Gesundheitsstreit in der Regierungskoalition
Schäuble bezweifelt Finanzierbarkeit der Kopfpauschale
Der koalitionsinterne Widerstand gegen die von der FDP geplante Einheitsprämie wird immer größer. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bezweifelte in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" die Finanzierbarkeit der Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler. "Wenn man für irgendeine große Aufgabe einen zweistelligen Milliardenbetrag an Steuergeldern braucht, muss man sagen, wo er herkommen soll", wird Schäuble zitiert. "Zaubern kann ich nicht", stellte Schäuble nun fest. Rösler rechnet bei Einführung der Kopfpauschale mit Kosten in Höhe von rund zehn Milliarden Euro.
Zugleich verteidigte der Finanzminister Modellrechnungen seiner Beamten, denen zufolge die Einkommenssteuersätze bei einer Einführung der Einheitsprämie stark angehoben werden müssten. Seine Beamten hätten lediglich "eine Berechnung auf Grundlage vorgegebener Annahmen" erstellt. Die entsprechenden Passagen seien im übrigen mit dem Gesundheitsministerium abgestimmt worden.
Experten im Bundesfinanzministerium hatten Röslers Idee aufgrund einer Anfrage der Grünen modellhaft durchgerechnet. Ergebnis: Um die langfristigen Kosten der Einheitsprämie zu finanzieren, müsste der Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer im besten Fall auf 73 Prozent steigen und ab einem Einkommen von rund 121.000 Euro greifen. Diese Rechnung gilt unter der Voraussetzung, dass alle anderen Einkommenssteuersätze gleich bleiben. Zum Vergleich: Derzeit liegt der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent. Wer als Alleinstehender mehr als 250.000 Euro verdient (500.000 Euro bei Verheirateten), zahlt derzeit einen Spitzensteuersatz von 45 Prozent.
Steuerfinanzierter Zuschuss macht Einheitsprämie teuer
Grundlage der Berechnungen des Finanzministeriums sind Schätzungen, nach denen die langfristigen Kosten der Kopfpauschale zwischen 20 und 35 Milliarden Euro liegen. Die Kosten entstehen durch den von Rösler vorgesehenen Sozialausgleich. Dieser steuerfinanzierte Zuschuss soll soziale Ungleichheiten ausgleichen, die zwangläufig entstehen würden, wenn der Bankdirektor den gleichen Beitrag an die Gesetzliche Krankenversicherung zahlt wie die Putzfrau.
Eine Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung zulasten des Steuerzahlers werde nicht ohne weiteres durchsetzbar sein, sagte Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer der "Süddeutschen Zeitung". Es sei äußerst unwahrscheinlich, mittelfristig 20 Milliarden Euro für den bei einer Kopfpauschale benötigten Sozialausgleich zur Verfügung zu haben. Solidarischer werde der Sozialausgleich nur, wenn er über direkte Steuern, also über die Einkommensteuer finanziert werde. "Das ist aber nicht möglich", sagte Singhammer mit Blick auf die Rechnung des Finanzministeriums.
In der Realität angekommen?
Die Unfinanzierbarkeit des Projekts befürchtet inzwischen offenbar auch der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Die Kopfpauschale sei nur durch massive Steuererhöhungen zu realisieren, sagte er der "Frankfurter Rundschau". Dies belege, dass Reformen nur in "kleineren Schritten" starten könnten. "Die Haushaltslage macht einen völligen Umstieg auf eine Gesundheitsprämie zumindest in dieser Legislaturperiode sicherlich nicht mehr möglich", so Spahn. Das sei "die Realität, in der langsam, aber sicher alle Beteiligten ankommen".
CSU und CDU gegen "Rösler-Kopfpauschale"
Moderatoren: Czauderna, Karsten