GKV-Nachversicherten-Amnestie : Hintergründe und Thesen ...

Fragen zu einzelnen Krankenkassen

Moderator: Czauderna

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 01.05.2014, 20:01

Lady Butterfly hat geschrieben:
Poet hat geschrieben:Aber ich kann Dich trösten, es gibt noch größere Verteilungsprobleme auf der Welt. Es ist die traurige Wahrheit, dass es uns in der westlichen Welt deshalb verhältnismäßig gut geht weil es anderen Menschen dafür so schlecht geht.
dass es anderen schlechter geht als uns - ja.

aber du kannst entweder Entwicklungshelfer werden, um denen zu helfen, denen es noch schlechter geht.
oder du kannst versuchen, hier etwas zu ändern um zu bewirken, so dass es z. B. deinem alten, kranken Nachbarn besser geht oder den Versicherten deiner Kasse
oder du kannst dich natürllich auch hinsetzen und sagen, dass es den Deutschen ja recht gut geht, im Vergleich zu den Syrern, den Bürgern von Äthiopien oder Nordkorea.... und deshalb nicht so jammern sollen. :cry:
Ich habe das anders verstanden. Wir können hier so leben wie wir leben, WEIL es anderen schlechter geht. Bzw. sorgen wir mit unserem Lebensstil, unserer wirtschaftlichen Übermacht und auch der sogenannten Entwicklungshilfe dafür, dass andere klein bleiben, uns keine Konkurrenz machen und eine Verbesserung ihrer Situation erreichen können.

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 01.05.2014, 20:19

GerneKrankenVersichert hat geschrieben: Ich habe das anders verstanden. Wir können hier so leben wie wir leben, WEIL es anderen schlechter geht. Bzw. sorgen wir mit unserem Lebensstil, unserer wirtschaftlichen Übermacht und auch der sogenannten Entwicklungshilfe dafür, dass andere klein bleiben, uns keine Konkurrenz machen und eine Verbesserung ihrer Situation erreichen können.
auf die Idee bin ich nicht gekommen, könnte aber auch eine Sichtweise sein.

Poet
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Beitrag von Poet » 01.05.2014, 20:22

@GKV: Ja,genauso meinte ich das.

@KKA: Nein,die war aber ungeheuer prägend.

@LB: So sollte es sein und so könnte es auch in einer Hochglanz-Kassenbroschüre stehen. Ich fürchte jedoch es geht im Gesundheitswesen doch um Geld, viel Geld. VWL-Grundlagen...ja auch...aber vor allem Essenz des Versuches einer marxistisch-leninistischen Bildung...*lach*
Das mit dem Entwicklungshelfer finde ich gut, ist tatsächlich ein Lebensziel. Und wie Du richtig bemerkt hast, muss das nicht zwangsläufig im Ausland sein.

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 01.05.2014, 20:24

KKA hat geschrieben: Wie, bzw. wovon sollten Geringverdiener und sozial abhängige Menschen ein Saving Account bedienen (können)?
Wer bezahlt z.B. eine Leukämiebehandlung für Kinder,die Krebsbehandlung besagter Geringverdiener, oder Rentner mit niedrigem Einkommen (soll es in Deutschland geben...) die an Demenz leiden?
Wie können psychisch Kranke versorgt werden, wenn nicht aus solidarisch ausgerichteten Systemen?

...

Ein Rückschritt ins Mittelalter!
Poet hat geschrieben: @KKA: Diese Ideen werden auch von diversen Politikern und Unternehmern lanciert, die sich damit eine Absenkung der Lohnnebenkosten und damit eine Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit dt. Firmen erhoffen.
Ja, genau diese Reaktionen sind meiner Meinung nach der Grund, warum sich kein Politiker mit dieser Idee aus der Deckung begibt.

