Soll den Menschen mehr Eigenverantwortung für ihre Krankheitskosten übertragen werden oder nicht?
grundsätzlich: ja
wenn aber mit dem Begriff "Eigenverantwortung" gemeint ist, dass die Menschen mehr (selbst) zahlen sollen - nein.
GerneKrankenVersichert hat geschrieben:
Wenn jemand z. B. seine Gesundheit vorsätzlich ruiniert, stellt sich mir die Frage, wer nun auf wessen Kosten Solidarität einfordert.
dann stellt sich doch die Frage, wann jemand seine Gesundheit vorsätzlich ruiniert? ich fürchte, da wird eine scharfe Abgrenzung sehr schwer bis unmöglich sein.
Nimm z. B. mal jemanden der raucht und dann an Krebs erkrankt. Mittlerweile ist erwiesen, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist und dass es die Wahrscheinlichkeit von bestimmten Krankheiten wie z. B. Lungenkrebs erhöht. Allerdings gibt es auch Menschen, die nie geraucht haben und trotzdem an Lungenkrebs erkranken. Von daher stelle ich es mir sehr schwer vor, im Einzelfall nachzuweisen, welche Erkrankung Folge einer ungesunden Lebensweise ist, was Folge von z. B. ungesunden Arbeitsbedingungen, was genetisch bedingt oder Folge von irgendwelchen negativen Umwelteinflüssen (z. B. Smog in Städten oder die Nachbarschaft eines AKW) ist und was schlicht und ergreifend schicksalhaft.
was passiert, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen?
wer ist in der Beweispflicht - Kassen oder Versicherte?
GerneKrankenVersichert hat geschrieben: Ein Anfang wurde ja mit der Neuregelung des § 62 SGB V versucht, ich bin nur skeptisch, dass der in der Form noch besteht, wenn die nach dem 01.04.1972 Geborenen in das "ich wollte mein Befreiungskärtchen beantragen"-Alter kommen.
zu den Vorsorgeuntersuchungen: die medizinische Sinnhaftigkeit von Vorsorgeuntersuchungen ist bei weitem nicht so eindeutig, wie immer suggeriert wird. Es gibt bei allen Vorsorgeuntersuchungen falsch-negative und falsch-positive Ergebnisse. Dazu kommen Nebenwirkungen, die es bekanntlich bei allen medizinischen Eingriffen gibt.
bei vielen Vorsorgeuntersuchungen ist bislang auch nicht bewiesen, dass sie tatsächlich dazu führen, Leben zu verlängern.
hier Kritik zu Vorsorgeuntersuchungen
http://www.springermedizin.at/artikel/3 ... rsuchungen
http://www.zeit.de/2004/10/M-Darmkrebs
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagno ... 41067.html
Ich weiß nicht, was richtig ist - aber es scheint nicht ganz so eindeutig zu sein, wie es immer dargestellt wird.
auch der § 62 SGB V verpflichtet keinesfalls zu Vorsorgeuntersuchungen - es reicht auch aus, sich von einem Arzt diesbezüglich beraten zu lassen. Die Entscheidung muss/darf der Versicherte selbst fällen.
ich würde auch nicht das komplette System in Frage bzw. auf den Kopf stellen wollen, sondern es weiterentwickeln, z. B.
- bessere Verknüpfung zwischen dem ambulanten und stationären Bereich, der hausärztlichen und fachachärztlichen Versorung. z. B. durch Einführung einer elektronischen Gesundheitsakte (nach Klärung der datenschutzrechtlichen Fragen) oder durch die Ablösung der Einzelpraxen durch Medizinische Versorgungszentren, in denen Hausärzte, Fachärzte und andere Leistungserbringer interdisziplinär zusammenarbeiten
- mehr Transparenz in der Abrechnung: durch ein Abrechnungssystem, dass einfacher durchschaubar ist, für privat und gesetzlich Versicherte gleich und durch Einführung einer verpflichtenden Patientenquittung
- durch mehr Qualität in der Versorgung: Ärzte und Krankenhäuser müssten hinsichtlich ihrer Arbeit und auch den Ergebnissen stärker überprüft werden - und wenn z. B. auffällt, dass die Ergebnisse (z. B. Mortalität nach OPs) stark voneinander abweichen, sollte nach man nach den Gründen suchen.
- Einführung eines Korruptions-Tatbestands für Ärzte und sonstige Leistungserbringer, um Abrechnungsbetrug zu erschweren und effektiver bekämpfen zu können
- europaweit einheitliche Arzneimittelpreise
- last but not least: durch mehr Investitionen in die Bildung. Es gibt Studien, die nachweisen, dass in einem Gesundheitssystem wie Deutschland Investitionen in Bildung eine stärkere Verbesserung der Gesundheit bringen als Investitionen in das Gesundheitssystem selbst. Möglicher Grund: Menschen mit einem höheren Bildungsstand achten selbst stärker auf eine gesunde Lebensweise wie z. B. ausreichend Bewegung und gesunde Ernährung.