Verfasst: 02.01.2013, 20:06
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GrußEntscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Einstellung der Krankengeldzahlung
mit Wirkung vom 17.3.1999 wegen fehlender Mitwirkung ist nach Maßgabe des 9 66 Abs 2 SGB I rechtswidrig.
Mit ihren streitgegenständlichen Bescheiden hat die Beklagte nicht über einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Krankengeld entschieden, sondern von Amts wegen die Krankengeldzahlung wegen fehlender Mitwirkung eingestellt. Da
sich der Kläger gegen diesen belastenden Verwaltungsakt wehrt, ist richtige Klageart die reine Anfechtungsklage nach 9
54 Abc 1 S 1 1. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Einstellung der
Krankengeldzahlung ist daher maßgeblich die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung der
Beklagten, also hier bei Erlass des Widerspruchsbescheids (vgi Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, 9 54 Rz 32).
Nach 5 44 Abc 1 S 1 iVm 5 49 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) haben versicherte Arbeitnehmer Anspruch auf
Krankengeld, wenn sie infolge von Krankheit arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt oder
Entgeltersatzleistungen haben. Gemäß 9 51 SGB V kann die Krankenkasse Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach
ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen
Antrag auf Maßnahme zur Rehabilitation zu stellen haben. Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt
der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist (9 51 Abs 3 SGB V). Allerdings erfordert die Fristsetzung und
Aufforderung nach 9 51 SGB V einen Verwaltungsakt, der klar und unmissverständlich zur Antragstellung auffordern und
eine Belehrung über die Rechtsfolgen des Abc 3 enthalten muss (KassKom/Höfler 5 51 SGB V Rz 11). Einen solchen
Verwaltungsakt hat die Beklagte vorliegend nicht erlassen, sondern den Kläger lediglich mit Schreiben vom 10.8.1 998
gebeten, bis zum 18.8.19998 den Kurantrag ausgefüllt einzureichen. Es kann deshalb offen bleiben, ob in dem Verhalten
des Klägers eine (konkludente) Rücknahme des Antrags auf Rehabilitation zu sehen ist und ob diese der unterlassenen
Antragstellung gleichsteht und somit zum Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld führt (so Schmidt in Peters, Handbuch
der Krankenversicherung, 5 51 SGB V Rz 49).
Die Beklagte hat sich auch nicht hierauf, sondern auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten berufen. Diesbezüglich ist
der Beklagten nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme zuzugestehen, dass der Kläger gemäß 3 63
SGB I verpflichtet war, sich der von der Beklagten verlangten und von der LVA bewilligten stationären
Rehabilitationsmaßnahme zu unteiziehen, denn die von ihm geklagten Beschwerden hätten der sachverständigen
Beurteilung des Dr. Bö zufolge gerade in einer Kur behandelt werden können. Zutreffend ist mithin die Beklagte davon
ausgegangen, dass der Kläger nach 5 63 SGB I zur Mitwirkung an der Heilbehandlung verpflichtet war. Diese stand
insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung (9 65 Abc 1 Nr 1 SGB
I) und war dem Kläger entgegen seiner eigenen Auffassung und der seines Hausarztes Dr. T auch zumutbar (0 65 Abc 1
Nr 2 SGB I).
Gleichwohl sind der Entziehungsbescheid der Beklagten und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid rechtswidrig.
Das gilt zunächst insoweit, als mit ihnen das Krankengeld rückwirkend ab 17.3.1999 entzogen wurde. Die Folgen einer
Verletzung der Mitwirkungspflicht sind ausschließlich in 5 66 SGB I geregelt, der eine rückwirkende Entziehung der
Leistung nicht vorsieht; eine solche liegt hier vor, weil mit Bescheid vom 18.3.1999 die Krankengeldzahlung mit Wirkung
zum 17.3.1999 eingestellt wurde. Zwar sagt der Wortlaut der Vorschrift nichts darüber aus, ob die vorgesehene
Entziehung der Leistung nur für die Zukunft oder auch rückwirkend zulässig ist. Die Unzulässigkeit einer rückwirkenden
Entziehung ergibt sich aus dem Sinn der Vorschrift. Da die Entziehung an die Verletzung der Mitwirkungspflicht anknüpft
und nach Fristsetzung und Belehrung nur bis zur Nachholung der unterlassenen Handlung wirkt, kann sie nicht schon mit
dem Zeitpunkt der Verletzung der Mitwirkungspflicht einsetzen, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich der
Wirksamkeit des Entziehungsbescheides (vgl BSG 26.5.1983 -10 RKg 13/82, SozR 1200 5 66 Nr 10).
