Frage zur Einkommensanfrage der gesetzlichen Krankenvers.

Fragen zu einzelnen Krankenkassen

Moderator: Czauderna

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 11.05.2013, 19:08

Taja wozu brauche ich den den EKStB wennes auch ohne geht im Rahmen der Amtshilfe direkt über das Finanzamt? Übrigens wenn ich mir denn dazu die Rechtsprechung des BSG ansehe ist da ja auch ziemlich eindeutig geregelt, das wenn man sowas nicht vorlegt die Kasse durchaus das Recht den Höchstbeitrag zu veranschlagen oder irre ich mich da?
Die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler", die vom Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) im Oktober 2008 erlassen wurden, sind grundsätzlich nicht zu beanstanden. Das befand das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil v. 19.12.2012 (B 12 KR 20/11 R).
Wenn ich mich nicht ganz irre ist da das SG Berlin auf der weiten Flur mit seiner sicht der Dinge

Rossi
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Beitrag von Rossi » 11.05.2013, 19:34

Nun ja, hast Du an der Sitzung des BSG am 19.12.2012 teilgenommen, Jochen?

Weisst Du worum es dort genau ging?

Ich habe mir es gegönnt und an der Sitzung teilgenommen. Es war sehr nett.

Es ging darum, ob der Spibu überhaupt ermächtigt ist, die Grundsätze zur Beitragsbemessung zu erlassen oder ob der Gesetzgeber ggf. alles selber regeln muss.

Ferner ging es darum, dass der Spibu die einheitlichen Grundsätze zunächst nicht durch den Verwaltungsrat beschlossen hat, dies dann aber nachgeholt hat.

Jenes waren zunächst nur die Formalien. Soweit und sogut.

Dann ging es um noch um die Beitragsbemessung für Sozialhilfeemfänger, die in stationären Heimen leben. Dort hatte der Spibu eine Pauschalregeglung beschlossen. Es sind pauschal das 3,6-fache des Eckregelsatzes zu berücksichtigen. Damit landeten alle Sozialhilfeempfänger in Heimen bei einem Beitrag von ca. 220,00 €.

Und weisst Du was Jochen, genau diese Regelung hat das BSG dem Spibu um die Ohren gehauen. Der Spibu hatte für diese Pauschalierung auch die sog. Investionskosten berücksichtigt! Dies konnte er nicht, somit war die Regelung rechtswidrig.

Jetzt muss sich der Spibu etwas neues einfallen lassen bzw. aushecken. Die Sozialämter warten schon auf saftige Beitragserstattungen.

Es ging dort nicht um die Frage, ob der Spibu ggf. berechtigt ist - ohne einen Nachweis - den Höchstbeitrag zu fordern.

Aber wo kein Kläger, dort ist auch kein Richter.

Aber vielleicht hat Heinrich anderslautende Rechtsprechung. Ich habe erst einmal das SG Berlin und dann auch noch mit Mutwillenskosten.

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 11.05.2013, 19:43

und?

Rossi
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Beitrag von Rossi » 11.05.2013, 19:50

Du bist niedlich, das BSG hat letztendlich nur entschieden, dass der Spibu generell ermächtigt ist, die Beitragsbemessung vorzunehmen.

Ferner hat das BSG entschieden, dass die Beitragsbemessung für die Heimbewohner (Sozialhilfe) rechtswidrig ist. Also schon mal ein Fehler.

Das ist alles.

Über die von mir eingstellte Frage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des SG Berlin, hat das BSG eben nicht entschieden.

Ich habe keinen Kegelclub mit den Richtern vom SG Berlin; ich werfe die Entscheidung nur in die Runde, mehr nicht.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 11.05.2013, 20:42

Hallo,
die Eingangsfrage war doch ob die Kasse berechtigt ist einen Einkommensnachweis zu fordern ??
Wenn ich es richtig verstanden habe meint Rossi "nein", was bedeutet - eine schriftliche Erklärung "Ich habe keine Einkünfte" genügt für die niedrigste Beitragsklasse. Andere, ich auch, meinen, wer in die niedrigste Klasse will, der muss seine nicht vorhandenen Einkünfte nachvollziehbar erklären also auch nachweisen. Ich bin aber auch der Meinung, dass eine Verpflichtung zur Einschaltung des Finanzamtes seitens der Kasse nicht ausgesprochen werden kann.
Gruss
Czauderna

Rossi
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Beitrag von Rossi » 12.05.2013, 01:04

Nun ja, Günther, dies sollte genügen.

