Azubi soll Krankengeld zurückzahlen ohne Bescheid!

Informationen und Fragen zum Krankengeld

Moderator: Czauderna

Rossi
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Beitrag von Rossi » 14.09.2016, 20:42

Nun ja, warum wohl?

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 15.09.2016, 12:33

Hallo Carina,

lasst euch davon nicht irritieren und kommt bitte nicht auf die Idee, dort
nachzufragen.

Am besten wäre, das Ganze einfach mal - vorübergehend - ganz zu vergessen.

Und melde dich gleich, falls es doch noch eine Reaktion geben sollte.

Schönen Gruß
Anton

Carina
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Beitrag von Carina » 15.09.2016, 21:42

Hallo Anton,

danke für die "Beruhigungspillen" - aber davon ist die "Forderung" ja nicht vom Tisch und meine Tochter möchte natürlich auch nicht ständig auf der Lauer liegen müssen, ob sich die KK noch "erinnert" ..............

Müßte ein Widerspruch nicht auch in angemessener Zeit "bearbeitet" werden und ein Bescheid darüber erstellt werden?

Natürlich wollen wir keine schlafenden Hunde wecken - aber Klarheit wollen wir trotzdem! :wink:

Liebe Grüße
Carina

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 15.09.2016, 22:08

Schon klar Carina,

dennoch lässt sich die "Spannung" relativieren, falls gesichert ist, dass der
Widerspruch bei der Krankenkasse einging (Eingangsbestätigung?):

- der Widerspruch hat "aufschiebende Wirkung
- einem Widerspruchsbescheid folgt die Klage
- einer denkbaren Klageabweisung die eigens zugelassene Berufung oder sonst die NZB
- einem möglichen Unterliegen ein Antrag auf Ratenzahlung

Also das dauert ohnehin, ich schätze mal 1 bis 2 Jahre und das Wichtige dabei:
die Zeit läuft aus jetzt besser nicht erörterten Gründen zu eurem Vorteil.

Wenn ihr sofort Ruhe haben wollt, wäre die Alternative, den WS zurückzu-
nehmen und die 665 € zu berappen oder als Zwischen-Lösung monatlich
schon mal 50,- Euro zur Seite zu legen.

Jedenfalls nicht drängeln!

Lieben Gruß
Anton

Joebo
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Beitrag von Joebo » 16.09.2016, 22:21

Hab den Beitrag erst eben entdeckt und bin auch sehr amüsiert über die groben Schnitzer der KK. Leider musste ich feststellen, dass viele Kassenmitarbeiter kaum Ahnung vom Verwaltungsverfahrensrecht haben.

Gerade die nicht Darlegung des Ermessungsspielraumes wird doch von den Sozialgerichten regelrecht zerfetzt. Das haben mir die Richter schon während der Ausbildung eingetrichtert. Bin gespannt wie das ausgeht.

PS: Habe mich mal direkt für das nächste Fachseninar Verwaltungsverfahrensrecht angemeldet

:wink:

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 17.09.2016, 11:29

Hallo Joebo,

ich glaube, du machst es dir sehr einfach:

- das sind keine "groben Schnitzer der KK"
- die Ahnungslosigkeit der Kassenmitarbeiter ist nicht zu beseitigen, indem du ein Fachseminar zum SGB X belegst
- und Sozialrichter sind zum sozialrechtlichen Krankengeld wirklich keine Hilfe

Wir sollten dies aber nicht hier, sondern dort näher diskutieren - mit Blick auf § 339 StGB:

http://www.krankenkassenforum.de/ist-kr ... ght=#81693

Deswegen hier nur als Köder:

Die Sozialrechtsprechung hat (stillschweigend und von der Öffentlichkeit unbemerkt) speziell für das Krankengeld
den sog. „Selbstvollzug des Rechts“ entgegen ausdrücklichen und seit vielen Jahren gefestigten Grundsätzen
der SGB I und X geschaffen. Die Verwaltungspraktiken der gesetzlichen Krankenkassen sind bundesweit von
diesem gesetzwidrigen Selbstvollzug des Krankengeld-Rechts geprägt.

Also bitte, denke mal weiter als nur an Vorwürfe gegen deine Kollegen.

Besinnliches Wochenende
und schönen Gruß

Anton Butz
.