Die Entziehung des Krankengeldes ist aber auch insoweit rechtswidrig, als sie die Zeit nach der Wirksamkeit des
Entziehungsbescheides betrifft. Nach 9 66 Abs 2 SGB I kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der
Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung u.a. wegen
Arbeitsunfähigkeit erhält, seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und unter Würdigung aller Umstände mit
Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass deshalb die Arbeitsfähigkeit nicht verbessert wird. Es steht mithin auch dann,
wenn die Voraussetzungen des 0 66 SGB für eine Entziehung der Leistung vorliegen, im Ermessen des Leistungsträgers,
dem Leistungsempfänger trotz Verletzung der Mitwirkungspflicht die Leistung entweder zu belassen, sie nur teilweise oder
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aber auch ganz bis zur Nachholung der Mitwirkung zu entziehen. Bei der ihm obliegenden Wahl unter diesen drei
Möglichkeiten hat er die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die ihnen angemessene Entscheidung zu
treffen. Weder die angefochtenen Bescheide noch der Vortrag der Beklagten lassen erkennen, welche Umstände die
Beklagte bewogen haben, vorliegend den Ermessensspielraum voll auszuschöpfen und die am Weitesten gehende der
drei möglichen Maßnahmen zu treffen. Sie hat allein auf die (unberechtigte) Weigerung des Klägers abgestellt, die
stationäre Rehabilitationsmaßnahme anzutreten. Hierin liegt jedoch kein die Umstände des Einzelfalles
berücksichtigender Ermessengrund, sondern dieser Umstand ist nach 9 66 Abs 2 SGB I Voraussetzung für die Ausübung
des Ermessens. Hat der Leistungsträger aber lediglich die Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens geprüft und
und bejaht und daraufhin eine Entscheidung getroffen, die noch innerhalb des gesetzlichen Ermessencrahmens liegt, so
ist diese Entscheidung dennoch rechtswidrig, weil es an der durch den Zweck der Ermächtigung vorgeschriebenen
Abwägung und angemessenen Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles fehlt. Vorliegend kann auch ein Fall der
Ermessenreduktion auf Null nicht angenommen werden, denn der Beklagten war durch die Anmeldung eines
Erstattungsanspruchs seitens der Verbandsgemeindeverwaltung Betzdorf jedenfalls bekannt, dass der Kläger infolge der
vollständigen Einstellung der Krankengeldzahlung mit seiner Familie sozialhilfebedürftig geworden war. Im Rahmen der
Ermessensabwägung hätte mithin zumindest geprüft werden müssen, ob nicht eine teilweise Entziehung des
Krankengeldes ausgereicht hätte, um ihn zur Nachholung der Mitwirkung zu veranlassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf 9 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß 9 160 Abs 2 SGG nicht erfüllt sind.
Fundstelle
DIE SOZIALVERSICHERUNG 4/2003, 106-107
In dem o.g. Artikel ist unter anderem zu lesen:Jamihost hat geschrieben:Hab noch einen Link zu dem Thema gefunden.
anwalt24.de/beitraege-news/fachartikel/krankengeld-darf-die-krankenkasse-zur-stellung-eines-reha-antrages-oder-sogar-eines-rentenantrags-auffordern
Meine Frage bezieht sich jetzt nicht auf das Thema "Fristsetzung". Ich hoffe deshalb, es wird nun nicht zu sehr off topic.Die Aufforderung darf mit einer Fristsetzung verbunden werden und auch die Androhung enthalten, dass das Krankengeld entfällt, sofern der Antrag nicht fristgerecht gestellt wird. Diese Bestimmung dient der Abgrenzung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Rentenversicherung. Die Aufforderung der Krankenkasse ist aber mit strengen Anforderungen verbunden:
Es muss ein Gutachten über die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorliegen. Der Begriff „Gutachten“ beinhaltet, dass es sich um eine ausführliche Beurteilung des Gesundheitszustandes, nicht nur um einen Befundbericht oder ein Attest handeln muss. Darin müssen die erhobenen Befunde wiedergegeben werden und der Arzt muss sich zu den Leistungseinschränkungen, die nach seiner Auffassung durch die festgestellten Gesundheitsstörungen bedingt sind und ihrer voraussichtlichen Dauer äußern. Geschieht dies nicht, ist eine Aufforderung rechtswidrig.
Hallo,Machts Sinn hat geschrieben:Oh, ein typisches Krankenkassen-Experten-Eingeständnis:
Gruß!Czauderna hat geschrieben: Wenn ja - hat sich die Sache erledigt
PS. Ich habe die wichtige Passage nachträglich blau eingefärbt, das wegen des "intelligenten" Kommentars !!
Zuletzt bearbeitet von Czauderna am Do Jan 03, 2013 1:48 pm, insgesamt 2-mal bearbeitet
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