Versucht euch doch mal ohne Denkverbote mit dem Thema Medical saving accounts auseinanderzusetzen. Medical saving accounts bedeuten nicht automatisch, dass die Lohnnebenkosten dadurch abgesenkt werden. Der bisherige sogenannte Arbeitgeberanteil (den der Arbeitnehmer ja doch irgendwie erwirtschaften muss) kann ja in dieses Konto eingezahlt werden. Für Geringverdiener und sozial abhängige Menschen können staatliche Zuschüsse eingezahlt werden. Und eine Leukämie- bzw. Krebserkrankung ist kein Fall für Medical saving accounts, sondern für die Hochrisikoversicherung. Genauso wie die Behandlungskosten, die nicht mehr erbracht werden können, weil das Konto wegen vieler verschiedener Erkrankungen leer ist.
KKA hat geschrieben: Vorsorgeuntersuchungen ade
Warum? In dieser Äußerung offenbart sich m. E. genau das Problem, das wir heute haben. Wenn "DIE" die Vorsorgeuntersuchung bezahlen, lasse ich sie machen. Oder auch nicht, da "DIE" dann ja schließlich für die Behandlungskosten aufkommen. Dass "DIE" aber "ICH" sind, wird leider viel zu oft übersehen. Warum sollte ich die Vorsorgeuntersuchungen plötzlich nicht mehr machen lassen, wenn sie mein persönliches Konto und nicht das der Allgemeinheit belasten? Mein Auto bringe ich doch auch regelmäßig zur Inspektion, um teure Folgekosten zu vermeiden. Und mein Körper soll mir das plötzlich nicht mehr wert sein?
KKA hat geschrieben: und der Patient hat sich gefälligst medizinische Kenntnisse zwecks Beurteilung seiner gesundheitlichen Lage anzueignen
Auch hier wieder die Frage, warum sollte es ihm nur dann wichtig sein, wenn SEIN Konto belastet wird, wenn das Konto der Allgemeinheit dran glauben muss, ist eine Überdiagnostik etc. irrelevant? Genau hier setzt meiner Meinung nach die Steuerungswirkung von MSA an - man merkt plötzlich, dass es um den eigenen Geldbeutel geht und setzt sich kritisch damit auseinander, welche Leistungen notwendig sind und welche nicht. MSA muss ja nicht bedeuten, dass es keine Stelle mehr gibt, die die heutigen Aufgaben der Kassen, des G-BA etc. übernimmt und der Patient alleine auf sich gestellt ist.

KKA
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Beitrag von KKA » 01.05.2014, 22:18

@GKV

Du unterstellst, Gesundheit sei eine rein persönliche Angelegenheit. In Bezug auf Leiden, Behandeln und Genesung ist das sicher korrekt. Volkswirtschaftlich betrachtet nicht. Und an diesem Punkt setzt das Instrument 'GKV' an. Das Solidarprinzip dient letztlich nicht nur der Gesundung des Einzelnen, es berücksichtigt, ich denke nachvollziehbar, volkswirtschaftliche Interessen.

Dem MSA Link sind auch die -im Pamphlet unbeanworteten- Nachteile aufgeführt, ich zitiere:

Der Staat erfährt geringere Steuereinnahmen
durch die steuerbegünstigten MSA

Von den MSA profitieren nur die Reichen und die
Gesunden, und dies vor allem auf Kosten aller anderen.
Solidarität geht verloren.

Durch den Sparanreiz werden notwendige Untersuchungen
(Bsp.: Vorsorgeuntersuchungen) nur
zögerlich gemacht. Die Eintrittswahrscheinlichkeit
für schwere Krankheiten wird erhöht, und somit
auch die Kosten für das Gesundheitswesen
.

Patienten können die Gesundheitsleistungen zu
wenig gut beurteilen. Es entsteht die Gefahr, dass
durch den Wettbewerbsdruck die Qualität zugunsten
tieferer Kosten leidet
.

Administrative Kosten sinken nicht. Es sind neue
Regelungen und Vorschriften im Zusammenhang
mit den Gesundheitskonten nötig.


Die unterstrichenen Passagen legen ich dir ganz besonders ans Herz.

Zitat GKV:
Mein Auto bringe ich doch auch regelmäßig zur Inspektion, um teure Folgekosten zu vermeiden. Und mein Körper soll mir das plötzlich nicht mehr wert sein?

Mit Verlaub, GKV, meiner Meinung nach ein zynischer Vergleich. So, als ob z.B. eine vermutete Herzinsuffizienz mit einem vermuteten Motorschaden im Wettbewerb steht. Ich verstehe deinen Gedankengang, halte ihn aber im Ausdruck für unglücklich.

