Verfasst: 27.11.2010, 17:24
Dieser Text wurde auf Wunsch des Nutzers entfernt.
Das Forum für alle Fragen zu Krankenkassen.
http://128.140.76.31/
Gibt es denn ein Grundsatzurteil, wonach eine AU nicht nach den AU-Richtlinien zu beurteilen ist? Ich stecke leider nicht mehr ganz so tief im Thema, aber ich kenne § 92 SGB V. Und nach Nr 7 sind Richtlinien zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a und der nach § 10 versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches zu beschließen.Machts Sinn hat geschrieben:...kein Arzt verpflichtet werden kann, die Arbeitsunfähigkeit nach gesetzeswidrigen Kriterien und abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung nach den AU-RL zu beurteilen, wird sich in der gegenwärtigen Situation immer mehr durchsetzen, dass „Ärzte `munter´ weiter arbeitsunfähig schreiben, obwohl ein gegenteiliges MDK-Gutachten vorliegt.“
Bei der zitierten Urteilsbegründung muss man allerdings einige Einschränkungen zum Sinn und Zweck der AU-RL anführen. Die Ausführungen des BSG bedürfen nur in so weit einer Ergänzung, dass sie in erster Linie eine Begründung für den Kläger geben sollte, warum das Krg nicht gezahlt werden kann. Er hatte sich auf die Möglichkeit der rückwirkenden Attestierung von AU berufen. Dies hat jedoch keine Auswirkung auf den Krg-Beginn. Dies ist auch völlig unbestritten. Mit der Regelung in § 5 (3) AU-RL hat der G-BA auch gar nicht beabsichtigt den Krg-Anspruch zu modifizieren. Dieser wird in dem Passus auch gar nicht erwähnt. Er gibt Vertragsärzten lediglich Ausnahmen vor, in denen eine AU rückwirkend attestiert werden kann. Das Feststellungsdatum, also der Tag der Untersuchung (und dieser ist maßgebend für den Beginn des Krg-Anspruch), wird sich dadurch naturgemäß nicht ändern.Machts Sinn hat geschrieben:im Urteil vom 26. 6. 2007, B 1 KR 37/ 06 R, führt das BSG ausdrücklich aus, dass die AU-RL im Range unter dem Gesetz stehen. Dem Bundesausschuss fehle die Kompetenz, die Voraussetzungen des Krg-Anspruchs zu modifizieren. Denn § 92 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 7 SGB V ermächtige den Bundesausschuss nur dazu, die "zur Sicherung der ärztlichen Versorgung … über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten" erforderlichen Richtlinien, insbesondere über die "Beurteilung der Arbeitsfähigkeit", zu beschließen, nicht aber, die Voraussetzungen des Anspruchs auf Krg zu ändern.
Auch diese Auffassung des Gerichts teile ich ohne weiteres. Das meinte ich ja auch mit dem Hinweis, die Entscheidung des MDK ist kein Dogma.Machts Sinn hat geschrieben:... Weder einer AU-Bescheinigung des behandelnden Arztes noch einem MDK-Gutachten kommt in diesem Zusammenhang im Streitfall allein entscheidende oder vorrangige Bedeutung zu. Es handelt sich bei entsprechenden Stellungnahmen in einem sozialgerichtlichen Verfahren vielmehr um "normale" Beweismittel, die auch durch andere Beweismittel widerlegbar sind, wobei sich die Frage, ob bereits vorliegende Unterlagen als ausreichender Nachweis angesehen werden können, nach den Umständen des Einzelfalls richtet und pflichtgemäßem richterlichen Ermessen unterliegt.
Nicht ganz. Es wirkt sich nur auf die - mir ohnehin suspekt erscheinenden - Entscheidungen von einigen Kassen aus, die rückwirkend eine AU beenden wollen. Die AU an sich ist aber immer Grundvoraussetzung für den Krankengeldanspruch. Wenn also keine AU nachgewiesen ist, ist auch nichts aufzuheben. Weder für die Zukunft noch für die Vergangenheit. Ein Antrag auf Krankengeld ohne Arbeitsunfähigkeit wird abgelehnt. Im Falle eines Streitfalls bietet es sich also tunlichst an, die weitere AU bestätigen zu lassen (optional Auszahlschein aus dem Internet - Nein, die Vordruck-Form ist dann nicht entscheidend).Machts Sinn hat geschrieben:bei Anwendung des § 48 SGB X ist die Beweislast – inzwischen – umgedreht.
