Seite 2 von 2
Verfasst: 15.09.2012, 18:48
von Rossi
Rory, gehe einfach hin und übersende der Kasse die Einkommensteuerbescheide und lehne Dich erst einmal zurück.
Ich vertrete hier bekanntlich die sog. Opposition.
Wenn dort dennoch Nachforderungen (weil oberhalb der Mindestbemessungsgrenze) von der Kasse kommen, würde ich dies auch zunächst einmal sehr gelassen sehen.
Es wird schon damit anfangen, dass Du ggf. einfach einen neuen rückwirkenden Einstufungsbescheid bekommen wirst. Irgendwelche Rechtsgrundlagen, wonach der ursprüngliche Bescheid und unter welchen Voraussetzungen des SGB X dieser aufgehoben wird, wirst Du auch nicht finden.
Die meisten Betroffenen fügen sich einfach diesen Bescheiden und löhnen.
Es liegt aber hier ggf. klipp und klar auf der Hand; die Kasse kann dann ggf. die alten Beitragsbescheide nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X aufheben.
Die Möglichkeit (Aufhebung der alten Beitragsbescheide) ist eine Ermessensvorschrift. Ermessen heißt, die Kasse muss nicht aufheben und nachfordern, sie kann es allerdings.
Bei dieser Entscheidung (Ermessen / Kasse kann / Kasse muss nicht) sind die Interessen beiderseitig (Kunde / Kasse) zu berücksichtigen und natürlich in diesem Bescheid zum Ausdruck zu bringen.
Wenn die Kasse einerseits vom Spibu eine klare Vorgabe hat, zum Nachweis bei Mieteinahmen den Steuerbescheid anzufordern, dies aber nicht macht, dann kann anderseits nicht das Nudelholz herausgeholt werden und voll druffgekloppt werden.
Es liegt dabei auf der Hand. Wenn ich als Fachmann im Bereich der GKV einen Fehler mache (ich halte mich nicht an klare Vorgaben welche Nachweise zur fordern sind), dann kann ich mich verstecken und alles auf den Kunden abwälzen. Auch wenn der Kunde hier eine Teilschuld trifft.
Verfasst: 15.09.2012, 19:35
von Rory
Vielen Dank an alle!
Ich werde dem o.g. Weg einschlagen.
Aber ich habe jetzt wenigstens ein paar Argumente, um ggf. zu verhandeln. Ich zahle gerne etwas nach, wenn es begründet ist. Aber ich habe schon einmal eine Falschauskunft bekommen, die später zu meinen Ungunsten war. Die Kasse war dann aber kulant und hat sich an die für mich vorteilhaftere Aussage gehalten.
Nochmals vielen Dank an alle! Und bei Bedarf werde ich mich wieder melden!
Verfasst: 15.09.2012, 19:43
von Swantje B.
Hallo Rory,
bitte sag Bescheid, wie's ausgeht. Zum einen ist das einfach nett denen gegenüber, die hier helfen. Zum anderen hilft das auch späteren Lesern die unterschiedlichen Tipps einzuordnen.
Mein Blick in die Glaskugel (vollkommen ohne Gewähr):
Die Kasse wird den Beitrag für die Zukunft neu berechnen. Dein Monatsbeitrag steigt für die Kranken- und Pflegeversicherung insgesamt um ca. 5,50 € . Eine Nachforderung halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Gruß
Swantje
Verfasst: 15.09.2012, 20:29
von Rossi
Nun ja, Swantje
Du hälst es für unwahrscheinlich, dass die Kasse eine Nachforderung anstellt.
Dies begründest Du mit deinem Blick in die Glaskugel, natürlich ohne Gewähr.
Ich habe persönlich keine Glaskugel, sondern versuche den Sachverhalt unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften zu lösen.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich Kassen, die keine Glaskugel haben. Und Verwaltungsvorschriften, die zu beachten sind, leider auch nicht; ein Orakel, welches man vielleicht auch noch beiziehen könnte, gibt es auch nicht.
