Verfasst: 27.11.2011, 11:53
Hallo Machts Sinn,
ich habe mich mit dieser Thematik an den Datenschutzbeauftragten des Bundes gewandt. Hier der Text:
[quote]
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass nach meiner Beobachtung die Prüfungspflicht im Falle von „Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit“ bei „auffälligen“ Versicherten und Ärzten gemäß § 275 Absatz 1 Ziffer 3 Buchstabe b i. V. m. Absatz 1a Buchstaben a und b seitens der GKV zulasten der Versicherten und behandelnden Ärzte - Verdacht auf Verletzung von Persönlichkeitsrechten bei Generalverdacht – wahrgenommen wird. Es wird massiv das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung missachtet. (Volkszählungsurteil - BVerfG, Urteil v. 15. Dezember 1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83)
Begründung:
Die Statistik des MDK weist für 2010 die Zahl der Begutachtungen und Beratungen, die durch die GKV in Auftrag gegeben wurden mit 1.627.273 aus. (Vgl. Tab. 3a in mdk.de/314.htm)
Lediglich nur 20% der Fälle ergab ein Gutachtenergebnis „Aus medizinischer Sicht nicht weiter AU (innerhalb von 14 Tagen)“ (http://www.krankenkassenforum.de/-vp35842.html#35842). Mithin ist von einer Fehlerquote von ca. 80% auszugehen. Damit werden Hunderttausende von Versicherten und Ärzten einem Generalverdacht ausgesetzt, und dies ohne ihr Wissen.
Bemerkung
Die Indikation „Zweifel“ oder „auffällig“ ist gleichzusetzen mit „begründeter Verdacht“ auf Sozialmissbrauch. Das Verfahren der Überprüfung ist vergleichbar mit einer Rasterfahndung auf Basis eines Indikatorenkatalogs als Softwarefilter. Dies bedeutet in der o. g. Version der Prüfung das Aussprechen eines Generalverdachts gegenüber Patienten und ihren behandelnden Ärzten auf strafbares Handeln. Dies wiederum berührt die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen massiv. Hier ist eine Optimierung des Verfahrens bei gleichzeitiger Herstellung der Transparenz m. E. notwendig. Letzteres insbesondere auch deswegen, weil die GKV Anstalten des öffentlichen Rechts sind. Hier gelten andere Maßstäbe an den Vertrauens- und Persönlichkeitsschutz als in der freien Wirtschaft.
[/quote]
Ich bin sogar der Meinung, dass der §275 Abs. 1 Ziff. 3 Buchstabe b i. V. m. Abs. 1a gegen das Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit verstößt. Der Begriff "auffällig" ist nicht justiziabel. Zudem ist der Indikatorenkatalog, nach dem Auffälligkeiten gegeben sind nicht vollständig. Es wird von "insbesondere" gesprochen. D. h. die GKV können den Auffälligkeitskatalog beliebig erweitern. Damit besteht dann auch die Gefahr, dass von Kasse zu Kasse ungleiche Maßstäbe angelegt werden.
Gruß, Kernschmelze
ich habe mich mit dieser Thematik an den Datenschutzbeauftragten des Bundes gewandt. Hier der Text:
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Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass nach meiner Beobachtung die Prüfungspflicht im Falle von „Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit“ bei „auffälligen“ Versicherten und Ärzten gemäß § 275 Absatz 1 Ziffer 3 Buchstabe b i. V. m. Absatz 1a Buchstaben a und b seitens der GKV zulasten der Versicherten und behandelnden Ärzte - Verdacht auf Verletzung von Persönlichkeitsrechten bei Generalverdacht – wahrgenommen wird. Es wird massiv das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung missachtet. (Volkszählungsurteil - BVerfG, Urteil v. 15. Dezember 1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83)
Begründung:
Die Statistik des MDK weist für 2010 die Zahl der Begutachtungen und Beratungen, die durch die GKV in Auftrag gegeben wurden mit 1.627.273 aus. (Vgl. Tab. 3a in mdk.de/314.htm)
Lediglich nur 20% der Fälle ergab ein Gutachtenergebnis „Aus medizinischer Sicht nicht weiter AU (innerhalb von 14 Tagen)“ (http://www.krankenkassenforum.de/-vp35842.html#35842). Mithin ist von einer Fehlerquote von ca. 80% auszugehen. Damit werden Hunderttausende von Versicherten und Ärzten einem Generalverdacht ausgesetzt, und dies ohne ihr Wissen.
Bemerkung
Die Indikation „Zweifel“ oder „auffällig“ ist gleichzusetzen mit „begründeter Verdacht“ auf Sozialmissbrauch. Das Verfahren der Überprüfung ist vergleichbar mit einer Rasterfahndung auf Basis eines Indikatorenkatalogs als Softwarefilter. Dies bedeutet in der o. g. Version der Prüfung das Aussprechen eines Generalverdachts gegenüber Patienten und ihren behandelnden Ärzten auf strafbares Handeln. Dies wiederum berührt die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen massiv. Hier ist eine Optimierung des Verfahrens bei gleichzeitiger Herstellung der Transparenz m. E. notwendig. Letzteres insbesondere auch deswegen, weil die GKV Anstalten des öffentlichen Rechts sind. Hier gelten andere Maßstäbe an den Vertrauens- und Persönlichkeitsschutz als in der freien Wirtschaft.
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Ich bin sogar der Meinung, dass der §275 Abs. 1 Ziff. 3 Buchstabe b i. V. m. Abs. 1a gegen das Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit verstößt. Der Begriff "auffällig" ist nicht justiziabel. Zudem ist der Indikatorenkatalog, nach dem Auffälligkeiten gegeben sind nicht vollständig. Es wird von "insbesondere" gesprochen. D. h. die GKV können den Auffälligkeitskatalog beliebig erweitern. Damit besteht dann auch die Gefahr, dass von Kasse zu Kasse ungleiche Maßstäbe angelegt werden.
Gruß, Kernschmelze