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Verfasst: 23.07.2012, 19:24
von Lady Butterfly
wenn ihr jetzt schon die Frage nach Alternativen zur Sozialgerichtsbarkeit stellt, muss euch der Fall wohl ziemlich beeindrucken.
ich stelle die Frage, weil ich wissen will, wo du die Alternativen siehst.

ich lese hier, dass du der Meinung bist, dass Kassen bzw. Kassenmitarbeiter geltendes Recht nicht korrekt ausüben können oder wollen. Auch den Aufsichtsbehörden (Ministerien, BVA) traust du es nicht zu, Recht richtig anzuwenden. Und nun stellst du die Frage, ob Sozialgerichte über Krankengeld entscheiden können.

Da stellt sich mir die Frage, wem du denn zutraust, über Fragen des Krankengeldes zu entscheiden? hast du die alleinige Deutungshoheit? sollen nur Ärzte entscheiden, die zwar die notwendigen medizinischen Fachkenntnisse haben, denen aber die Fachkenntnisse zu juristischen Fragen fehlen? Oder soll jeder Krankengeld bekommen, der es beantragt - ohne weitere Prüfungen?

wenn du jedem, der mit der Bewilligung von Krankengeld betraut ist, die Kompetenz dafür absprichst, dann musst du auch Alternativen benennen.

ich behaupte nicht, dass das deutsche Gesundheitssystem ideal ist. Aber solange du keine bessere Idee hast, schlage ich vor, dass wir es behalten.

Gruß
Lady Butterfly

Verfasst: 23.07.2012, 21:01
von Machts Sinn
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Verfasst: 23.07.2012, 21:43
von Czauderna
Hallo Machts Sinn,
Zustimmung was den Begriff "Sorgfalt" angeht, ansonsten aber Widerspruch.
Du erwartest, dass die Kassen nicht von ihrem Revisionsrecht Gebrauch machen ?? - und die, nur um dem Versicherten keinen "Schock-Schaden" zu zufügen ??. Das funktioniert aber in einer Demokratie nicht. Wenn die Rechtsprechung die Revision zulässt, dann ist es das Recht jeder Prozesspartei, dieses auch auszuüben. "Machenschaften" - das klingt wieder nach "krimineller Vereinigung" und das natürlich wieder purer Unsinn.
Genau so wie die Rechtsanwälte der Versicherten legen auch die Rechtsanwälte der Kassen alle Möglichkeiten so aus, dass ihr Mandant möglichst den Prozess gewinnt, bzw. nicht verliert. Erst wenn es im Ablauf der Gerichtsverfahren eine Änderung gibt, erst dann wird sich u.U. auch etwas am Ablauf insgesamt verändern.
Insofern kann ich natürlich deine "Kritik" an den Gerichten schon verstehen, aber keinesfalls die Schlussfolgerung, dass es nur an den Kassen selbst liegen würde, dass es so viele Prozesse gibt. Man schaue sich nur mal die Prozessflut an zum Thema ALG-2. Es ist auch unbestreitbar, dass gerade die erste Instanz der Sozialgerichte aufgrund der massenhaften Klagen nicht mehr zeitgerecht urteilen kann.
Um noch einmal auf die "Sorgfalt" zu kommen - ja, das ist wohl wahr, der eine oder andere Fall könnte durch mehr "Sorgfalt" seitens der Leistungsträger schon vermieden werden, aber auch hier sollte man mal auf die personellen Strukturen der Träger schauen und sich mal die Fallzahlen insgesamt betrachten oder die nur mal die Steigerung der Leistungsausgaben im Gesundheitswesen. Immer weniger Personal muss immer mehr Arbeit bewältigen. Auf der einen Seite sollen Verwaltungskosten abgebaut werden, auf der anderen Seite aber genügend qualifiziertes Personal immer und zu jeder Zeit vorhanden sein.
Theorie und Praxis - eine Schere, die immer mehr auseinander geht.
Für dieses Forum bedeutet dies nichts, gar nichts - es gibt die rechtskundigen Theoretiker und die Praktiker (natürlich auch mit entsprechenden Rechtskenntnissen), die hier helfen wollen und dies auch tun.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 24.07.2012, 11:13
von vlac
Hallo,

