NEUE KV hat geschrieben:Swantje B. hat geschrieben:derKVProfi hat geschrieben:
Die Frage des § 206 VVG lassen wir mal außer acht. Wenn er für die EWR KV gelten sollte, dann wird man ihn beachten. Ansonsten wird bei Nicht-Zahlung gekündigt, so wie es deutsche GKV und PKV jahrzehntelang gemacht hat. Der Punkt ist schlichtweg ungeklärt und irrelevant!
Hervorhebung von mir.
Danke für diese klare Aussage. Das klang bisher (wenn auch nicht von dir, sondern von NEUE KV) noch anders, nämlich schön verschwurbelt
"das wurde von Juristen geprüft und ist schon in Ordnung". Irrelevant? Das mag Ansichtssache sein. Frag mal den Kunden, der irgenwann wegen Nichtzahlung rausfliegt und das dann ausklagen darf ...
Gruß
Swantje
Hallo zusammen - und sorry, dass ich die ganze Zeit nicht an der Diskussion teilgenommen habe, aber ich war tatsächlich im Urlaub.
Sehr spannende Beiträge mit vielen wichtigen und unterschiedlichen Standpunkten.
Zum Kündigungsverbot: die Juristen, mit denen ich gesprochen habe, sehen das so:
- das Kündigungsverbot bezieht sich eindeutig auf den Basis-Tarif und neuerdings auch noch auf den Notlagentarif. Denn im Kündigungsverbot lt. VVG ist ja genau geregelt, was wie abläuft wenn die Beitragszahlungen ausbleiben und das führt dann in Stufen über in den BASIS-Tarif.
- der BASIS-Tarif ist aber ausdrücklich nur vorgeschrieben für Versicherer im Inland (Notlagen-Tarif damit jetzt auch).
- da die EWR-Dienstleister keinen BASIS-Tarif anbieten (müssen) ergibt sich auch konkludent, dass das Kündigungsverbot von ihnen so nicht einzuhalten ist, weil sie nicht Teil des dahinter stehenden innerdeutschen Systems sind.
Der BGH hatte da auch einen klugen Satz formuliert, wo es in dem Urteil darum ging, dass bei Leistungsbetrug und Gewaltandrohung gegen Versicherungsmitarbeiter trotz Kündigungsverbot gekündigt werden darf: nämlich, dass dem Versicherten ja immer noch der Zugang zum BASIS-Tarif bei anderen VU offen bleibt. Dieser Satz - ich muss später mal das Zitat aus dem Urteil raussuchen - lässt sich genau so auf die Situation anwenden, wo eine EWR-Dienstleister wg fehlender Zahlung kündigt - dem Versicherten bleibt immer der Weg in die deutschen PKV über den BASIS-Tarif.
Ich hoffe, die Begründung ist verständlich und nachvollziehbar?
Cheerio
Also, hier nochmal ein paar weitergehende Begründungen aus Gerichtsurteilen und Ausschussprotokollen des Gesundheitsausschuss, wie sie auch von den Gerichten zitiert werden:
Gegenstand von Auslegung ist zwar der Gesetzestext als „Träger“ des gesetzgeberischen Willens. Daraus ergibt sich aber nicht, dass mit der Wortlautauslegung die Auslegung von Gesetzen regelmäßig ein Ende finden könnte. Der Wortlaut ist lediglich Ausgangs-, nicht aber Endpunkt richterlicher Sinnesermittlung. Ob mit dem Wortlaut gleichzeitig die Grenze von zulässiger Auslegung abgesteckt wird, kann dahingestellt bleiben, weil es eine genaue Grenze des sprachlich möglichen Wortsinns im Regelfall nicht geben wird. Hier scheint zwar an sich der Wortsinn eindeutig zu sein, gleichzeitig lässt sich nicht verkennen, dass es Anhaltspunkte gibt anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Regelung in § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. anders gemeint haben könnte, als der Wortlaut für sich genommen dies ergibt. In dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 1. Februar 2007 (Drucks. 16/4247) heißt es auf Seite 68 zu der Neufassung des § 178 i VVG a. F.:
„Durch diese Regelung soll der Versicherungsschutz dauerhaft aufrecht erhalten werden. Bisher verlieren Versicherte häufig ihre Alterungsrückstellungen dadurch, dass der Versicherer ihnen kündigt, weil sie mit der Zahlung einer Folgeprämie in Verzug sind. Dies ist nunmehr ausgeschlossen. Der Versicherer wird durch diese Regelung nur gering belastet, da der Leistungsanspruch des Versicherten nach § 178 a Abs. 8 weitgehend ruht und während des Prämienzahlungsverzugs Säumniszuschläge geltend gemacht werden können.“
Durch diese - insgesamt eher dürftige - Begründung relativiert sich der Wortlaut des § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. Ausgeschlossen werden sollte danach der Verlust von Versicherungsschutz [b]und der Rückstellungen[/b] für den Fall des Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers. Mehr ist mit der Begründung nicht gesagt, was allein durch ein Abstellen auf den vermeintlich klaren Wortlaut nicht unterlaufen werden darf.