Jenes scheint wohl offensichtlich die Vorgehensweise einiger Kassen zu sein (Glaskugel reinschauen / ggf. noch Orakel befragen) und ab geht die Post mit dem Nudelholz.
Materielle Rechtsvorschriften spielen keinen Bagger! Jenes sind dann die Grundzüge des demokratischen Rechtsstaates einer Kasse.
Ich bin ehrlich gesagt mehr als begeistert!
In dieser Konstellation kommt dann das Nudelholz, ohne vorher überhaupt über die gesamte Materie der Verwaltungsvorschriften nachgedacht zu haben.
Glaskugel erklärt
Verfasst: 16.09.2012, 07:36
von Swantje B.
Rossi,
exklusiv für dich die Glaskugel erklärt:
Die Mindestbemessungsgrundlage liegt 2012 bei 875 € im Monat. Damit werden auf's Jahr gerechnet 10.500 € verbeitragt. Richtig wären lt. letztem Steuerbescheid 10.889 €. Damit werden ca. (339 x 14,9% + 339 x 2,2% =) 57,97 € Beiträge jährlich zu wenig eingezogen. Das entspricht monatlich 4,83 €.
Rory hat die jährliche Einkommensanfrage erhalten. Je nach Kassengröße dürfte das gleichzeitig mit ihr einige tausend bis zehntausend andere Versicherte betreffen. Man kann also davon ausgehen, dass der Sachbearbeiter in der Kasse bis unter's Dach voll mit diesen Routineanfragen ist. Wie GKV schon geschrieben hat ist einfach nicht allzuviel Zeit da, sich hier lang und breit mit nicht verbeitragten 340 € auseinanderzusetzen.
Eine rückwirkende Forderung ist - verglichen mit den Routinebescheiden - auf Grund der Verwaltungsvorschriften relativ kompliziert. In der Regel macht man das für solche Peanuts daher nicht.
Allerdings schreibst du selbst, dass eine Forderung sich ggf. an § 45 SGB X messen lassen muss. Für Rory und andere interessierte Laien (hier sind ja nicht nur Sofas) zitiere ich den gerne auszugsweise:
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. [...] Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung [...] erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Rory hat vorsätzlich eine Mieteinnahme verschwiegen, um Kassenbeiträge zu sparen. Wenn ich mir Punkte 1, 2 und 3 aus dem obigen Zitat ansehe, wäre ich an Rorys Stelle vorsichtig mit genau diesem Paragraphen rumzuwedeln.
Und damit sind wir beim eigentlichen Glaskugelgeheimnis. In der Kasse würde ich nicht in die Kugel, sondern ins Gesetz schauen. Und mir Gedanken zur rechtlichen Aufhebungsmöglichkeit und Rückforderungsmöglichkeit machen. Und ein bißchen gesunden Menschenverstand einschalten. Und den Beitrag für die Zukunft neu berechnen und für die Vergangenheit den Deckel drauf machen. Und mich um den nächsten Fall kümmern. Schließlich hätte ich nur einen kommentarlosen Steuerbescheid und kein Geständnis, wie es hier schon im ersten Post steht.
Hier im Forum bleibt das tatsächliche Verhalten von Rorys Kasse aber Spekulation. Glaskugel eben.
Gruß
Swantje
Verfasst: 16.09.2012, 08:57
von GerneKrankenVersichert
Rossi hat geschrieben:Nun ja, Swantje
Du hälst es für unwahrscheinlich, dass die Kasse eine Nachforderung anstellt.
Dies begründest Du mit deinem Blick in die Glaskugel, natürlich ohne Gewähr.
Ich habe persönlich keine Glaskugel, sondern versuche den Sachverhalt unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften zu lösen.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich Kassen, die keine Glaskugel haben. Und Verwaltungsvorschriften, die zu beachten sind, leider auch nicht; ein Orakel, welches man vielleicht auch noch beiziehen könnte, gibt es auch nicht.