In dieser Konstellation reicht - natürlich nach meiner bescheidenen Rechtsauffassung - die Erklärung völlig aus.

Ansonsten möchte ich in der Praxis sehr gern mal sehen, wie der geänderte Beitragsbescheid (Höchstbeitrag) aussieht.

Vor allen Dingen muss der neue Beitragsbescheid natürlich auch eine Rechtsgrundlage enthalten, wonach der bisherige Bescheid aufgehoben wird und mit mal in der Höchstbeitrag gefordert werden kann.

Zur Auswahl stehen hier nachfolgenden Normen:

- § 44 SGB X Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes

- § 45 SGB X eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes

- § 48 SGB X Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse



Diesen Bescheid möchte ich in der Praxis ehrlich gesagt mal sehen, wie er aussieht.

Das SG Berlin hat sich mit dieser Problematik sehr gut beschäftigt und es der Kasse dann auch noch mit Mutwillenskosen belegt.

Unser Jochen postet mal wieder, dass dies wohl alles Schwachsinn ist und das SG Berlin offensichtlich von tuten und blasen natürlich keine Ahnung hat.

Natürlich kann unser Jochen uns hier als Superjurist das Gegenteil beweisen. Er benennt uns erst einnaml die richtige Rechtsnorm (§ 44. 45 oder 48 SGB X) , wonach der bisherige Beitragsbescheid aufgehoben werden kann und ein neuer Beitragsbescheid in dieser Konstellation zu erlassen ist.

@Jochen, ich bin gespannt auf die Auswahl deiner Rechtsnorm!

Bitte nicht einfach einen neuen Beitragsbescheid rausballern, Eine Rechtsnorm ist in der heutigen Zeit sehr wichtig.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 12.05.2013, 10:22

Hallo,
eigentlich war die Frage von Paule schon beantwortet, oder ?
Dann kam die "Rechtsnorm" und es war wie so oft.
Gruss
Czauderna

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 12.05.2013, 11:07

na ja, Rossi, ich will's mal probieren...
§ 240 Abs. 1 SGB V hat geschrieben: Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt.
nun stellt sich doch die Frage, wie hoch ist im Einzelfall die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" des Mitglieds? Um das rauszufinden, muss die Kasse ermitteln.
§ 20 SGB X hat geschrieben:§ 20 Untersuchungsgrundsatz
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
und
§21 SGB X hat geschrieben:(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1. Auskünfte jeder Art einholen,
2. Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3. Urkunden und Akten beiziehen,
4. den Augenschein einnehmen.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.
Die Kasse ist also verpflichtet, den korrekten Sachverhalt - hier die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, insbesondere also das Einkommen - zu ermitteln. Zu den Pflichen der Ermittlung einer Kasse hast du dich ja im Thread zur Familienversicherung selbst geäußert. Sie kann bei diesen Ermittlungen sowohl "Auskünfte jeder Art einholen" sowie auch "Urkunden und Akten beiziehen". Unter "Auskünfte jeder Art" ist in diesem Fall wohl der EInkommensfragebogen zu verstehen, unter "Urkunden und Akten" der Bescheid des Finanzamtes - entweder über die Steuerfestsetzung oder die Nichtveranlagerung. Das Mitglied hat bei dieser Ermittlung mitzuwirken, und muss "insbesondere bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben" - bezogen auf diesen Fall würde ich diese Vorschrift so auslegen, dass eine Verpflichtung besteht, alle Tatsachen zum EInkommen anzugeben (auf dem Fragebogeb) sowie Beweismittel (hier: Bescheid des Finanzamtes") vorzulegen.

jetzt können wir natürlich darüber diskutieren, ob es noch andere Wege gibt, das Einkommen nachzuweisen. Allerdings sind Krankenkassen auch zum wirtschaftlichen Handeln angehalten - und ich bin der Meinung, dass bei einer Einkommensüberprüfung das Anfordern des Einkommensteuerbescheides die einfachste bzw. wirtschaftlichste Möglichkeit ist.