OLG Celle
Es ist also hier wichtig zu sehen, was der GEsetzgeber eigentlich wollte, nämlich a) dass niemand mehr ohne Versicherungschutz durch eine Kündigung sein soll einerseits und b) andererseits niemand durch die Kündigung die Altersrückstellungen verlieren sollte.
Die EWR-Dienstleister bilden aber bekanntlich keine Altersrückstellungen, das tun nur die deutschen PKV. Daher fällt diese "Schutzfunktion" des § 206 VVG hier bereits als unerheblich aus.
Bleibt die Begründung, dass niemand ohne Krankenversicherungschutz sein soll. Und hier zitiere ich jetzte aus der Begründung des BGH für außerordentliche Kündigung zwar, aber sinngemäß kann das hier auch für eine Kündigung durch EWR-Dienstleister angewandt werden:
§ 206 Abs. 1 Satz 1 VVG* ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass er zwar die Kündigung wegen Prämienverzugs untersagt, jedoch in Fällen sonstiger schwerer Vertragsverletzung eine außerordentliche Kündigung durch den Versicherer nach § 314 Abs. 1 BGB** in Betracht kommen kann. In diesem Fall wird die Krankheitskostenversicherung mit dem bisherigen Versicherer weder im Basistarif (§ 12 Abs. 1a VAG) fortgesetzt, noch steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Abschluss eines derartigen Vertrages mit seinem bisherigen Versicherer zu. Ein ausreichender Schutz des Versicherungsnehmers wird dadurch erzielt, dass er weiterhin darauf Anspruch hat, gemäß § 193 Abs. 5 VVG bei einem anderen Versicherer im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VVG versichert zu werden.
Damit ergibt sich folgendes:
1. Wie von mir ausgeführt, kann das Kündigungsverbot nicht auf EWR-Dienstleister angewandt werden, weil es in seiner Ausführung engst verwoben ist mit Basis-Tarif und Notlagen-Tarif - beide aber sind nur für deutsche PKV-Unternehmen verpflichtend. Wer einen ruhenden Vertrag mangels Teilhabe am System nicht in einen eigenen Basis-Tarif oder Notlagen-Tarif überführen kann, auf den kann das Gesetz/Kündigsverbot - mal von der EU-rechtlich fehlenden Möglichkeit für den deutschen GEsetzgeber, das Vertragsrecht in anderen EU-Staaten zu regulieren - nicht angewandt werden.
2. Es fehlt auch ein besonderes Schutzbedürfnis der Verbraucher weil
2a) die EWR-Dienstleister keine Altersrückstellungen bilden, die sonst verloren gehen könnten und
2b) Versicherungsschutz alternativ immer bei einem anderen deutschen VU im Basis-Tarif erhalten werden kann
Nur am Rande möchte ich auch noch anmerken, dass EWR-Dienstleister die Kunden/Versicherten auch einfach wieder aufnehmen, wenn wieder gezahlt wird - allerdings werden dann in der Regel Vorrausszahlungen für ein halbes Jahr oder so verlangt, aber anders als vor 2009 bei deutschen PKV ist eine Kündigung wg fehlender Zahlung keine Kündigung auf Lebenszeit.