Joebo
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Beitrag von Joebo » 17.09.2016, 15:40

@ Anton Butz:
Ich sehe es als grobe Schnitzer und ich denke viele Andere auch. Selbst wenn es meine "Kassenkollegen" betrifft. Keine Bescheide erlassen. Anhörung mehr als "undurchsichtig" und Ermessensspeilraum nicht aufzeigen. Das sollte man bereits während der Ausbildung lernen. Dabei spielt es erstmal eine untergeordnete Rolle, wie die Sozialrechtsprechuung sich deiner Meinung nach geändert hat.

Und doch ich gehe schon davon aus, dass eine Auffrischung im Bereich des SGB X dem einen oder anderen ganz gut tun würde. Unter anderem auch mir, weshalb ich nochmal nachbessern werde. Viel zu oft werden Fälle von den Gerichten einkassiert, einfach weil grundlegende Formalien nicht eingehalten wurden. Dies würde sich sehr einfach vermeiden lassen.

KG ist nicht mein Thema, da ich in der Praxis nicht in dem Bereich arbeite, deswegen beziehe ich mich nur auf den Verwaltungsakt und nicht auf die Entwicklung der Rechtsprechung im Bereich des Krankengeldes und deren Vereinbarkeit mit dem SGB I, X, StGB oder GG. Also bleib auf dem Teppich :-D

Gesendet von meinem IPhone

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 17.09.2016, 15:45

Joebo hat geschrieben: KG ist nicht mein Thema, da ich in der Praxis nicht in dem Bereich arbeite, deswegen beziehe ich mich nur auf den Verwaltungsakt und nicht auf die Entwicklung der Rechtsprechung im Bereich des Krankengeldes und deren Vereinbarkeit mit dem SGB I, X, StGB oder GG.
Ja dann - o. K. und mit dem Rest völlig einverstanden!
.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 17.09.2016, 18:24

Hallo,
ich stimme da Joebo zu, wobei man allerdings auch wissen muss, dass es heute bei den meisten Kassen so ist, dass die Entscheidungen nicht von den Personen getroffen werden, die auch den Kontakt mit den Kunden haben (Kundenberatung), sondern dann von Mitarbeitern der Fachabteilungen und von denen sollte man schon erwarten können, dass sie wissen was sie entscheiden und schreiben. Die Kundenberatung dagegen muss ihren Job machen, indem sie das tun, was sie vorgeben zu sein, den Kunden beraten, und das umfassend und auch so, dass nicht immer nur die Kasse den Vorteil einer solchen Beratung hat. Recht des Versicherten umgesetzt ist meist auch immer "Nachteil" für die Kasse - das ist nun etwas platt ausgedrückt, trifft aber die Realität.
Gruss
Czauderna

Carina
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Beitrag von Carina » 18.09.2016, 17:59

Nun, wir haben zwar keine "Eingangsbestätigung" erhalten - aber die Forderung sollte ja lt. dem Rücknahme- und Erstattungsbescheid von uns bis zum 26.08. überwiesen sein. Daraufhin erhielten sie unseren Widerspruch vom 5.8. - und seither geschah nichts mehr.

Sollten sie also den Widerspruch "nicht erhalten" haben, hätten sie uns mit Sicherheit schon längst eine Mahnung geschickt.

Üblicherweise erhält man ja nach Bearbeitung des Widerspruchs einen Bescheid, in welchem entweder dem Widerspruch stattgegeben und "abgeholfen" wird oder abgelehnt wird und damit der Klageweg offen steht.

Da ich selbst vom Typ her eher zu den "Ungeduldigen" zähle - fällt es mir ehrlich gesagt schwer, die Füße still zu halten :evil:
Aber ich werde den Rat befolgen und den See weiter still ruhen lassen 8)

Carina
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Hier sind wir wieder!

Beitrag von Carina » 26.10.2016, 20:33

Hier sind wir wieder!

Die KK hat ein 7-seitiges Lebenszeichen von sich gegeben. Juristendeutsch und §§-Dschungel par excellence!

Überschrieben ist das ganze mit "Abhilfeverfahren" und am Ende mit der RBB auf einen erneuten Widerspruch innerhalb eines Monats.

Wenn es euch nichts ausmacht, werde ich das Teil anonymisiert einscannen und euer geschultes Auge darüber lassen.

