Und hier mal ein Beispiel, wie Hürden so hoch gelegt werden, dass dem Kläger finanziell nichts anderes übrig bleibt, als aufzugeben.
Auch so kann man eine "Klageflut" eindämmen.
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OLG München • Beschluss vom 20. April 2011 • Az. 1 U 389/11
Informationen zum Urteil
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• Gericht:
OLG München
• Datum:
20. April 2011
• Aktenzeichen:
1 U 389/11
• Typ:
Beschluss
• Fundstelle:
openJur 2012, 115246
• Verfahrensgang:
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 03.01.2011 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Hierzu wird binnen 3 Wochen ab Zugang Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
II.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 430.460,28 € festgesetzt.
Gründe
I.
1. Der Beklagten fällt keine Amtspflichtverletzung zur Last. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das dem Kläger am 26.06.2001 von der Beklagten zur Verfügung gestellte Dienstzimmer eine irreguläre Schadstoffbelastung aufgewiesen hat. Im Gegenteil hat die vom TÜV am 11.09.2001 durchgeführte Messung (Anlage K 7), wie der gerichtliche Sachverständige insbesondere auf Seiten 31 ff. des Gutachtens vom 07.07.2009 erläutert hat, keine gesundheitlich relevanten Werte erbracht. Der Senat verkennt nicht, dass die Messung des TÜV vom 11.09.2001 nicht den Zustand am 26.06.2001 wiedergibt. Allerdings gibt die Messung vom 11.09.2001 auch keinen Anhaltspunkt dafür ab, dass am 26.06.2001 ein normwidriger Zustand bestanden hat. In Anbetracht dieser Sachlage kann der Kläger eine Amtspflichtverletzung jedenfalls nicht beweisen.
Die vom Kläger auf Seiten 12/13 der Berufungsbegründung in Anspruch genommene Beweislastumkehr wegen Beweisvereitelung greift nicht durch. Zum einen hatte die Beklagte bereits durch die Einschaltung des TÜV einer etwaigen Verpflichtung zur Beweissicherung genügt. Zum anderen hätten ohnehin die Verhältnisse vom 26.06.2001 im Nachhinein auf keinem Wege mehr rekonstruiert werden.
3Soweit der Kläger eine Amtspflichtverletzung der Beklagten daraus herleitet, dass die Beklagte davon Kenntnis gehabt habe, dass er an einer Multiplen Chemikaliensensitivität (MCS) leide, und die Beklagte ihm deshalb kein frisch renoviertes Dienstzimmer habe zur Verfügung stellen dürfen, verkennt der Kläger, dass die MCS-Symptomatik, an der er leidet, auch unter Berücksichtigung der besonderen beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht der Beklagten, in seinen und nicht in den Risikobereich der Beklagten fällt. Der gerichtliche Sachverständige hat plastisch dargelegt, dass MCS kein Krankheitsbild im eigentlichen Sinne, sondern ein diffuser, wissenschaftlich wenig aufgehellter Symptomkomplex ist, der durch eine Vielzahl auch geringfügiger Umstände ausgelöst beziehungsweise verschlechtert werden kann. Unter kontrollierten Bedingungen durchgeführte Provokationstests ergaben zudem keine auf spezifische Chemikalienwirkung zurückgehende höhere Sensibilität von MCS-Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung. Deshalb wird MCS teilweise in der medizinischen Wissenschaft als psychosomatische oder psychiatrische Störung aufgefasst. Dem Dienstherrn ist es angesichts von Vielzahl, Unbestimmtheit und Inhomogenität der in der medizinischen Wissenschaft diskutierten MCS-Auslöser nicht möglich geschweige denn zumutbar, den Beamten vor diesen im Rahmen eines regulären Dienstbetriebes, der auch beinhaltet, dass der Beamte für sein Gehalt eine adäquate Leistung erbringen muss, zu bewahren.
Deshalb muss der Beamte mit diesem Symptomkomplex leben und diesen als sein persönliches Lebensrisiko tragen.
2. Im Übrigen könnte der Kläger auch nicht beweisen, dass die Zurverfügungstellung eines frisch renovierten Dienstzimmers am 26.06.2001 die MCS-Symptomatik ausgelöst oder verschlimmert hat. Der Sachverständige hat dies als eher unwahrscheinlich angesehen, jedenfalls ist ein Ursachenzusammenhang nach medizinisch wissenschaftlichen Kriterien, was der Kläger wohl auch anerkennt, nicht zu führen. Der Senat verkennt nicht, dass der vom Kläger behauptete Zusammenhang insbesondere unter dem Aspekt der Verschlimmerung möglich ist. Nachweisbar ist dieser Zusammenhang in Anbetracht des weitgehend ungeklärten MCS Symptomkomplexes und der Vielzahl diskutierter Auslöser jedoch nicht.
Die vom Kläger in Anspruch genommene Beweislastumkehr kommt nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Geschädigte den Beweis dafür führen, dass ihm durch die Amtspflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. Er kann nur dann der öffentlichen Körperschaft den Nachweis überlassen, dass der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 27.10.1983, III ZR 189/82; Staudinger-Wurm, 13. Bearbeitung 2002, Rn. 236 zu § 839 BGB). Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass im streitgegenständlichen Fall weder eine Amtspflichtverletzung noch eine Vermutung für einen kausalen Zusammenhang besteht. Daran ändert auch das vom Kläger herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.02.1992 (III ZR 188/90), in dem der Bundesgerichtshof lediglich für das Revisionsverfahren ein Ursachenzusammenhang unterstellt, nichts.
Letztlich ist es, was wohl auch die Berufung einräumt, weder beweisbar, dass die Zurverfügungstellung des frisch renovierten Dienstzimmers am 26.06.2001 die MCS-Symptomatik hervorgerufen oder verschlimmert hat, noch dass das nicht der Fall war. Dies liegt wesentlich daran, dass der MCS-Symptomkomplex diffus und wissenschaftlich nicht erforscht bzw. erforschbar ist und folglich eine Vielzahl von Auslösern sehr unterschiedlicher Zuordnung auf eher dünner wissenschaftlicher Basis erörtert wird. Die Berufung versucht letztlich, die aus dieser Situation resultierenden Beweisschwierigkeiten, die nach den Regeln des Zivilprozesses der Kläger zu tragen hat, ohne sachlichen Grund auf die Beklagte überzuwälzen.
3. In Anbetracht der Darlegungen zu Ziffer 1. wäre erst Recht kein Verschulden von Bediensteten der Beklagten ersichtlich.
Dem Kläger wird deshalb empfohlen, die Berufung zur Kostenminderung zurückzunehmen.
II.
Den Streitwert für das Berufungsverfahren bemisst der Senat bei in der Sache unverändertem Klagebegehren im Anschluss an den Beschluss des Landgerichts vom 31.01.2011 ebenfalls mit 430.460,28 €.
Permalink:
http://openjur.de/u/490875.html
Man könnte auch noch weitere Rückschlüsse aus diesem Urteil ziehen, aber das erspar ich euch jetzt.