Alternativ könnte man noch an § 23 SGB X denken:
§ 23 SGB X hat geschrieben:§ 23 Glaubhaftmachung, Versicherung an Eides statt
(1) Sieht eine Rechtsvorschrift vor, dass für die Feststellung der erheblichen Tatsachen deren Glaubhaftmachung genügt, kann auch die Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.
(2) Die Behörde darf bei der Ermittlung des Sachverhalts eine Versicherung an Eides statt nur verlangen und abnehmen, wenn die Abnahme der Versicherung über den betreffenden Gegenstand und in dem betreffenden Verfahren durch Gesetz oder Rechtsverordnung vorgesehen und die Behörde durch Rechtsvorschrift für zuständig erklärt worden ist. Eine Versicherung an Eides statt soll nur gefordert werden, wenn andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit nicht vorhanden sind, zu keinem Ergebnis geführt haben oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. Von eidesunfähigen Personen im Sinne des § 393 der Zivilprozessordnung darf eine eidesstattliche Versicherung nicht verlangt werden.
(3) Wird die Versicherung an Eides statt von einer Behörde zur Niederschrift aufgenommen, sind zur Aufnahme nur der Behördenleiter, sein allgemeiner Vertreter sowie Angehörige des öffentlichen Dienstes befugt, welche die Befähigung zum Richteramt haben oder die Voraussetzungen des § 110 Satz 1 des Deutschen Richtergesetzes erfüllen. Andere Angehörige des öffentlichen Dienstes kann der Behördenleiter oder sein allgemeiner Vertreter hierzu allgemein oder im Einzelfall schriftlich ermächtigen.
(4) Die Versicherung besteht darin, dass der Versichernde die Richtigkeit seiner Erklärung über den betreffenden Gegenstand bestätigt und erklärt: "Ich versichere an Eides statt, dass ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe." Bevollmächtigte und Beistände sind berechtigt, an der Aufnahme der Versicherung an Eides statt teilzunehmen.
(5) Vor der Aufnahme der Versicherung an Eides statt ist der Versichernde über die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen eidesstattlichen Versicherung zu belehren. Die Belehrung ist in der Niederschrift zu vermerken.
(6) Die Niederschrift hat ferner die Namen der anwesenden Personen sowie den Ort und den Tag der Niederschrift zu enthalten. Die Niederschrift ist demjenigen, der die eidesstattliche Versicherung abgibt, zur Genehmigung vorzulesen oder auf Verlangen zur Durchsicht vorzulegen. Die erteilte Genehmigung ist zu vermerken und von dem Versichernden zu unterschreiben. Die Niederschrift ist sodann von demjenigen, der die Versicherung an Eides statt aufgenommen hat, sowie von dem Schriftführer zu unterschreiben.
aber auch hier gibt es wieder verschiedene Einschränkungen, u. a. "Eine Versicherung an Eides statt soll nur gefordert werden, wenn andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit nicht vorhanden sind, zu keinem Ergebnis geführt haben oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern." - ich bin aber der Meinung, dass hier noch andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit vorhanden sind....da sind wir wieder beim Finanzamt angelangt - entweder kann die Kasse eine Anfrage beim Mitglied direkt machen oder ein Amtshilfeersuchen nach § 3 SGB X ff. beim zuständigen Finanzamt stellen. Daher habe ich Zweifel, ob diese Vorschrift hier einschlägig ist.

nach Abschluss der Ermittlungen folgt dann § 48 SGB X:
§ 48 SGB X hat geschrieben:§ 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
man kann (oder muss) natürlich ne Anhörung nach § 24 SGB X zwischen die Ermittlungen und den Verwaltungsakt schalten.

Rossi
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Beitrag von Rossi » 12.05.2013, 18:15

Nun ja Lady Butterlfy, das SG Berlin hat in den mir vorliegenden Urteilen (bei Nichtvorlage von Unterlagen), allerdings den § 44 SGB X genommen.

§ 48 SGB X setzt eine wesentliche Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen vor.

Hat sich hier etwas in den tatsächlichen Verhältnissen geändert? Dies würde gelten, wenn er tatsächlich mehr Einnahmen zum Lebensunterhalt hat. Aber dies ist hier offensichtlich nicht so. Es geht um eine Bescheinigung des Finanzamtes.

Liegt eine rechtliche Änderung vor? Hat sich das Recht (SGB V oder die einheitlichen Grundsätze des Spibus) geändert? Ich denke mal nein.

