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Verfasst: 05.11.2012, 09:23
von Rossi
Okay, Günter, steht denn in der BSG-Entscheidung, dass eine Pflegeurkunde vorhanden sein muss?
Völlig klar, die Kasse benötigt Nachweise um prüfen zu können. Aber keine Pflegeurkunde. Es gilt wohl der Sachvortrag des Mitgliedes, oder etwa nicht?
Die LSG-Entscheidung hält nachfolgende Kriterien fest:
- das Pflegekind muss mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie ein Kind mit seinen Eltern verbunden sein
- ein solches Pflegeverhältnis liegt vor, wenn die Aufsichts- und Erziehungsrechte von den Pflegeeltern tatsächlich wahrgenommen werden; andererseits ein Obhuts- und Betreuungsverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht (mehr) vorliegt
- auf "längere Dauer angelegt" ist das Pflegeverhältnis, wenn es für einen Zeitraum begründet wird, der für die körperliche und geistige Entwicklung des Pflegekindes erheblich ist; von der erforderlichen Dauerbindung kann dann nicht ausgegangen werden, wenn das Pflegeverhältnis von vornherein so geplant ist, dass es nur einen kürzeren Zeitraum dauern oder jederzeit auf Grund neuer Umstände beendet werden soll
- die Bejahung eines Pflegekindverhältnisses erfordert nicht das Bestehen einer Pflegschaft im Sinne des § 1909 BGB und deren Nachweis durch eine Pflegschaftsurkunde.
Jenes ist zu prüfen und nichts anderes.
Nur zur Klarstellung und Verdeutlichung. In dem LSG Verfahren hatte die Kasse eben auch die Pflegeurkunde gefordert. Die Tante hatte aber keine Pflegeurkunde; es war ein geseztlicher Betreuer bestellt, der aber natürlich nicht das Kind erzieht.
Mir reicht die LSG Entscheidung auf jeden Fall und ich merke sehr deutlich, dass diese Fälle in der Praxis abgelehnt werden.
Verfasst: 05.11.2012, 09:30
von Czauderna
Hallo Rossi,
ich würde in der Praxis auch nicht auf eine "Pflegeurkunde" pochen, mir würde auch ein anderer Nachweis ausreichen - wenn ich das BSG.-Urteil (Begründung) richtig gelesen habe spielt da auch das Kindergeld eine Rolle,
wäre doch auch schon etwas, oder ?
Gruss
Guenter
Verfasst: 05.11.2012, 12:42
von Rossi
Okay, der Bescheid über das Kindergeld könnte ein Nachweis darstellen. Aber mit Vorsicht zu genießen.
Na klar, die Pflegemutter kann das Kindergeld für das Pflegekind beantragen. Allerdings ist es bspw. möglich, dass die Schwester (60 Jahre alt) für seinen schwerbehinderten Bruder (58 Jahre alt) das Kindergeld als Pflegemutter erhält.
Eine Familienversicherung im SGB V hingegen wäre hier nicht möglich. Denn hierzu ist ein Altersunterschied erforderlich (Verhältnis Mutter zum Kind), ferner muss das Pflegeverhältnis bereits zu einem Zeitpunkt entstanden sein, wo das Kind noch selber als Kind familienversichert war. Also in der Regel bis zum 23. Lebensjahr. Hierzu gibt es auch BSG-Entscheidungen.
Verfasst: 05.11.2012, 22:29
von Lady Butterfly
Hallo Rossi,
ich hab heute nochmals in einem SGB V-Kommentar nachgeschaut.
Auch da wird neben der Aufnahme in den Haushalt der Pflegeeltern auf unabsehbare Zeit und einer Verbindung "wie zwischen Eltern und Kindern" auf den Unterhalt abgestellt. Nur die Voraussetzung der Unterhaltsgewährung entspräche dem notwendigen typischen Eltern-Kind-Verhältnis.
Verfasst: 05.11.2012, 22:48
von broemmel
Rossi ist doch beim Sozialamt. Es gibt doch bestimmt Pflegeltern die ebenfalls Sozialhilfe beziehen und aufgrund des Pflegeverhältnisses höhere Sozialhilfe beziehen.
Welche Nachweise akzeptiert denn das Sozialamt, wenn es höhere Leistungen gewähren soll?
Die Frage wurde von Rossi doch noch gar nicht beantwortet, wenn ich richtig gelesen habe.
Verfasst: 05.11.2012, 22:56
von Lady Butterfly
Rossi arbeitet zwar beim Sozialamt, kümmert sich aber nur um Krankenversicherungen:
Rossi hat geschrieben:Na ja, meine bescheidenen Erfahrungen im Rahmen der SGB XII Kunden (alt und teuer) sind leider etwas anders.
Gerade bei diesen Kunden (alt und teuer) ist eine kleine Abwehrhaltung einiger Kassen zu spüren. Es müssen nicht alle Kassen davon betroffen sein, aber einige schon.
Ich kann Dir nur mal ein Beispiel nennen.
Ein Träger der Sozialhilfe hatte Anfang 2007 ca. 320 Kunden in der Betreuung nach § 264 SGB V. Der jährliche Etat betrug ca. 3,2 Mio Euronen. Der Kollege hat sich sehr intensiv mit den Krankenversicherungsmöglichkeiten beschäftigt und ist zu einem Kampfdackel mutiert.
Nach knapp 2 Jahren und einem unerbitterten Kampf gegen die Kassen hatte er nur noch 140 Kunden, die nach § 264 SGB V betreut werden mussten. Der jährliche Etat ist auf 1,4 Mio Euronen gesunken.
Ist jenes nicht eine super Leistung?