Ich vermute, meiner Betrachtung, wie das jetzige System finanzierbar bleiben könnte, kannst du nichts abgewinnen. :wink:

Gruss
KKA

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 02.05.2014, 08:15

KKA hat geschrieben: Dem MSA Link sind auch die -im Pamphlet unbeanworteten- Nachteile aufgeführt, ich zitiere:
Wenn du einen Text, der sich sachlich mit MSA beschäftigt, als Pamphlet empfindest, ist jede weitere Diskussion für mich reine Zeitverschwendung.

Poet
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Beitrag von Poet » 02.05.2014, 09:57

@GKV & KKA: Jungs, die Wahrheit könnte in der Mitte liegen. Wieso nicht Elemente aus den MSA übernehmen? Ein Schritt wäre doch schon mal eine Art Kontoauszug: Eingezahlte Arbeitnehmer/eingezahlte Arbeitgeberanteile, Kosten für pauschale Leistungsvergütungen, Kosten für individuelle Leistungen. Beim Kontoauszug der DRV ist es doch auch so, obwohl wir alle wissen, dass wir über die Jahre mitnichten unseren "Kapitalstock" aufgebaut haben der dort ausgewiesen wird. :-)

Und in einer Sache sind wir uns doch auch einig: Es braucht ein Umdenken bei den Schnick-Schnack-Bonusmodellen und bei den Präventionsleistungen. Meine polarisierende Lösung: Wer nicht zu den vorgeschriebenen Präventionsmaßnahmen geht, der zahlt einen höheren individuellen Beitrag.

KKA
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Beitrag von KKA » 02.05.2014, 10:10

GerneKrankenVersichert hat geschrieben:
KKA hat geschrieben: Dem MSA Link sind auch die -im Pamphlet unbeanworteten- Nachteile aufgeführt, ich zitiere:
Wenn du einen Text, der sich sachlich mit MSA beschäftigt, als Pamphlet empfindest, ist jede weitere Diskussion für mich reine Zeitverschwendung.
Warum so dünnhäutig? Vielleicht hätte ich einen anderen Begriff verwenden sollen, aber 'Pamphlet' steht ursprünglich auch für 'wertneutrale Streitschrift' und in diesem Sinne wollte ich das zum Ausdruck bringen.

Gruss
KKA

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 02.05.2014, 11:33

Poet hat geschrieben:Wieso nicht Elemente aus den MSA übernehmen?
Zum Nachdenken genau darüber wollte ich anregen. Dort, wo es sinnvoll ist, MSA, dort wo es notwendig ist, die solidarisch finanzierte Hochrisikoversicherung. Ein Anfang wurde ja mit der Neuregelung des § 62 SGB V versucht, ich bin nur skeptisch, dass der in der Form noch besteht, wenn die nach dem 01.04.1972 Geborenen in das "ich wollte mein Befreiungskärtchen beantragen"-Alter kommen.

@KKA: Ich bin nicht dünnhäutig, nur zeiteffizient :lol: . Die jeweilige Ausgestaltung der MSA macht doch erst die Vor- und Nachteile deutlich. Wenn du jetzt die schweizerischen Planungen als Diskussionsgrundlage ansiehst, driftet die Diskussion in diese Richtung ab, ohne auf die grundsätzliche Frage einzugehen: Soll den Menschen mehr Eigenverantwortung für ihre Krankheitskosten übertragen werden oder nicht? Wenn man der Meinung ist, dass alle Krankheitskosten solidarisch finanziert werden müssen, wird man sich mit MSA niemals anfreunden. Ich will trotzdem kurz auf die Kritikpunkte eingehen:

Der Staat erfährt geringere Steuereinnahmen
durch die steuerbegünstigten MSA

Ist in D irrelevant, da die bisherigen Krankenkassenbeiträge ebenfalls steuerbegünstigt sind.

Von den MSA profitieren nur die Reichen und die
Gesunden, und dies vor allem auf Kosten aller anderen.
Solidarität geht verloren.


