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freiw. Krankenversicherung als Schwerbehinderte / AOK

Verfasst: 16.11.2020, 16:45
von Rossi
Helft mir mal bitte auf die Sprünge.

Völlig klar, wenn jemand bspw. der freiwilligen Krankenversicherung (Ausscheiden aus der Pflicht- oder Familienversicherung / § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGB V) beitreten möchte, dann muss er selber entsprechende Vorversicherungszeiten nachweisen. D.h. er muss unmittelbar einen Bezug zur gesetzlichen Krankenversicherung haben.

Bei der freiw. als schwerbehinderte Mensch gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V hingegen, kann man dann aber auf Vorversicherungszeiten von anderen zurückgreifen (bspw. Vater, Mutter, Ehegatte etc.). D.h., man selber braucht keinen Berührungspunkt oder Bezug zur gesetzlichen Krankenversicherung haben.

Voraussetzung ist ein Feststellungsbescheid von min. Gdb 50, ein Beitritt innerhalb von 3 Monate und VVZ von Anderen (Vater, Mutter, Ehegatte).

Bei einem Betreuten ist das jetzt der Fall. Er hat selber seit 13 Jahren keine Berührungspunkte zur GKV, da er sich im Maßregelvollzug befunden hat. Unmittelbar daran erhält er SGB XII-Leistungen, sodass eine Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V natürlich ausscheidet.

Er hat gerade einen Feststellungsbescheid über einen GdB von 50 erhalten. Die Mutter ist familienversichert, sein Alter ist unter 45 Jahre.

Jetzt sagt mir die AOK, dass dies nicht geht, da er selber keinen Berührungspunkt zur GKV hat. Diese Aussagen kommen sowohl von einer Sachbearbeiterin als auch vom Teamleiter der AOK. Allerdings will er das noch einmal prüfen!?!

Stehe ich jetzt auf dem Schlauch?!

Re: freiw. Krankenversicherung als Schwerbehinderte / AOK

Verfasst: 16.11.2020, 18:23
von Czauderna
Hallo Rossi,
ich habe das hier dazu gefunden - sicher kennst du es bereits - wenn nicht, lass hören ob es das ist, was du gesucht hast - https://www.sucht.org/fileadmin/user_up ... assene.pdf -
Gruss
Günter

Re: freiw. Krankenversicherung als Schwerbehinderte / AOK

Verfasst: 16.11.2020, 20:29
von Rossi
Nun ja, Günter.

Die Aussagen in diesem Papierchen sind natürlich völlig richtig. Selbstverständlich ist eine Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht möglich, wenn man nahtlos vom Übergang des MRV SGB XII-Leistungen erhält. Hier gelten die besonderen Regelungen des § 5 Abs. 8a SGB V, die aber ausschließlich nur für diese Mitgliedschaft gilt.

Hier geht es aber um eine freiw. Kv. als schwerbehinderter Mensch gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V. Dort spielt der Ausschluss des § 5 Abs. 8a SGB V überhaupt keine Rolle.

Ich komme dann wieder mit den Äpfeln und Birnen!!!

Für mich ist das ziemlich eindeutig, zumindest beim Lesen der einschlägigen Rechtslektüre (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V).

Nachdenklich macht mich allerdings das bisherige Verfahren bzw. die Aussagen. Erst hatte ich die normale Sachbearbeiterin an der Strippe. Sie kannte diese Art von Mitgliedschaft offensichtlich nicht, jenes kommt in der Praxis durchaus häufiger vor. Die normalen Sachbearbeiter sind für das Massengeschäft geschult und nicht für die Exotenfälle (freiw. Kv. als Schwerbehinderter).

Sie hat mir allerdings eine Prüfung der Angelegenheit und einen Rückruf zugesagt. Nach 15 Minuten kam der Rückruf, lt. Teamleiter sei eine Mitgliedschaft nicht möglich. Dann habe ich mich mit dem Teamleiter verbinden lassen. Es hat es dann noch einmal bestätigt, der Betroffene hat keinen ausreichenden Bezug zur GKV. Er wird es allerdings noch prüfen und braucht dafür 2 - 3 Tage?! Boah, ist der § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V so schwer zu lesen? Meines Erachtens nicht.