und genau diese Voraussetzungen klopft das SG bei einer Klage ab. Übrigens prüft sie als erstes auch die eigene Zuständigkeit (hab ich selbst schon erlebt. Der Richter stellte drei Fragen zum Wohnort und wir konnten alle wieder zusammen packen, da an ein anderes SG verwiesen wurde) Zu Punkt 2., das vorliegende Attest (in welcher Form auch immer), das die Kasse z.B. bei ihrer Entscheidung nicht einfach ignorieren darf. Und zu 3. immer gern gerügt, die fehlende Anhörung^^Lady Butterfly hat geschrieben:was vielleicht auch noch zu diesem Thema passt:
1. Sachliche Zuständigkeit
2. Prüfung des materiellen Rechts
...vom Arzt attestierte Arbeitsunfähigkeit...
3. Prüfung des formellen Rechts
...vor allem im Bereich des SGB X...
Das ist aber wichtig hier zu nennen. Es ist eine Ausführung des Gerichtes, die die AU-Richtlinien nicht gänzlich in Frage stellt, sondern lediglich die Interpretation des Klägers daraus.Machts Sinn hat geschrieben:...deine „Urteilsbesprechung“ führt jetzt aber weit vom eigentlichen Thema weg! Bist du nun mit mir der Meinung, dass die AU-RL keine eigene rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich – teilweise zutreffend (!) – beschreiben, was nach Gesetz und Rechtsprechung sowieso Sache ist?
Naja, das ist halt Therorie und Praxis. Genauso wie die Aussage des behandelnden Arztes 'ich halte Sie für arbeitsunfähig, aber es hat keinen Sinn etwas gegen die Kasse oder den MDK zu unternehmen...' Und genau diesem Umstand ist es geschuldet. Knapp gesagt, ist der Versicherte arbeitsunfähig (und dies ist die Voraussetzung für das Krankengeld nach dem Gesetz) und scheitert der Nachweis 'lediglich' an formellen Mängeln, wird das Gericht dem Sachverhalt nachgehen. Problem ist halt, diese formellen Mängel nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Da ist es von Vorteil, dass das SG erstmal im Sinne des Versicherten prüft.Machts Sinn hat geschrieben:...obwohl es diese Fälle in der Theorie nach den von dir zitierten Bestimmungen aus den AU-Richtlinien i. V. mit dem Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV-Ä) gar nicht gibt bzw. nicht geben dürfte.
Und genau das muss der Versicherte dann auch tun! Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen, dass der reine Widerspruch ist kein Selbstläufer ist.Machts Sinn hat geschrieben:„Hat der Versicherte - wie hier der Kläger - (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, ...
Ich darf noch einmal aus dem Rundschreiben des BVA zitieren?Machts Sinn hat geschrieben:Ich bleibe deswegen bei meiner Meinung, dass bei Anwendung des § 48 SGB X die Beweislast – inzwischen – umgedreht ist und vertrete ergänzend die Auffassung, dass ein einmal bewilligtes Krankengeld gegen den Willen des Versicherten nur über § 48 SGB X eingestellt werden kann.
Damit ist eine gänzliche Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides aus meiner Sicht gemeint!Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn der Versicherte zwar seine Arbeitsunfähigkeit
durch ein ärztliches Attest nachweist, die Krankenkasse aber die Arbeitsunfähigkeit auf der
Grundlage eines MDK-Gutachtens in Frage stellt. Die Einstellung der Krankengeldzahlung ist
in diesem Fall lediglich unter Aufhebung der Grundentscheidung durch Verwaltungsakt gemäß
§ 48 SGB X möglich. Die Grundentscheidung der Krankenkasse, Krankengeld zu zahlen,
wirkt insoweit fort, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch Attest nachgewiesen wird. Diese
Bedingung erfüllt der Versicherte mit Einreichen des Attests. Es bedarf daher einer gesonderten
Entscheidung der Kasse, den Grundbescheid aufzuheben.
Hier liegt die Betonung auf vorausgegangener Krankengeldgewährung!Erst wenn nach ggf. vorausgegangener
Krankengeldgewährung eine erneute ärztliche Bescheinigung vorgelegt wird, besteht
für die Krankenkasse überhaupt Anlass, die weiteren rechtlichen Voraussetzungen eines
Krankengeldanspruchs zu prüfen (BSG, a.a.O. Rz. 31).