Also hat das SG Berlin den § 44 Abs. 2 SGB X genommen. Es sind sog. nicht begünstigende Verwaltungsakte. Die Nichtbegünstigung dürfte darin bestehen, dass jetzt auf einmal nicht mehr der Mindestbeitrag sondern der Höchstbeitrag gefordert wird.

Ferner hat das SG Berlin festgehalten, dass sich die damalige Kasse mit der Satzungsbestimmung (keine Nachweise / Höchstbeitrag) bewusst über § 240 SGB V hinweggesetzt hat. Satzungsbestimmungen und deren Auslegung haben sich ihrerseits an den in § 240 SGB V bestimmten Grenzen zu halten (BSG 19.12.2000).

Die von der Beklagten festgesetzen Beiträge übersteigen das jeweilige Einkommen der Klägerin. Die für Selbständige gebotene typisierende Betrachtunggsweise, die unter anderem ihren Hintergrund darin hat, dass man die Möglichkeit einer Gegenfinanzierung unterstellt, findet bei der Klägerin (offensichtlich auf Sozialhilfe angewiesen) keine Anwendung.

Und dann landen wir genau bei § 240 Abs. 4 SGB V. In Satz 1 wird eine Mindestgrenze für sonstige Versicherte festgesetzt.

Bei Selbständigen gilt der Höchstbeitrag; allerdings können die Selbständigen ein niedrigeres Einkommen nachweisen, dann geht es runter. Wenn keine Nachweise vorgelegt werden, dann ist vom Wortlaut des Gesetzes der Höchstbeitrag zu zahlen.

Genau diese Konstealltion finde ich in § 240 Abs. 4 SGB V allerdings nicht für die sonstigen Versicherten. Wir finden diese Konstellation dann in den einheitlichen Grundsätzen des Spibus. Hat er damit seine Kompetenzen überschritten? Das SG Berlin hat dies zur Zeiten der Satzungsautonomie der Kassen wohl so ausgelegt. Diese Satzungsautonomie gibt es mittlerweile nicht mehr, denn der Spibu hat diese Aufgabe für ganz Deutschland übernommen. Aber es ändert nichts daran.

Mich machen diese Aussagen (SG Berlin) sehr nachdenklich.

Auf der anderen Seite wird eine Grundsatzdiskussion hier natürlich nichts bringen.

Alle Kassen in Deutschland werden sich hieran natürlich halten.

Interessant ist der Ansatz meines Erachtens jedoch.

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 12.05.2013, 18:37

Mir ist das Urteil des SG Berlin nicht bekannt, daher kann ich mich auch nicht darauf beziehen. Es ist allerdings wahrscheinlich eine Entscheidung einer unteren Instanz zu einem Einzelfall, keine Höchstrichterliche Rechtsprechung von grundsätzlicher Bedeutung.

Mir ist aufgefallen, dass du lediglich auf den letzten von mir genannten Paragrafen eingegangen bist - nicht auf die restlichen Teile der Begründung.

§ 240 SGB V sagt eindeutig, dass bei der Beitragsbelastung die geamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt werden muss. Und der Absatz 4 macht lediglich Aussagen zur Mindestbemessungsgrundlage, nicht aber zur grundsätzlichen Bemessungsgrundlage. Und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist von der Krankenkasse zu ermitteln - nach den Grundsätzen, die ich geschildert habe. Hier ist das Mitglied zur Mitwirkung verpflichtet.

Wenn sich dann im Rahmen dieser Ermittlungen ergibt, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geändert hat, liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor - folglich kann auch der § 48 SGB V angewandt werden.

Wenn die Ermittlungen allerdings ergeben, dass keine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, muss natürlich auch die Beitragsbemessung nicht geändert werden.

wo ist diese Begründung nun falsch?????

Rossi
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Beitrag von Rossi » 12.05.2013, 22:36

Nun ja, Deine Argumentation hinsichtlich des § 48 SGB X bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist natürlich richtig.

Aber im Ausgangsfall ging es darum, was passiert, wenn der Kunde den Nachweis vom Finanzamt (NV-Bescheinigung) nicht vorlegt. Tritt durch die Nichtvorlage automatisch eine Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen zwangsläufig ein, sodass die Änderung über § 48 SGB X erfolgt?