Re: freiw. Krankenversicherung als Schwerbehinderte / AOK

Verfasst: 16.11.2020, 20:51
von Czauderna
Hallo Rossi,
da hätte ich noch etwas - https://www.google.com/search?hl=de&ei ... UEQ4dUDCAw
da auf der Seite 8 unter 3.3.
Gruss
Guenter

Re: freiw. Krankenversicherung als Schwerbehinderte / AOK

Verfasst: 16.11.2020, 21:45
von Rossi
Okay, Günther, wie sieht es mit dem Text des Gesetzes aus (Wortlaut)?


Zitat:

§ 9 SGB V Freiwillige Versicherung


(1) Der Versicherung können beitreten

...

4. schwerbehinderte Menschen im Sinne des Neunten Buches, wenn sie, ein Elternteil, ihr Ehegatte oder ihr Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt mindestens drei Jahre versichert waren, es sei denn, sie konnten wegen ihrer Behinderung diese Voraussetzung nicht erfüllen; die Satzung kann das Recht zum Beitritt von einer Altersgrenze abhängig machen,

(2) Der Beitritt ist der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten anzuzeigen

....

4. im Falle des Absatzes 1 Nr. 4 nach Feststellung der Behinderung nach § 151 des Neunten Buches,


Dann fange ich mal aus meiner Sicht an:

1. Schwerbehinderte Menschen
Eine Schwerbehinderung im Sinne des SGB IX liegt ab einem GdB von 50 vor. Ist hier ganz eindeutig erfüllt, er hat einen GdB von 50!

2. Vorversicherungszeiten
Grundsätzlich benötigt man eine Vorversicherungszeit von 3 Jahren in den letzten 5 Jahren vor dem Beitritt (Berührungspunkt zur GKV). Hier kann man allerdings auch auf die Vorversicherungszeiten eines Elternteils zurückgreifen.

Ist hier ganz eindeutig der Fall. Die Mutter ist schon seit über 15 Jahren familienversichert.

3. Altersgrenze
Die AOK Nordwest hat eine Altersgrenze (Satzung) von 45 Jahren.

Ist hier auch ganz eindeutig erfüllt, der Betroffene ist noch keine 45 Jahre alt.

4. Frist für den Beitritt
Es gibt eine absolute Beitrittsfrist von 3 Monaten nach Erteilung des Feststellungsbescheides der Schwerbehinderung.

Ist hier auch ganz eindeutig erfüllt. Der Beitritt wurde sogar zur Fristwahrung vor Erteilung des Feststellungsbescheides (Versorgungsamt) erklärt. Denn manchmal brauchen die Versorgungsämter ein paar Tage oder Woche bis zur Erteilung des Bescheides.

Ein fristwahrender Beitritt zuvor ist auch möglich (vgl. Urteil BSG 12 RK 44/87 vom 22.09.1988)

Ich verstehe das immer noch nicht, warum es nicht möglich sein soll! Der Gesetzestext ist ziemlich eindeutig und dennoch wird es abgemeiert!!!

Was in aller Welt steckt dahinter??!!!

Re: freiw. Krankenversicherung als Schwerbehinderte / AOK

Verfasst: 17.11.2020, 10:32
von Czauderna
Hallo Rossi,
was dahinter steckt, kann ich dir leider auch nicht sagen - ich habe nur Material gesucht, dass deine Auffassung stützt oder nicht stützt und ich denke, dass es deine Auffassung stützt und die Kasse eine Mitgliedschaft herstellen müsste.
Gruss
Günter

Re: freiw. Krankenversicherung als Schwerbehinderte / AOK

Verfasst: 17.11.2020, 12:16
von Rossi
Sooh, ein großes Lob an die AOK Nordwest.

Der Teamleiter hat sich nunmehr den § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V näher angesehen und trägt jetzt die Mitgliedschaft ohne Probleme ein.

Offensichtlich führt diese Art der Mitgliedschaft bei einigen Kassen in Deutschland ein Schattendasein, selbst bei Teamleitern.

Aber alles wird gut!!!