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von vlac » 29.04.2016, 17:06
Hallo,
um es noch einmal fest zu halten: Die Krankenkasse hat mittlerweile, bereits im Januar übrigens, bestätigt, dass ein Versicherungsverhältnis besteht. In 2015 haben mehrmals, unbeanstandet, ärztliche Behandlungen statt gefunden. Das einzige Problem gab es mit der Bearbeitung des eingesandten Heil- und Kostenplanes, wobei hier bis zur allerletzten Minute gewartet wurde, bis Arzt und Patientin aktiv wurden - und auch dann nur ein kleines Bisschen. Begründung: "Es ist wahr, ich kenne mich mit dem Thema HKP quasi überhaupt nicht aus." Mag sein, aber wenigstens der Arzt sollte sich damit auskennen. Und die allermeisten beginnen auch damit, sich mit der Materie zu befassen, wenn der Arzt "€!" sagt.
Aber nun gut: Es wurde hier der große Rundumschlag unter dem Motto "Recht haben und Recht bekommen" gewählt, und es klingt dabei immer wieder durch, dass die Fragestellerin davon ausgeht, es regelrecht erwartet, dass sämtliche von Ihr angesprochenen Behörden und die Justiz sofort aktiv werden, und natürlich auch im Sinne der Fragestellerin entscheiden.
Hauptforderung war in den vergangenen Wochen, der Wechsel der Krankenkasse sei zum 1.4.2016 zu vollziehen; die Krankenkasse habe sich rechtmäßig zu verhalten. Ja, natürlich, hat sie, gar keine Frage.
Nur: Die Möglichkeiten sind in dieser Konstellation begrenzt. Einstweiligen Rechtsschutz wird man nicht beantragen können, weil die Dringlichkeit selbst in der extremsten Konstellation, nämlich dem Wechsel von der hkk (15,19 Prozent) in die günstigste aller Krankenkassen (14,6 Prozent) nicht gegeben wäre: In diesem Fall läge, erneut in der Maximal-Fassung, also einem Einkommen an der Beitragsbemessungsgrenze, der Unterschied bei maximal 25 Euro im Monat, oder 50 Euro für die beiden in der Diskussionen stehenden Monate. Es kann dem Betroffenen zugemutet werden, diesen Anspruch im Zuge des regulären Verfahrens geltend zu machen, also über Widersprüche und Klagen zu gehen.
Aber: Im hier diskutierten Fall gibt es schon einmal überhaupt keinen erkennbaren finanziellen Schaden, den die Fragestellerin erleidet - sie will nämlich in eine leicht teurere Krankenkasse wechseln, und zwar die IKK Berlin-Brandenburg. Versicherungsschutz besteht zur Zeit; ein finanzieller Schaden entsteht der Fragestellerin nicht.
Es gibt dementsprechend auch keinen Grund für einen einstweiligen Rechtsschutz. Und ich frage mich, wie ein Richter reagiert, wenn er im Hauptverfahren eine Klage auf den Tisch bekommt, in dem es darum geht, über einen Vorgang, der zu diesem Zeitpunkt in der Vergangenheit liegt, und in dem der Klägerin, wohl gemerkt auf eigenes Betreiben, kein Nachteil im Sinne des entsprechenden Gesetzes entstanden ist. Für die Klägerin wäre dieser Vorgang zum Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens nur eine Technikalität, die sie sogar einige, wenige, Euro mehr kosten würde.
Ob in diesen beiden Monaten Satzungsleistungen, die die eine Krankenkasse anbietet, die andere aber nicht, in Anspruch genommen werden können, ist in dieser Frage übrigens, falls dieses Argument aufkommen sollte, völlig unerheblich: Das Sonderkündigungsrecht in §175 Absatz 4 SGB V zielt einzig und allein auf die Zusatzbeiträge ab.
Es gibt also Konstellationen, in denen man als Versicherter Recht haben mag, aber trotzdem kein Recht bekommen wird, weil man im Sinne des Gesetzes nicht benachteiligt ist. Anders hingegen sieht es in der gleichen Konstellation aus Sicht der neuen Krankenkasse aus: Für sie macht es, wenn Leistungen in Anspruch genommen werden, durchaus einen Unterschied, wann der Wechsel vollzogen wird, und ob dabei geltendes Recht eingehalten wurde.