7 Seiten!

Kommt morgen im Laufe des Tages .....................

Bis dann
Carina

Carina
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Beitrag von Carina » 27.10.2016, 10:37

So - und nun kommt die Litanei.

Habe die Tabellen herausgelassen - aber der Rest ist noch üppig genug

Es geht los:

Abhilfeverfahren

Nach Einlegung des Widerspruchs vom 05.08.2016 durch Frau ergeht
im Rahmen des Abhilfeverfahrens und im Auftrag der Berufsgenossenschaft
folgender
Rückzahlungsbescheid.

1. Gemäß § 50 Abs. 2 SGB i. V. m. § 45 Abs. 2 ist das gewährte Verletztengeld für die Zeit vom 02.05.2016 bis 29.05.2016 in Höhe von 665,01 € zurück zu zahlen.
2. Der am 29.07.2016 ergangene Rücknahme- und Erstattungsbescheid wird gemäß § 44 SGB X zurückgenommen.
3. Der Betrag in Höhe von 665,01 € ist an die XX zurück zu zahlen.

Begründung:

Im vorliegenden Fall wurde in der ersten Stufe des Widerspruchsverfahrens der angefochtene Bescheid von der Stelle überprüft, die ihn erlassen hat (§ 84 Abs. 1 SGG). Wird hierbei der Widerspruch des Versicherten "für begründet" erachtet, so ist ihm abzuhelfen (§ 85 Abs. 1 SGG).
Diese erste Stufe (Überprüfung des Bescheids bei der Stelle, die ihn erlassen hat) gibt der Verwaltung Gelegenheit,
• ihr Handeln aufgrund eines konkreten Vorbringens des Betroffenen zu
überprüfen,
• den Betroffenen über die Sach- und Rechtslage zu informieren.
Stellt der Versicherungsträger fest, dass der Widerspruch gegebenenfalls auch nur zum Teil begründet ist, so hilft er ihm ab. Das heißt, er erlässt einen neuen Bescheid, mit dem die Fehler des ursprünglichen Bescheids korrigiert werden.
Frau XX begründet ihren Widerspruch überwiegend damit, dass die
Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Nr. 1-3 SGB X erfüllt sind.
Dieser Hinweis gibt Veranlassung den Bescheid einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen.

II. Die Rückzahlungsforderung ergibt sich aufgrund folgender Sachlage:

Mit Fax der Berufsgenossenschaft XX werden der KK Krankmeldungen von Frau XX vom 30.05.2016 am 03.06.2016 und vom 07.06.2016 am 10.06.2016 wie folgt vorgelegt:

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 30.05.2016
festgestellt wurde am 30.05.2016 von der BG Klinik
Arbeitsunfall und Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 11.03.2016
Voraussichtlich arbeitsunfähig bis 07.06.2016

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 07.06.2016
festgestellt wurde am 07.06.2016 von der BG Klinik
Krankengeldfall und Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 11.03.2016
Voraussichtlich arbeitsunfähig bis 19.06.2016

Im Schreiben vom 06.07.2016 der BG wird die KK aufgefordert an die
Verletzte, Frau XX, Verletztengeld ab dem 30.05.2016 für die Dauer der
unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zu zahlen.

Die KK wird mit E-Mail vom 07.07.2016 von der BG darüber informiert,
dass bei der Versicherten
ab dem 02.05.201 6 Arbeitsfähigkeit bestand und
erst ab dem 30.05.2016 Arbeitsunfähigkeit.
Verletztengeld ist deshalb erst ab dem 30.05.2016 zu bezahlen


III. Im Anhörungsschreiben vom 08.07.2016 bittet die KK Frau XX um eine Stellungnahme über die Absicht der KK das ausgezahlte Verletztengeld vom 02.05.2016 bis 29.05.2016 in Höhe von 689,64 € wieder zurück zu fordern, da die BG mitgeteilt hat, dass nur in der Zeit vom 02.05.2016 bis 29.05.2016 Arbeitsfähigkeit bestand. Um Rückantwort wurde bis zum 22.07.2016 gebeten.

Im Antwortschreiben vom 20.07.2016 weist Frau XX darauf hin, dass ihr
kein Vorwurf wegen der Überzahlung zu machen ist und sie den Betrag
zwischenzeitlich für ihre Lebenshaltung verbraucht hat.