Das kommt auf die Ausgestaltung an. Wenn z. B. jeder nach seiner Leistungsfähigkeit einzahlt und der Staat bis zum Betrag x aufstockt, sind die Konten gleich hoch. Und dann muss natürlich definiert werden, welche Leistungen/Erkrankungen in den Bereich Eigenverantwortung/MSA fallen können. Wenn jemand z. B. seine Gesundheit vorsätzlich ruiniert, stellt sich mir die Frage, wer nun auf wessen Kosten Solidarität einfordert. Auch heute schon gibt es Dinge, die die Versicherten in Eigenverantwortung übernehmen müssen, die Brille, die Fahrten zum ambulanten Arztbesuch, oder sollen wie z. B. den Rehasport nach den 50 Einheiten oder Präventionskurse nach dem ersten Kursbesuch. Und gerade bei den Diskussionen über diese beiden Dinge muss ich ganz oft den Kopf schütteln, da kommt dann als Argument die Aussage: "Wenn IHR mir das nicht weiterhin bezahlt, mache ICH eben nichts mehr und dann wird es für EUCH nur teurer, wenn ich deshalb krank werde." Das sind die Situationen, bei denen ich denke, wenn DU für die Folgekosten unmittelbar selbst aufkommen müsstest (mittelbar zahlt man die ja sowieso durch die immer höher werden Krankenkassebeiträge selbst), würdest du das vielleicht anders sehen.

Durch den Sparanreiz werden notwendige Untersuchungen
(Bsp.: Vorsorgeuntersuchungen) nur
zögerlich gemacht. Die Eintrittswahrscheinlichkeit
für schwere Krankheiten wird erhöht, und somit
auch die Kosten für das Gesundheitswesen.


Dem könnte man mit dem Vorschlag von Poet begegnen.

Patienten können die Gesundheitsleistungen zu
wenig gut beurteilen. Es entsteht die Gefahr, dass
durch den Wettbewerbsdruck die Qualität zugunsten
tieferer Kosten leidet.


Hier braucht man den mündigen Patienten, der sowohl von Leistungserbringer- als auch von Kassenseite aufgeklärt wird. Als Beispiel könnte das heutige Verfahren bei IGeL gelten. Und auch heute können die Patienten die Gesundheitsleistungen wenig gut beurteilen und sind davon abhängig, was andere entscheiden. Nur dass sie sich oft der Illusion hingeben "Viel hilft viel" und nicht weiter hinterfragen, ob das verordnete Antibiotikum bei der viralen Infektion überhaupt sinnvoll ist, es sofort eine Knie-OP sein muss oder auch konservative Möglichkeiten zur Verfügung stehen etc. pp. Dass dies für eine höhere Qualität steht, wage ich zu bezweifeln.

Administrative Kosten sinken nicht. Es sind neue
Regelungen und Vorschriften im Zusammenhang
mit den Gesundheitskonten nötig.


Solange die Kostennicht steigen, sehe ich das Problem nicht.

Poet
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Beitrag von Poet » 02.05.2014, 13:37

@GKV & KKA: Es ließen sich auch MSA-Gruppen bilden, zum einen die Gruppe der Leistungen für Krankheiten die solidarisch geschultert wird und zum zweiten die Gruppe der Leistungen, die nicht lebensnotwendig sind. Die zweitere mit einem Budgetdeckel und einer Obergrenze an Einzahlungen versehen. Dann kann jeder überlegen ob er z.B. 1500Euro Rückzahlung über einen Wahltarif aus seinem Budget für individuelle Leistungen verballern will oder sich diese vielleicht für ein schöneres Brillengestell aufheben will.

Nur Ideen...