Jenes scheint wohl offensichtlich die Vorgehensweise einiger Kassen zu sein (Glaskugel reinschauen / ggf. noch Orakel befragen) und ab geht die Post mit dem Nudelholz.
Materielle Rechtsvorschriften spielen keinen Bagger! Jenes sind dann die Grundzüge des demokratischen Rechtsstaates einer Kasse.
Ich bin ehrlich gesagt mehr als begeistert!
In dieser Konstellation kommt dann das Nudelholz, ohne vorher überhaupt über die gesamte Materie der Verwaltungsvorschriften nachgedacht zu haben.
Was ist eigentlich dein Problem, Rossi? Nach den Erfahrungen der Sofas kommt es eben nicht zum Nudelholz, sondern aus verwaltungsökonomischen Gründen läuft der Fall einfach durch. Gefällt das dir deshalb nicht, weil du dann der Kasse ihren Fehler, in der Vergangenheit keinen Einkommenssteuerbescheid angefordert zu haben, nicht unter die Nase reiben kannst?
Verfasst: 18.09.2012, 21:36
von Rossi
Na ja,
Zitat:
sondern aus verwaltungsökonomischen Gründen
Okay, jenes ist dann wohl das Ermessen, welches in § 45 SGB X zu abzuwägen ist. Man muss ja nicht den Bescheid aufheben.
@Swantje
Meines Erachtens sollte zunächst auf Satz 1 des § 45 SGB X geachtet werden.
Verfasst: 19.09.2012, 10:45
von Swantje B.
Rossi hat geschrieben:@Swantje
Meines Erachtens sollte zunächst auf Satz 1 des § 45 SGB X geachtet werden.
Wo ist das Problem?
§ 45 Satz 1 SGB X:
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Rory hat vorsätzlich Einnahmen verschwiegen. Die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 sind damit erfüllt. Was sollte einer Aufhebung des alten Beitragsbescheids rechtlich im Wege stehen???
Allerdings: Das wird zunehmend eine akademische Grundsatzdiskussion. Im wirklichen Leben wird wegen 4,83 € monatlich wohl niemand auf die Idee kommen, hier ein Faß aufzumachen (Achtung: Glaskugel).
Gruß
Swantje
Verfasst: 19.09.2012, 18:51
von Rossi
Jooh, jenes führt zu einer Grundsatzdiskussion und bringt nix.
Ihr könnt es mir ruhig glauben, auch bei uns werden selbstverständlich Fehler gemacht.
Und wenn dann Fehler sowohl bei der Verwaltung als auch Fehler beim Kunden vorgelegen haben, dann fordern wir in der Regel nicht zurück bzw. erheben keine höheren Kostenbeiträge. Es wird die Interessenlage beider Parteien berücksichtigt und nicht einseitig.
Verfasst: 19.09.2012, 20:07
von Czauderna
Hallo,
nicht ganz so ernst gemeint was jetzt folgt.:
Na das war doch die passende Aussage :" Es wird die Interessenlage beider Parteien berücksichtigt und nicht einseitig."
Das passt als Erklärung immer - wer berücksichtigt was - werden die Entscheidungen gemeinsam getroffen oder gibt es einen "Schlichter" ?
Wenn ich das mal praktisch betrachte - dann habe ich mit dieser Definition so meine Schwierigkeiten. Bekommt der Versicherte sein Recht, dann sind seine Interessen berücksichtigt worden, also einseitig - lehne ich etwas ab, dann sind seine Interessen nicht berücksichtigt worden, also nur die meinigen, bzw. die der Kasse oder des Gesetzgebers, also auch einseitig, also bleibt nur ein Übereinkunft, also jeder gibt etwas zu oder ab, man trifft sich in der Mitte - ergo sind beider Interessen berücksichtigt worden, es war nicht einseitig - es war eben Verhandlungssache. Ich denke, der Satz passt nur zum Gericht, da gehört er auch nach der Logik eher hin.
Wie geschrieben, nicht ganz so bier ernst gemeint.
Gruss Czauderna