IV. Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.07.2016 teilt die KK Frau XX mit, dass Leistungen an Frau XX in Höhe von 665,01 € zu Lasten der KK abgerechnet wurden. Im Zeitraum vom 02.05.2016 bis 29.05.201 6 bestand kein Anspruch auf Verletztengeld. Damit ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 5GB X ein Betrag von 665,01 € an die KK zurückzuzahlen.


V. Mit Schreiben vom 05.08.2016 legte Frau XX Widerspruch gegen den
Bescheid der KK vom 29.07.2016 ein. Im Widerspruchsschreiben wird
u. a. darauf hingewiesen, dass sie zu keinem Zeitpunkt erkennen konnte, dass die Gewährung unrechtmäßig gewesen sein soll. Außerdem sind die gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 1 -3 5GB X vorzunehmenden Prüfungen nicht vorgenommen worden.


VI. Verletztengeld-Zahlungen wurden von der KK aufgrund der
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wie folgt geleistet:

(Aufstellung der Verletztengeld-Zahlungen)

Daraus ergibt sich folgende Restforderung:
von der KK geleisteter Verletztengeld-Betrag = 1.551,69 €
der von Frau XX bestehende Verletztengeld-Anspruch = 886,68 €
Differenz - Überzahlung - 665,01 €


VIII. Das Verletztengeld hat Lohnersatzfunktion und soll den Lebensunterhalt bei Arbeitsunfähigkeit sichern. Verletztengeld kann grundsätzlich nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bzw. vor Beginn der stationären Behandlung als Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen hat und die wegen der Erkrankung entfallen.
Dieser Abrechnungszeitraum ist der letzte vor Beginn der Arbeits-unfähigkeit abgerechnete Kalendermonat.


IX. Sind Gemäß § 50 Abs. 2 SGB X Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden, sind sie zurückzuzahlen. Dabei gilt § 45 SGB X entsprechend. Ein begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Nach dem § 45 Abs. 2 SGB X darf ein Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstige auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.


X. Damit sind die essentiellen Tatbestandsmerkmale des § 45 SGB X gleichsam inzident im Rückzahlungsverwaltungsakt gemäß § 50 Abs. 2 SGB X zu prüfen. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit die Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und ihr Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig 1st. Das Vertrauen 1st in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

Der Erstattungsanspruch des § 50 SGB X betrifft grundsätzlich nur die Ansprüche der Sozialleistungsträger gegenüber dem von der Rückforderung betroffenen Empfänger der Leistung, soweit diese aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis resultieren.

Der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung gebietet es, die Rückforderung auch in den Fällen als öffentlich-rechtliche Erstattung zuzulassen, in denen nicht förmlich Ober den Anspruch durch VA entschieden wurde, sondern tatsächlich eine Leistung gewährt oder in Anspruch genommen wurde, wie dies bei der Krankengeldzahlung unter Verwendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Fall ist. Eine Leistung ohne Bescheid liegt auch vor, wenn der VA schon wirksam
aufgehoben war, sich der bewilligende VA durch Eintritt einer Bedingung erledigt hatte und es einer förmlichen Aufhebung nicht mehr bedurfte, die Leistung jedoch weiterhin aufgrund eines Versehens erbracht wurde.
Für die zu Unrecht gewährten Sozialleistungen regelt § 50 SGB X einen
eigenständigen öffentlich-rechtlichen Rückzahlungsanspruch. Damit wird der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung auch bei der Leistungsgewährung (§ 31 SGB I) durch die Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistung ergänzt. Das BSG hat § 50 SGB X wiederholt als die Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches für den Bereich des gesamten Sozialrechts bezeichnet (BSG, Urteil v. 8.2.2006, B 6 KA 12/05 R). § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X enthält im Sinne einer Auffangregelung eine Anspruchsgrundlage für die Erstattung aller durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen bewirkten Vermögensverschiebungen (= Leistungen), die ein Leistungsträger in Wahrnehmung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben nach dem SGB einem Burger erbracht hat (BSG, Urteil v. 7.9.2006, B 4 RA 43/05).

Als Anspruchsgrundlage zur Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen ist § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X maßgebend.