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 02.05.2014, 16:30

Soll den Menschen mehr Eigenverantwortung für ihre Krankheitskosten übertragen werden oder nicht?
grundsätzlich: ja
wenn aber mit dem Begriff "Eigenverantwortung" gemeint ist, dass die Menschen mehr (selbst) zahlen sollen - nein.
GerneKrankenVersichert hat geschrieben: Wenn jemand z. B. seine Gesundheit vorsätzlich ruiniert, stellt sich mir die Frage, wer nun auf wessen Kosten Solidarität einfordert.
dann stellt sich doch die Frage, wann jemand seine Gesundheit vorsätzlich ruiniert? ich fürchte, da wird eine scharfe Abgrenzung sehr schwer bis unmöglich sein.
Nimm z. B. mal jemanden der raucht und dann an Krebs erkrankt. Mittlerweile ist erwiesen, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist und dass es die Wahrscheinlichkeit von bestimmten Krankheiten wie z. B. Lungenkrebs erhöht. Allerdings gibt es auch Menschen, die nie geraucht haben und trotzdem an Lungenkrebs erkranken. Von daher stelle ich es mir sehr schwer vor, im Einzelfall nachzuweisen, welche Erkrankung Folge einer ungesunden Lebensweise ist, was Folge von z. B. ungesunden Arbeitsbedingungen, was genetisch bedingt oder Folge von irgendwelchen negativen Umwelteinflüssen (z. B. Smog in Städten oder die Nachbarschaft eines AKW) ist und was schlicht und ergreifend schicksalhaft.
was passiert, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen?
wer ist in der Beweispflicht - Kassen oder Versicherte?
GerneKrankenVersichert hat geschrieben: Ein Anfang wurde ja mit der Neuregelung des § 62 SGB V versucht, ich bin nur skeptisch, dass der in der Form noch besteht, wenn die nach dem 01.04.1972 Geborenen in das "ich wollte mein Befreiungskärtchen beantragen"-Alter kommen.
zu den Vorsorgeuntersuchungen: die medizinische Sinnhaftigkeit von Vorsorgeuntersuchungen ist bei weitem nicht so eindeutig, wie immer suggeriert wird. Es gibt bei allen Vorsorgeuntersuchungen falsch-negative und falsch-positive Ergebnisse. Dazu kommen Nebenwirkungen, die es bekanntlich bei allen medizinischen Eingriffen gibt.

bei vielen Vorsorgeuntersuchungen ist bislang auch nicht bewiesen, dass sie tatsächlich dazu führen, Leben zu verlängern.
hier Kritik zu Vorsorgeuntersuchungen
http://www.springermedizin.at/artikel/3 ... rsuchungen
http://www.zeit.de/2004/10/M-Darmkrebs
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagno ... 41067.html

Ich weiß nicht, was richtig ist - aber es scheint nicht ganz so eindeutig zu sein, wie es immer dargestellt wird.

auch der § 62 SGB V verpflichtet keinesfalls zu Vorsorgeuntersuchungen - es reicht auch aus, sich von einem Arzt diesbezüglich beraten zu lassen. Die Entscheidung muss/darf der Versicherte selbst fällen.

ich würde auch nicht das komplette System in Frage bzw. auf den Kopf stellen wollen, sondern es weiterentwickeln, z. B.
- bessere Verknüpfung zwischen dem ambulanten und stationären Bereich, der hausärztlichen und fachachärztlichen Versorung. z. B. durch Einführung einer elektronischen Gesundheitsakte (nach Klärung der datenschutzrechtlichen Fragen) oder durch die Ablösung der Einzelpraxen durch Medizinische Versorgungszentren, in denen Hausärzte, Fachärzte und andere Leistungserbringer interdisziplinär zusammenarbeiten
- mehr Transparenz in der Abrechnung: durch ein Abrechnungssystem, dass einfacher durchschaubar ist, für privat und gesetzlich Versicherte gleich und durch Einführung einer verpflichtenden Patientenquittung
- durch mehr Qualität in der Versorgung: Ärzte und Krankenhäuser müssten hinsichtlich ihrer Arbeit und auch den Ergebnissen stärker überprüft werden - und wenn z. B. auffällt, dass die Ergebnisse (z. B. Mortalität nach OPs) stark voneinander abweichen, sollte nach man nach den Gründen suchen.
- Einführung eines Korruptions-Tatbestands für Ärzte und sonstige Leistungserbringer, um Abrechnungsbetrug zu erschweren und effektiver bekämpfen zu können
- europaweit einheitliche Arzneimittelpreise
- last but not least: durch mehr Investitionen in die Bildung. Es gibt Studien, die nachweisen, dass in einem Gesundheitssystem wie Deutschland Investitionen in Bildung eine stärkere Verbesserung der Gesundheit bringen als Investitionen in das Gesundheitssystem selbst. Möglicher Grund: Menschen mit einem höheren Bildungsstand achten selbst stärker auf eine gesunde Lebensweise wie z. B. ausreichend Bewegung und gesunde Ernährung.

