsansprüche durch das Sachleistungsprinzip könne – so die Gesetzesbegründung – nur gewährleistet werden, wenn auch die Leistungserbringer auf die Erfüllung ihrer Forderungen gegenüber der Krankenkasse vertrauen könnten.
http://www.zahnaerzteblatt.de/page.php? ... es&pid=451

Beitragsguthaben bei Insolvenz

Verfasst: 16.06.2010, 23:47
von test
nur mal am Rande:
die sogenannte Insolvenz gesetzlicher KK unterscheidet sich von der zivilrechtlichen Insolvenz vor allem dadurch, dass die Verpflichtungen nicht erlöschen sondern nacheinander von den Verbänden zu befriedigen sind.
Dieser konkrete Fall ist m.W. so nirgends beschrieben. Dass diese Regelung mindestens für die sog. Leistungserbringer gilt, also z.B. Ärzte, Krankenhäuser, Therapeuten etc. ist sicher. Deshalb würde ich vermuten, dass das auch für die Forderungen aus zuviel entrichteten Beiträgen gilt.

Verfasst: 17.06.2010, 11:12
von windkom
Die Ausführungen des Zahnärzteblatts machen Sinn.
Nur ist die Frage, ob das gesetzlich auch so festgeschrieben steht.

Hochinteressant ist dieser Teil:
Der Grund: Versicherte sollen nicht auf die Insolvenzquote verwiesen werden, da ihre Ansprüche aus verfassungsrechtlichen Gründen erfüllt werden müssen.
Ja, genau das hatte ich mir auch gedacht.
Krankenkassen können selbst vollstreckbare Bescheide ausstellen und die Forderungen mit allen Zwangsmitteln (z.B. Kontopfändung, Haftbefehl, EV) betreiben. Das ist ein absolutes Privileg und eigentlich nur für staatlichen Stellen vorgesehen. Das Problem ist, dass eine Krankenkasse pleite gehen kann. Bei staatlichen Institutionen (Gemeinden, Länder) muss stets der Staat (also letztinstanzlich der Bund) am Ende haften. Bei einer Krankenkassenpleite muss der Staat wohl nicht haften.

Falls also die Ausführungen im Zahnärzteblatt nicht gesetzlich festgeschrieben ist, sind die Vollstreckungsprivilegien der Kassen möglicherweise verfassungswidrig.

Jetzt müsste sich eben jmd. finden, der die Verfassungsbeschwerde einreicht.