Xl. Für einen alleinigen Erstattungsbescheid bei bescheidlosen Leistungen sind zudem die Aufhebungsvoraussetzungen und Vertrauensschutzregelungen des § 45 SGB X zu beachten (Abs. 2 Satz 2), denn er gilt für solche VA, die schon von Anfang an rechtswidrig waren. Sie sind in diesen Fällen Tatbestandsvoraussetzungen des Erstattungs-anspruchs. Die erforderliche Anhörung nach § 24 SGB X bei Rückforderungen erfolgte mit Schreiben vom 08.07.2016. Im Schreiben vom 20.07.2016 wurde von Frau XX darauf hingewiesen, dass die Leistungen für den Lebensunterhalt verbraucht wurden.

Der KK wurden von der BG folgende Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung mit folgenden Daten vorgelegt:
1.Bescheinigung
vorgelegt am 03.06.2016
ausgestellt am 30.05.2016
arbeitsunfähig seit 11.03.2016
vorauss. arbeitsunfähig bis 07.06.2016

2. Bescheinigung
vorgelegt am 10.06.2016
ausgestellt am 07.06.2016
arbeitsunfähig seit 11.03.2016
vorauss. arbeitsunfähig bis 19.06.2016

Eine Auszahlung von Verletztengeld erfolgte am 03.06.2016
den Zeitraum vom 23.04.2016 bis 30.04.2016.

Im Zeitraum vom 02.05.2016 bis 29.05.2016
bestand kein Anspruch auf Verletztengeld


XII. Die Auszahlung des Verletztengeldes wurde gemäß der Arbeitsunfähig-keitsbescheinigung vom 04.07.2016 von der KK vorgenommen. Die Auszahlung des Verletztengeldes wurde am 06.07.2016 angewiesen und erfolgte nach den Vereinbarungen mit dem Hinweis auf dem Überweisungsträger:
„Zahlung im Auftrag Ihres Unfallversicherungs-Trägers 01.05.2016—04.07.2016"
Daraus konnte Frau XX klar erkennen, dass die Auszahlung auch die Zeit
ihrer Arbeitsfähigkeit vom 02.05.2016 bis 29.05.2016 abdeckte.

Die KK wird erst nach der vorgenommenen Auszahlung von der BG darüber informiert, dass bei der Versicherten
O ab dem 02.05.2016 Arbeitsfähigkeit bestand und
O erst ab dem 30.05.2016 Arbeitsunfähigkeit.
O Verletztengeld ist deshalb erst ab dem 30.05.2016 zu bezahlen


Spätestens zum Zeitpunkt der Verletztengeldzahlungen, dem 06.07.2016 musste Frau XX erkennen, dass Verletztengeldzahlungen bei bestehender
Arbeitsfähigkeit nicht gleichzeitig nebeneinander bezahlt werden k6nnen.
Es ist somit anzunehmen, dass die erfolgten Leistungen in der Vorstellung der Begünstigten nach allgemeinen Grundsätzen von Recht und Billigkeit nicht rechtens sein konnten ("Parallelwertung in der Laiensphäre"). Aus diesem Grunde ergibt sich kein Vertrauenstatbestand, den Frau XX hätte geltend machen können, nämlich dass sie von der Zahlung keine Kenntnis gehabt habe.
Zweifellos ist davon auszugehen, dass ihr die sozialen Verpflichtungen bekannt waren und die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Eine grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2.HS SGB X hier vor, denn die Begünstigte hat die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Dies liegt deshalb schon vor, da sie schon die einfachste, ganz naheliegende Überlegung, nicht angestellt hat oder nicht anstellen wollte, wenn also nicht beachtet
wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Dies ist hier der Fall, denn unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen mit der Versorgung mit Verletztengeld und Arbeitsunfähigkeit konnte von der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit bei Frau XX davon ausgegangen werden, dass sie in der Lage war die vorliegende rechtliche und tatsächliche Konstellation nachzuvollziehen.

In der vom Arzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird vom Arzt eine befristete Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Darin liegt allein ein Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung von Verletztengeld vor, wodurch die leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Verletztengeldes für jeden Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen sind. Der Anspruch auf Verletztengeld endet daher grundsätzlich mit Ablauf des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraumes, weshalb es keines Aufhebungsbescheides nach § 48 SGB X in diesen Fällen bedarf und ein gegen die Beendigung der Verletztengeldbewilligung eingelegter Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet.