KKA
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Beitrag von KKA » 02.05.2014, 17:34

@ GKV

Den Link habe ich mangels anderslautendem Hinweis - Bezug 'MSA Elemente können in einem neu zu schaffenden System mit einfließen' - zunächst als Diskussionsgrundlage angesehen. Das Schweizer Model, wie im Link beschrieben, beinhaltet eine Reihe in unserer Gesellschaft nicht implementierbarer Elemente.

Davon ausgehend, das Saving Account basiert auf absoluter Freiwilligkeit, läßt erahnen, welche gesellschaftspolitschen Folgen das hätte. Eigenverantwortung ist ein dehnbarer Begriff und wir müssen uns deshalb die Frage stellen, ob die vielen Millionen von Sozialleistungen abhängigen Menschen, zum Teil bildungsfern und themabezogen disziplinlos, nicht das mühsam zusammengesparte neue Auto/ den neuen Fernseher/den Urlaub usw. der Aufstockung ihres MSA bevorzugen. Liberale Denker (NICHT PERSÖNLICH GEMEINT :wink: ) wissen natürlich ob der in jeder Gesellschaft anzutreffenden Gruppe von lobbylosen kranken, labilen, armen Menschen (die es immer gab und geben wird) und wägen sich im moralischen Recht, ihrer schlicht gestrickten Lebenssicht nach dem Motto 'Warum soll ich für DIE bezahlen' zu frönen. Diese Lebenseinstellung wäre durchaus akzeptabel, wenn alle Menschen gleiche Lebensbedingungen erfahren dürften, sprich alle haben den gleichen Bildungsstand, die gleichen Krankheiten und leben ohne Makel. So ist es natürlich nicht, und ich kann mich mit dem Gedanken eines klassifizierten Gesundheitssystem nicht anfreunden, solange die Schwachen, Kranken und Armen in unserer Gesellschaft einer potenziell minderwertigen Versorgung im Krankheitsfall ausgesetzt werden.

Prinzipiell habe ich aber keine Einwände gegen mehr Eigenverantwortung (besser wäre Eigenbeteiligung) für Gesundheitspräventation und Kosten, zumal das jetzige System langfristig und ohne Grundsatzreform nicht finanzierbar bleiben wird. Insofern gibt es auch m.E. tatsächlich Elemente des MSA Systems, welche in einer Neuordnung des Gesundheitswesen einen Platz finden könnten. Poet hat einige, nachvollziehbare Beispiele genannt, die sich noch weitreichend ergänzen ließen.

Kurzfristig wäre es m.E. möglich, die Kosten im Gesundheitswesen um etliche Milliarden zu reduzieren....wenn 'die' Politik es nur wollte.

Gruss
KKA

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 02.05.2014, 18:01

Lady Butterfly hat geschrieben:
Soll den Menschen mehr Eigenverantwortung für ihre Krankheitskosten übertragen werden oder nicht?
grundsätzlich: ja
wenn aber mit dem Begriff "Eigenverantwortung" gemeint ist, dass die Menschen mehr (selbst) zahlen sollen - nein.
Nein, mehr (selbst) zahlen ist nicht damit gemeint, nur das Bewusstmachen, dass es nicht DIE sind, die zahlen, sondern man selbst.

Zu deinen anderen Punkten, auch heute entscheidet der G-BA darüber, was Kassenleistung ist und was nicht. NIcht alle Entscheidungen sind unumstritten, manche an sich sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen werden aus Kosten-Nutzen-Gründen keine Kassenleistung etc. pp. Diskussionen darüber, was wann wie bezahlt wird, müssen im jetztigen und jedem anderen System geführt werden.

