hedi hat geschrieben::(
hallo Czauderna,
Danke für die Erklärung!
Da kenn ich mich nicht so aus wie Du, aber wo bleibt, bei dem ganzen
Paragraphen-Dschungel oder nicht Paragraphen, der Mensch???
Gruß Hedi
Hallo Hedi,
ja, wo bleibt der Mensch - eine durchaus berechtigte Frage, die, gerade im Bereich der Krankenversicherungen und der Sozialleistungsträger immer öfter gestellt wird. Ich über meinem Beruf seit mehr als 40 Jahren aus und kann es grundsätzlich nicht ab früher mit heute zu vergleichen, aber hier muss ich eben einfach mal tun. Früher gab es auch Gesetzte und Verordnungen und Richtlinien
und Satzungen. Unser Sozialgesetzbuch hieß früher Reichsversicherungsordnung, manche der darin enthaltenen Gesetze stammen noch aus Zeiten als unsere Urgroßväter noch junge Hüpfer waren.
Als ich 1968 bei der Krankenkasse anfing, da, man sollte es nicht glauben, gab es auch Kranke (sorry, für die Ironie), aber damals ging man noch zum Arzt und was der sagte und tat, das war meist endgültig und mit seiner Krankenkasse
war es nicht anders - ein Besuch bei der Krankenkasse kam einem Arztbesuch gleich oder mit einem Gang zum Amtsgericht - Es gab damals eine klare Trennung, was die Krankenkassenlandschaft betraf - der "Otto Normalverbraucher" war in der AOK, basta !!.
Wer Angestellter war, der war privilegiert, der durfte in eine Ersatzkasse -
damals Mitglied in der Barmer oder der DAK zu sein, das war schon etwas Besonderes (Da war es sogar möglich, dass ein Arzt an seiner Praxistür stehen hatte (nur Privat- und Ersatzkassenpatienten). Ganz oben im Versichertenrang war man damals, wenn man zum erlauchten Kreis derer gehörte, die in der Techniker-Krankenkasse versichert war. Der Namen kommt ja nicht von ungefähr, da konnten sich eben nur Angestellte mit technischen Berufen versichern. Die Betriebskrankenkassen liefen damals ausserhalb der Wertung mit, waren sie doch grundsätzlich, ihrem Namen entsprechend, nur für die Arbeitnehmer eines bestimmten Betriebes zuständig.
Wettbewerb, und jetzt wieder zum Thema, wo bleibt der Mensch, Wettbewerb fand nach meinem Empfinden bis 1996 zwar statt, war aber bei weitem nicht so heftig, wie das heute der Fall ist - Klar hatten die Marktführer DAK und Barmer (oder umgekehrt) auch damals einen "Aussendienst" und natürlich waren alle bestrebt jedes Jahr den Versichertenbestand zu erhöhen.
Auch im Kundenkontakt war es damals eben "einfacher" vor Ort die Bearbeitung und somit auch die Entscheidungen abzuwickeln und die Mitarbeiter waren damals schon angehalten, den Mensch nicht als Nummer sondern als Mensch zu sehen, man sollte nun aber wirklich nicht glauben, dass
damals grundsätzlich Entscheidungen "aus dem Bauch" heraus getroffen wurden, wie ich bereits erwähnte, es gab auch da gesetzte und Bestimmungen, und es gab auch damals schon regelmäßige Revisionen, intern als auch durch das BVA. - es war eben alles etwas "gemütlicher" damals, natürlich immer im Vergleich zu heute.
Das heute wurde 1996 eingeläutet, mit der Kassenöffnung,. Jeder konnte nun dahin wohin der wollte und die Kasse mussten auch jeden nehmen - die Barmer und die DAK den Strassenkehrer (ein ehrbarer Beruf) und auch die Techniker musste sich diesem neuen Wettbewerb stellen.
Der nächste Glockenschlag für das heute und die Zurückstellung der Frage "Wo bleibt der Mensch", ist meiner Meinung nach der Beginn des Internets
und die Möglichkeiten der Information, die bis dahin sehr schwer zu erhalten war. Der Versicherte wurde aufgeklärter und immer besser informiert und so kam was kommen musste - es ist eben nicht mehr so, dass alles klaglos akzeptiert wird was von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern und natürlich auch von den Krankenkassen gesagt, geschrieben und entschieden wird.
Der Bürger kämpft für seine Rechte, also für eine rechtmäßige Behandlung
seiner Angelegenheit und deshalb fragt er nach, legt er Widerspruch ein oder klagt vor Gericht. Dies alles, was natürlich positiv ist, hat, wie alles im Leben aber auch eine negative Seite - Genau so wie im Lauf der letzten 60 Jahre
unsere Steuergesetze immer umfangreicher und komplizierter wurden, genau so ist es auch der Sozialversicherung ergangen.
Für das Finanzamt stellte sich die Frage "Wo bleibt der Mensch" eigentlich noch nie, da heisst es "Wo bleibt der Mensch mit seinem Geld" und wenn man den Usern diverser Foren im Internet folgt ist es bei den Krankenkassen
angeblich genau so - nur das heißt die Antwort auf die Frage "Wo bleibt der Mensch" - "Am besten Gesund und nie den Beitrag schuldig".
Als Kassenmitarbeiter bin ich natürlich befangen was diese Frage angeht - ich sehe mich in meiner Tätigkeit immer dem Menschen verpflichtet - ich sehe aber auch, dass es in der heutigen Zeit eben nicht mehr so "einfach" ist, sich dem einzelnen Menschen soviel und solange zu widmen wie er es eigentlich verdient hätte.
Es gibt natürlich auch noch andere Gründe, aber ich will ja hier keinen Roman schreiben.
Gruss
Czauderna