Es handelt sich somit bei der Zahlung von Krankengeld um einen zeitlich befristeten Verwaltungsakt, der seine Wirksamkeit spätestens mit Ablauf des vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums verliert. Durch die zeitliche Begrenzung entsteht kein Vertrauensschutz im Sinne des § 48 5GB X über den jeweiligen Endzeitpunkt hinaus.

Die Gewährung von Krankengeld erfolgt durch Verwaltungsakt. Soweit kein förmlicher Bescheid - wie hier - ergeht, kann die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes schlüssig "in anderer Weise,, durch die Auszahlung der Leistung erfolgen. Ist Grundlage der Bewilligung eine auf eine bestimmte Zeit beschränkte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, so liegt darin regelmäßig typischerweise die Befristung der Leistung.


XIII. Das Vertrauen in den Bestand des VA muss unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse das Interesse an der Rücknahme des VA übersteigen, woraus sich die objektive Schutzwürdigkeit ergibt. Zu dem öffentlichen Interesse gehört der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG, § 31 5GB 1), insbesondere hinsichtlich der ordnungsgemäßen Verwendung der Versicherungsbeiträge der Solidargemeinschaft und der gesetzlichen Gleichbehandlung der Berechtigten und Verpflichteten. Im Rahmen der Abwägung ist von einer objektiven Möglichkeit der Kenntnis bei Frau XX, über die unberechtigte Verletztengeldzahlung, von grober Fahrlässigkeit auszugehen, da die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. Demnach findet hier Abs. 2 Satz 3 als Regeltatbestand des Vertrauensausschlusses Anwendung. Die Bestimmung schließt mithin die Schutzwürdigkeit aus, so dass die Rücknahme des VA grundsätzlich zulässig ist. Als Ausschlusstatbestand gilt die Ziffer 3.:

Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der
Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat

Durch diese Vertrauensausschluss-Anwendung ist auch der Regelfall der
Schutzwürdigkeit, ein überwiegendes Interesse des Betroffenen, dass der
Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht hat, nicht gegeben.

Damit ist das Vertrauen von Frau XX, den Betrag der Überzahlung des
Verletztengeldes behalten zu dürfen, nicht schutzwürdig. Somit kann der überschießende Betrag zurückgefordert werden.

Im Auftragsverhältnis ergangener und durch den Auftragnehmer ausgefertigter Bescheid als Adressaten eines möglichen Widerspruchs, sind beide Beteiligten des Auftragsverhältnisses in der Rechtsbehelfs-belehrung nach § 36 SGB X anzugeben.


Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch 1st schriftlich oder zu Niederschrift bei der BG oder bei der KK einzulegen. Die Widerspruchs-schrift soll den angefochtenen Bescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung des Widerspruchs dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben."



Ende des Schreibens

Sorry, dass es so lang geworden ist - aber ich wollte nichts weglassen (außer den Tabellen), was evtl. wichtig sein könnte.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 27.10.2016, 11:41

Hallo,
ja, sehr ausführlich - was für mich allerdings der entscheidende Passus ist - das ist XII. - darauf wird sich im Klageverfahren die Kasse bzw. die BG.
stützen, meine ich.
Gruss
Czauderna

Carina
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Beitrag von Carina » 27.10.2016, 12:20

Nun, Passus XII hin oder her: Es gibt schon wieder einige - sagen wir mal "nicht zutreffende" - Daten und Fakten, die hier aufgeführt werden:

Im Schreiben heißt es: "Die Auszahlung des Verletztengeldes wurde gemäß der Arbeitsunfähig-keitsbescheinigung vom 04.07.2016 von der KK vorgenommen."

1. Es gibt KEINE AU mit Datum vom 4.7.16! Die letzte AU wurde am 17.06. ausgestellt für den Zeitraum BIS 04.07.(weil die vorhergehende AU bis 19.06. war und da dies ein Sonntag war musste meine Tochter vorher wieder zum Durchgangs-Arzt).
Am 5.7. hatte sie noch mit einer Mitarbeiterin der KK telefoniert und erfragt, bis wann sie mit der Überweisung des Krankengeldes rechnen könne und dabei die Auskunft erhalten, dass das Schreiben der BG abgewartet werden muss. Bei diesem Telefonat wurde u.a. auch darüber gesprochen, dass der vorangegangene Urlaub im Mai zur Prüfungsvorbereitung diente und sie diese nun am 5.7. (Tag des Telefonats) abgelegt habe. Es kam keinerlei Hinweis der Sachbearbeiterin, dass diesbezüglich noch Unterlagen fehlen würden oder Zeiten nicht berücksichtigt werden könnten.