Aber; Im hier diskutierten Fall kommt noch, falls sich das alles tatsächlich so zugetragen haben sollte, die Komponente des "bürgerinduzierten Chaos'" hinzu: Die Fragestellerin hat der Krankenkasse A ein Kündigungsschreiben zugesandt, und sich dann aber nicht für eine andere Krankenkasse entschieden. Augenscheinlich hat sich aber auch der alten Krankenkasse nicht Bescheid gesagt, dass sie es sich anders überlegt hat, und ganz einfach erwartet, dass die Krankenkasse das schon irgendwie hin bekommen wird.
Ich weiß natürlich nicht, wie oft es vorkommt, dass Versicherte sich die Mühe machen, ein Kündigungsschreiben aufzusetzen, es in einen Briefumschlag zu stecken, dann eine Briefmarke zu besorgen, die Briefmarke in einen Umschlag zu stecken, und dann diesen Brief zu einem Briefkasten / in eine Postfiliale zu tragen, und das alles, ohne sich vorher Gedanken darüber gemacht zu haben, zu welcher Krankenkasse sie wechseln wollen.
Aber ich kann mir gut vorstellen, dass ein solches Verhalten durchaus auch das beste System verwirren kann: Das System, fabuliere ich jetzt einmal mit der Überzeugung des Dilettanten vor mich hin, kann nicht wissen, ob dieser Versicherte ja nicht doch bei einer anderen Krankenkasse eine Wahlerklärung abgegeben hat, und die Mitgliedsbestätigung der neuen Krankenkasse verspätet oder gar nicht bei seinem Arbeitgeber eingereicht hat.
Dementsprechend stellt sich die Frage, was wohl passieren würde, wenn die Krankenkasse durch ein Fehlverhalten des Versicherten an einer ordnungsgemäßen Mitteilung über die Erhöhung des Zusatzbeitrages gehindert wurde. Gleichzeitig müsste man in diesem Kontext auch die Frage aufwerfen, ob die Fragestellerin tatsächlich erst im März von der Erhöhung erfahren hat - sie hatte sich ja schon im Januar mit der Krankenkasse auseinander gesetzt, und dürfte in diesem Zusammenhang auch beispielsweise bei Google oder auf der Homepage der hkk nachgeschaut haben: Eine einfache Google-Suche nach "hkk" wirft schon die Höhe des Zusatzbeitrages aus; auf der Homepage selbst ist der Zusatzbeitrag selbst bei einem schnellen Blick nicht zu übersehen.
Aber all dies ist eine Frage für kalte Frühlingsabende am prasselnden Kaminfeuer, weil die Fragestellerin keinen Nachteil in Bezug auf den Zusatzbeitrag erleidet - aus eigenem Antrieb, wohl gemerkt.
Dass Leistungsanträge angeblich nicht bearbeitet wurden, dass die Fragestellerin angeblich erst in einer Arztpraxis von der Situation erfahren hat, sind Aspekte, die auf die Frage des Zeitpunkts des Wechsels keine Auswirkung haben: Geltend gemacht werden kann in diesem Zusammenhang nur, dass der Zusatzbeitrag erhöht wird, und dass man darüber nicht oder erst verspätet informiert wurde - mit den oben genannten Einschränkungen.
Die Frage der Genehmigung einer Leistung hingegen muss auf dem dafür vorgesehenen Weg geltend gemacht werden: Dass Versicherungsschutz besteht, wurde bereits im Januar festgestellt, und da Versicherungsschutz und die Inanspruchnahme einer Leistung in einem untrennbaren Verhältnis zueinander stehen, und erklärtermaßen sogar vor Gericht gegangen wurde, weil, so die Aussage der Fragestellerin, Dringlichkeit bestand, ist es mir nach wie vor ein Rätsel, warum nicht unmittelbar nach der Erklärung der Krankenkasse Kontakt aufgenommen und auf eine Bearbeitung des HKP gedrungen wurde.
Stattdessen wird die Leistung selbst bezahlt, und ein Rundumschlag unternommen, dass selbst mir als an wirre Berichte gewöhntem Leser der Kopf dröhnt. Gerade waren wir noch beim Krankenkassenwechsel, und einer Auskunft über die gespeicherten Sozialdaten; jetzt sollen gleich mal der Krankenkasse nachgewiesen werden, dass sie geflunkert hat.