In der heutigen Zeit geht es doch leider nur darum, wer was aus welchem Töpfchen zahlt. Aber bitteschön nicht aus meinem Töpfchen. Am besten das andere Töpfchen.
Wer an diesem Spiel nicht teilnimmt, der löhnt einfach. Das ist alles.
Verfasst: 05.11.2012, 23:06
von broemmel
Ach ja. Also wie ich mir das dachte.
Das Sozialamt ist aussen vor. Das was da passiert und gefordert wird steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Und wenn Kassen Nachweise fordern ist das falsch.
Wenn Sozialämter Nachweise fordern ist das ganz klar gesetzlich nötig und gut
Verfasst: 06.11.2012, 08:46
von Czauderna
Hallo,
wenn zwei das Gleiche tun ist es noch lange nicht das Selbe.
Gruss
Czauderna
Verfasst: 08.11.2012, 19:31
von Rossi
Es geht nicht darum, ob Nachweise vorzulegen sind, oder nicht.
Es geht einfach darum, dass bei Pflegekindern, die in der Verwandtschaft untergebracht sein, dass Vormundschaftsgericht in der Regel nicht tätig wird. D.h., es wird keine Pflegeurkunde bzw. der Beschluss nach § 1909 BGB erteilt.
Und wenn diese Pflegeurkunde bzw. der Beschluss vom Vormundschaftsgericht gerade in der Verwandtschaft nicht erteilt wird, dann kann man diesen Nachweis auch nicht bringen.
Also, warum sollt jetzt das Vormundschaftsgericht unnötig eingeschaltet werden. Ich kann keinen Nachweis fordern, wenn dieser Nachweis für die Pflegekinder in der Verwandtschaft nicht erforderlich ist.
Und dann nehmen wir uns den Fall aufgrund der o. a. eingestellten Entscheidung. Dort war nicht die Pflegemutter als Betreuer vom Vormundschaftsgericht bestellt worden, sonder ein professionieller Betreuer. D.h. aber noch lange nicht, dass der bestellter Betreuer auch die Erziehung des Kindes übernimmt.
Verfasst: 08.11.2012, 20:49
von Lady Butterfly
wenn jemand einen Anspruch geltend machen will, muss derjenige auch entsprechende Nachweise vorlegen. Entweder eine Pflegschaftsurkunde oder andere Nachweise.
Bewilligt ihr Leistungen ohne Nachweise?
Verfasst: 08.11.2012, 21:29
von Rossi
Noch einmal, wo in aller Welt steht, dass hier eine Pflegschaftsurkunde oder eine Erlaubnis des Jugendamtes vorzulegen ist?
Der Kunde trägt den Sachverhalt vor. Er muss also schildern, wie das Verhältnis zwischen der Pflegemutter um dem Pflegekind ist; bspw. wie lange das Kind schon dort sich aufhält, welche Bindungen vielleicht noch zum elterlichen Haushalt bestehen. Danach muss die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen prüfen. Man kann nicht irgendwelche Nachweise fordern, die nicht vorhanden sind.
Geht doch wohl mehr als eindeutig aus der LSG-Entscheidung hervor.
Es ist auch nicht weiter tragisch, die Kasse ist hier schon eingeknickt und hat die Fami als Pflegekind eingetragen. Man hat sich hier an die LSG Entscheidung orientiert.
Verfasst: 08.11.2012, 22:41
von broemmel
Wenn zwei das gleiche tun...
Wenn aufgrund dieses Pflegeverhältnisses Leistungen beim Sozialamt beantragt werden, welche Nachweise verlangen denn Deine Kollegen vom Sozialamt?
Verfasst: 08.11.2012, 22:59
von Rossi
Wir verlangen keine Nachweise und orientieren uns am Sachvortrag.
Im Rahmen der Amtsermittlung schalten wir allenfalls unseren allgemeinen sozialen Dienst ein und bitten um Stellungnahme, ob das Kind hier vernünftig untergebracht ist. Das ist alles.
Wir sind nicht päpstlicher als der Papst und orientieren uns an unseren Pflichten (Amtsermittlung). Also kein Versteckspiel hinter irgendwelchen Nachweisen, die man nicht hat und nicht bekommen kann.
Ferner kann ich Dir verraten - broemmel - dass es gerade diese Fälle sind. Die Kinder sind innerhalb der Verwandtschaft untergebracht und es wird Sozialhilfe für diese Kinder beantragt und gewährt. Die Jugendhilfe wäre unterm Strich wesentlich teurer und nicht die geeignete Hilfe.
Dann geht es nur noch um die Krankenversicherung über die Pflegeeltern bzw. Verwandtschaft. In der Regel wurde die Fami über die Pflegeeltern bislang abgelehnt.
Davon hatte ich jetzt kürzlich 2 Fälle, aber ich habe diese Fälle mittlerweile drinne.
Es ging sogar relativ schnell, teilweise nur fernmündliche Gespräche bzw. E-Mails. Ein offizielles Widerspruchsverfahren über einen Fachanwalt wollte man offensichtlich vermeiden.
Na klar, man kann es so oder anders sehen. Vor Gericht und auf hoher See weiss man nie wohin die Reise geht.
Aber die von mir bislang rechierte Rechtsprechung lag nicht auf der Kassenseite. Dies hat man offensichtlich eingesehen.
Verfasst: 09.11.2012, 07:28
von Czauderna
Hallo,
na, dann sind ja alle Klarheiten beseitigt,
Ausgang wie immer.
Gruss
Czauderna
Verfasst: 09.11.2012, 07:35
von broemmel
Moin,
das deckt sich zwar nicht mit meinen allgemeinen Erfahrungen im Bereich der Sozialämter, aber man lernt ja nicht aus