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 02.05.2014, 18:40

KKA hat geschrieben: Davon ausgehend, das Saving Account basiert auf absoluter Freiwilligkeit, läßt erahnen, welche gesellschaftspolitschen Folgen das hätte.
Von Freiwilligkeit war nie die Rede und das wird auch nicht funktionieren.
KKA hat geschrieben: Eigenverantwortung ist ein dehnbarer Begriff und wir müssen uns deshalb die Frage stellen, ob die vielen Millionen von Sozialleistungen abhängigen Menschen, zum Teil bildungsfern und themabezogen disziplinlos, nicht das mühsam zusammengesparte neue Auto/ den neuen Fernseher/den Urlaub usw. der Aufstockung ihres MSA bevorzugen. Liberale Denker (NICHT PERSÖNLICH GEMEINT :wink: ) wissen natürlich ob der in jeder Gesellschaft anzutreffenden Gruppe von lobbylosen kranken, labilen, armen Menschen (die es immer gab und geben wird) und wägen sich im moralischen Recht, ihrer schlicht gestrickten Lebenssicht nach dem Motto 'Warum soll ich für DIE bezahlen' zu frönen. Diese Lebenseinstellung wäre durchaus akzeptabel, wenn alle Menschen gleiche Lebensbedingungen erfahren dürften, sprich alle haben den gleichen Bildungsstand, die gleichen Krankheiten und leben ohne Makel. So ist es natürlich nicht, und ich kann mich mit dem Gedanken eines klassifizierten Gesundheitssystem nicht anfreunden, solange die Schwachen, Kranken und Armen in unserer Gesellschaft einer potenziell minderwertigen Versorgung im Krankheitsfall ausgesetzt werden.
Über diesen Absatz bin ich jetzt ziemlich sprachlos. "die vielen Millionen von Sozialleistungen abhängigen Menschen, zum Teil bildungsfern und themabezogen disziplinlos" müssen das nicht bleiben. Der Bildungsferne in Sachen Ernährung wird z. B. bereits heute in Kindergarten und Schule begegnet, die Kassen zahlen Ernährungsberatung, wenn das alles nichts hilft, Elter-Kind-Maßnahmen, in denen das gesunde Kochen gelernt wird usw. usf. Möglichkeiten gibt es mehr als genug, und die sogenannten Bildungsfernen und themabezogen Diziplinlosen können m. E. nicht mit Hinweis auf evtl. schlechtere Startchancen abgehängt werden, so nach dem Motto "du kannst dich ja nicht um deine Gesundheit kümmern, wir zahlen dann lieber, wenn du so richtig krank bist". Man muss den Menschen auch etwas zutrauen und ihnen Chancen bieten, ihre Situation zu verbessern. Dass nicht alle diese Chancen nutzen, sollte uns nicht davon abhalten. Sorry, in der Beziehung bin ich ziemlich empfindlich, mein einer Elter hat sich aus einem bildungsfernen und diziplinlosen Milieu herausgearbeitet, die andere stammt aus einem bildungsnahen, aber armen Haushalt. Für mich zählen deshalb weder Armut noch Bildungsferne als Ausrede, nichts aus seinem Leben zu machen.

Auch im momentanen System sind die Schwachen, Kranken und Armen in unserer Gesellschaft einer potenziell minderwertigen Versorgung im Krankheitsfall ausgesetzt. http://www.mzes.uni-mannheim.de/d7/de/p ... pruchnahme. Von daher bin ich der Ansicht, es soll bei der Aufklärung und Bildung angesetzt werden, statt auf einen formal gleichwertigen Zugang zu Gesundheitsleistungen zu vertrauen, der in Wirklichkeit nicht existiert.

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 02.05.2014, 19:13

GerneKrankenVersichert hat geschrieben:Zu deinen anderen Punkten, auch heute entscheidet der G-BA darüber, was Kassenleistung ist und was nicht. NIcht alle Entscheidungen sind unumstritten, manche an sich sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen werden aus Kosten-Nutzen-Gründen keine Kassenleistung etc. pp. Diskussionen darüber, was wann wie bezahlt wird, müssen im jetztigen und jedem anderen System geführt werden.
die Diskussion über Leistungskürzungen dauert nun schon seit 30 Jahren - und die Kosten konnten dadurch nicht verringert werden

daher meine Vorschläge: Änderungen im System ja, aber nicht so radikal wie du dir das vorstellst.

und noch was: der (Bildungs-)Aufstieg ist heute schwerer als z. B. in den siebzigern Jahren. Bei gleiche Intelligenz, Begabung Leistung etc. hat es ein Kind aus einem Arbeiterhaushalt schwerer aufs Gymnasium zu kommen als ein Kind aus einem Akademiker-Haushalt. Das sind Tatsachen, um die man nicht herumreden sollte.

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