Nein, es tritt keine Änderung - nach meiner bescheidenen Auffassung - ein. Das Gesetz hat sich auch nicht geändert.

Also kann der bisherige Beitragsbescheid (nicht begünstigend) nur über § 44 SGB X aufgehoben und ggf. geändert werden. Ein wenig logisch fand ich die Begründung schon. Auch wenn es nur eine Einzelfallentscheidung war.

Ferner bleibt die spannende Frage übrig, ob der Spibu in diesen Fällen - Nichtvorlage von Unterlagen - berechtigt ist zu regeln, dass der Höchstbeitrag zu zahlen ist.

Bei den Selbständigen hat der Gesetzgeber klipp und klar die Beweislast dem Kunden auferlegt. Dies sollte aus den Sätzen 2 - 5 des § 240 Abs. 4 SGB V hervorgehen. . D.h., wenn keine Unterlagen vorgelegt werden, ist kraft Gesetz der Höchstbeitrag zu zahlen.

Wo haben wir genau diese "geseztliche Regelung" bei den sonstigen Versicherten (keine Unterlagen dann Höchstbeitrag)?

Ich finde diese nicht in § 240 Abs. 4 SGB V, sondern nur in den Beitragsverfahrensgrundsätzen des Spibus. Der Spibu geht dann wohl hin und weicht somit vom Willen des Gesetzgebers ab.

Genau dies hat das SG Berlin sehr eindrucksvoll festgehalten. Auch der Spibu hat sich an die Grenzen des Gesetzes zu halten.
Er kann nicht alles regeln, wie er es gerne haben möchte.


Der Gesetzgeber hat die sog. Umkehrbeweislast nur den Selbständigen auferlegt (keine Unterlagen / Höchstbeitrag) aber nicht den sonstigen Versicherten.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 12.05.2013, 23:12

Hallo,
na ist doch super, da genuegt kuenftig nur der Satz
"ich habe keine Einkuenfte" und schon gibt es die niedrigste Klasse.
Und wenn ich den Gedankengang weiterführe gilt das
dann auch fuer ALG-2, Sozialhilfe und auch, wenn es um die
Befreiung von Zuzahlungen geht oder um die Uebernahme von
Pflegekosten. Wie einfach die Welt sein kann.
Nur der arme Selbstaendige, der muss nachweisen.
Wo ist da die Logik ???
Gruss
Czauderna

Rossi
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Beitrag von Rossi » 12.05.2013, 23:38

Nun ja Günther, wo ist die Logik?

Ich habe den § 240 Abs. 4 SGB V nicht selber erschaffen. Es war der Gesetzgeber.

Auch der Spibu hat sich hieran leider zu halten und die Grenzen zu beachten. Diese Feststellung kommt jetzt nicht von mir persönlich, sondern aus 2 Verfahren aus Berlin im Jahr 2003, in denen der Kasse auch noch Mutwillenskosten auferlegt wurden. Die Kasse hatte auch hier eine entsprechende Satzungsregelung, die vergleichbar mit den Beitragsverfahrensgrundsätzen des Spibus gewesen ist. Hier hatte das SG allerdings eine Hinwegsetzung der gesetzlichen Normen festgestellt.

Aber wir landen mal wieder bei einer Grundsatzdiskussion, die in diesem Forum nicht viel bringt.

Ich selber habe gerade aus diesem Thread auch mal wieder viel gelernt. Beim Spibu sitzen auch nur ganz normale Menschen. Ob die Regelungen des Spibus immer mit der Rechtsordnung im Einklang zu bringen sind, muss natürlich offen bleiben.

Unser Broemmel hat dann noch die Entscheidung des BSG vom 19.12.2012 sehr eindrucksvoll eingstellt. Nun ja, leider hat der Spibu hier auch etwas an die Bummelbacken bekommen. Die Verfahrensgrundätze hinsichtlich der Heimbewohner (3,6 facher Satz) sind auch rechtswidrig. Dies wurde falsch ermittelt.