2. Es heißt weiterhin in diesem Schreiben:
"Im Schreiben vom 06.07.2016 der BG wird die KK aufgefordert an die
Verletzte, Frau XX, Verletztengeld ab dem 30.05.2016 für die Dauer der
unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zu zahlen."
AM 6 .7. hat die KK dann die Überweisung getätigt ......... um dann - einen Tag später! die nächste Nachricht zu erhalten:
"Die KK wird mit E-Mail vom 07.07.2016 von der BG darüber informiert,
dass bei der Versicherten
ab dem 02.05.201 6 Arbeitsfähigkeit bestand und
erst ab dem 30.05.2016 Arbeitsunfähigkeit. "

Genau darum ging es ja u.a. in dem Telefonat mit der SB der KK am 5.7. bereits!

Ganz knackig finde ich ja die Auslegung der "groben Fahrlässigkeit", die meiner Tochter ebenfalls unterstellt wird. Die mangelnde Sorgfalt der eigenen SB durch die Vorab-Kenntnis des Urlaubs (inkl. der Begründung, warum sie Urlaub hatte und nicht durchgehend krankgeschrieben war - wird mit keinem Wort erwähnt.
Nein, meine Tochter hat "grob fahrlässig" gehandelt weil,
Zitat: "Dies ist hier der Fall, denn unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen mit der Versorgung mit Verletztengeld und Arbeitsunfähigkeit konnte von der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit bei Frau XX davon ausgegangen werden, dass sie in der Lage war die vorliegende rechtliche und tatsächliche Konstellation nachzuvollziehen. "
Klar, sie hatte davon 1 mal KG erhalten (für den Zeitraum 23.04.-30.4.) und konnte natürlich aufgrund dieser "Erfahrung" und ohne jeglichen KG-Bescheid die "rechtliche Konstellation nachvollziehen".

Die Herrschaften wollen es sich sehr einfach machen und ihre eigene mangelnde Sorgfalt mal so geschwind auf den Versicherten abwälzen.

Bin gerade noch dabei, mich etwas in diese "grobe Fahrlässigkeit" im SGB X einzulesen ............... dabei gibt es auch noch andere Auslegungen, die die KK unberücksichtigt läßt, u.a. das "Ermessen"!

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 27.10.2016, 22:27

Hallo Carina,

erst mal nur oberflächlich:

Die Krankenkasse „schwimmt“, „rudert“ – ist verunsichert. Dies wird aus
dem wirren Bescheid deutlich. Die beiden Worte „Abhilfeverfahren“, der Satz
„Der am 29.07.2016 ergangene Rücknahme- und Erstattungsbescheid wird …
zurückgenommen“, die näheren Ausführungen dazu ("für begründet" erachtet,
so ist ihm abzuhelfen, „begründet ist, so hilft er ihm ab“, „korrigiert“) sowie die
erneute Rechtsbehelfsbelehrung (neuer „Widerspruch“) lassen erkennen, dass
die Krankenkasse das letzte Widerspruchsverfahren abschließen wollte.

Insoweit kommt schon mal Kostenerstattung nach § 63 SGB X in Betracht:
https://dejure.org/gesetze/SGB_X/63.html

Anstelle des aufgehobenen Rücknahme- und Erstattungsbescheides ist nun aller-
dings ein Rückzahlungsbescheid ergangen, zu dem erneut Widerspruch erhoben
werden kann. Macht dies fristgemäß und unter Hinweis auf die früheren Aus-
führungen und verlangt ausdrücklich eine Eingangsbestätigung. Damit seid ihr
wieder an einem früheren Punkt, über den hinaus sich Diskussionen hier und
jetzt erübrigen. Als Begründung passt aber jetzt schon, dass deine Tochter in
dem Telefonat vom 05.07.2016 alles Wesentliche mitteilte und deswegen bei
Zugang der Überweisung vom 06.07.2016 davon ausgehen konnte, dass
alles seine Richtigkeit hat, jedenfalls nicht bösgläubig war oder sein
musste.

Schönen Gruß
Anton

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