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 13.05.2013, 07:35

Die Auskunfts- und Mitteilungspflichten freiwilliger Mitglieder oder Personen, die als freiwillige Mitglieder in Betracht kommen, ergibt sich aus § 206 SGB V. Einzelheiten zu den Zeiträumen der Überprüfung der beitragspflichtigen Einnahmen der freiwilligen Mitglieder haben die Spitzenverbände in die Beitragsverfahrensgrundsätze aufgenommen. Eine regelmäßige Überprüfung hat nach § 6 Abs. 2 Satz 2 spätestens 12 Monate nach der letzten Feststellung zu erfolgen. Wird mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen, dass sich die beitragspflichtigen Einnahmen nicht verändern, kann dieser Zeitraum auf bis zu 24 Monate ausgedehnt werden. Die Ausnahmeregelung ist allerdings eng auszulegen. In Betracht kommen Mitglieder, die nur eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, wenn innerhalb des Zeitraums seit der letzten Einkommensüberprüfung keine Rentenanpassung stattgefunden hat. Angesprochen sind ferner minderjährige Kinder ohne eigene Einnahmen (vgl. auch Begründung zu den Grundsätzen, Teil B zu § 6 Abs. 2). Die Spitzenverbände haben in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Mindestinhalte eines Fragebogens zur Feststellung der Beitragspflicht sowie zur Feststellung von Änderungen in den Verhältnissen entwickelt und als Anlage den Beitragsverfahrensgrundsätzen zusammengestellt. Sofern und solange Nachweise auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorgelegt werden, sind für die weitere Beitragsbemessung für den Kalendertag beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Änderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines später vorgelegten Nachweises sind erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats zu berücksichtigen, wenn der Nachweis nach Ablauf eine ach Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Beitragsfestsetzung der Krankenkasse vorgelegt wird (§ 6 Abs. 5 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
Kommentar Sommer zu § 240 S GB V, Hauf SGB online.

In dem Komentar vom Sommer wird ja nocheinmal explezit auf die Mitwirkungspflicht des Mitgliedes eingegangen udn das die Kasse wohl doch sehr wohl verlangen dürfen das das freiwillige Mitglied denn verlangen dürfen. Oder sehen ich da was falsch. Lady Butterfly hat das ja schon recht eindrücklich dargestellt.

Im Einzelfall entscheidet denn nämlich die Kasse wie diese zu händeln ist, da der Spibu da nur die grobe Richtung vorgegeben hat.

Ausserdem es gilt ja die gesamte wirtschaftliche Leistugnsfähigkeit zu berücksichtigen:
RZ 5 Bis zur Einführung des SGB V wurden die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 180 Abs. 4 RVO durch die Einnahmen zum Lebensunterhalt bestimmt. Nunmehr muss nach Satz 2 die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt werden. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss v. 6.12.1988, 2 BvL 18/84, bestätigt. Umgekehrt bedeutet diese Regelung allerdings nicht, dass der Beitragsberechnung automatisch bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt unterstellt werden können, ohne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu prüfen. Hiermit sind vielmehr alle Einnahmen und Geldmittel gemeint, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 225). Daher werden nicht nur Einnahmen, die unmittelbar auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis oder auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind, sowie Arbeitseinkommen bei der Beitragsberechnung berücksichtigt; auch Einnahmen auf Grund betriebsfremder privater Eigenvorsorge gehören zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit i. S. d. Satzes 2. Diesen Grundsatz hat auch das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet (hier: Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bei freiwillig versicherten Rentnern, vgl. BVerfG, Beschluss v. 3.2.1993, 1 BvR 1920/92).
Kommentar Sommer zu § 240 S GB V, Hauf SGB online.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 13.05.2013, 07:38

Hallo Rossi,
das die Verefahrensgrundsätze für Heimbewohner rechtlich nicht haltbar sind, das leuchtet mir ja noch irgendwo ein, aber das ist doch nicht das Problem. Das Problem ist doch, dass es für sonstige freiwillige Versicherte nicht verpflichtend ist irgendwelche Einkommensnachweise der Kasse gegenüber zu erbringen bzw. nachzuweisen, von was sie ihren Lebensunterhalt bestreiten - es genügt im Grunde genommen ein Satz und schon muss die Kasse das bewilligen was man haben will, also die niedrigste Klasse, wogegen der Selbständige, will er nicht den Höchstbeitrag löhnen, diese Nachweise erbringen muss. Aber du hast recht, das ist eine Grundsatzdiskussion. In der Praxis wird das eh flexibel gehandhabt, denke ich.
Gruss
Czauderna

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