ich hatte mich bereits in einem anderen Thread dazu geäußert, wo jemand anmerkte, dass wenn das so sein solle, wie Macht's Sinn es dort beschrieb, dann ja die Judikative die Exekutive schlagen würde. Ich habe dazu angemerkt, dass das tatsächlich so ist - dass die Judikative die Exekutive schlägt. Hier möchte ich dem gerne anfügen: Deutschland ist ein Rechtsstaat, eben weil die Judikative im Zweifelsfall das letzte Wort, und damit auch die Möglichkeit hat, Handlungen der Exekutive, die Gesetze verletzen, zu korrigieren.

Ist Deutschland aber auch ein sozialer Rechtsstaat? Die Frage ist meiner Ansicht nach schwieriger zu beantworten, weil sie vielschichtig ist.

Die reine, pure, auf das absolute Minimum verknappte Definition des Sozialstaates ist, dass dieser Staat soziale Sicherheit und Gerechtigkeit für die Menschen, die in seinen Grenzen leben, gewährleistet. Es ist wohl unstrittig, dass dies in Deutschland auf viele verschiedene Arten getan wird.

Das Problem ist meiner persönlichen Ansicht nach, die Umsetzung dieses in der Verfassung verankerten Prinzips in ihrer Gesamtheit - an vielen Ecken wird daran gearbeitet, dass der Sozialstaat zum Fall für den Rechtsstaat wird.

Da ist zunächst einmal dieser unglaubliche Berg aus Gesetzen, der kaum noch überschaubar ist, und der wiederum zur Schaffung von Institutionen geführt hat, die diese Gesetze mit Leben erfüllen sollen, Was darin resultiert, dass eine Behörde wie das Bundesversicherungsamt Gesetze interpretiert und damit die Grenze zwischen Exekutive und Judikative aufweicht: Die Rundschreiben des BVA sind keine Verwaltungsvorschriften, sondern veritable juristische Exegesen und Kommentare, die nur deshalb eine gewisse Aura mit sich bringen, weil sie unter behördlichem Siegel übersandt werden. An anderer Stelle hingegen werkeln Institution wie der Gemeinsame Bundesausschuss gleich ganz im stillen Kämmerlein - ohne dass die hier getroffenen Entscheidungen in irgendeiner Form transparent sind.

Womit ich bei den Krankenkassen selbst angekommen bin - ein Konstrukt, dass in seiner aktuellen Form für weitere Probleme sorgt, die dazu führen, dass der Sozialstaat zum Rechtsfall wird.

Die Politik wünscht sich Wettbewerb, sagt das halte die Leistungen gut und die Kosten gering. Das mag so sein; ich weiß es nicht. Aber sicher bin ich mir, dass dieser Wettbewerb dazu geführt hat, dass sich Krankenkassen, also Behörden, wie privatwirtschaftliche Unternehmen gerieren: Was zwangsläufig zu Problemen führt - die Verlockung, bei den Gutverdienern zu klotzen und ansonsten zu sparen, wo es geht, also gerne bei den Alten, den Kranken, aber auch dem eigenen Mitarbeiterstab, ist groß.

Da der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, eine Revisionseinrichtung zu schaffen, die zwischen Sozial- und Rechtsstaat geschaltet ist, sind dies dann zwangsläufig die Gerichte. Die dann wiederum ihre eigenen Gesetzesauslegungen produzieren, die dann wiederum von irgendwem auf ihren Grundsatzcharakter überprüft werden müssen. Um dann in die Arbeit der Krankenkassen einzufließen.

Problem: Es gibt 145 Krankenkassen. In jeder einzelnen davon sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tag für Tag die neueste Gesetzeslage nicht nur kennen, sondern, und das ist das wirkliche Problem, auch verstehen, zumal, dass ist allerdings nur mein laienhafter Eindruck, das Streben nach Wirtschaftlichkeit bei manchen Kassen dazu geführt hat, dass Mitarbeiter beschäftigt werden, die nicht unbedingt über ein besonders großes Fachwissen verfügen. Eine große Krankenkasse kann dies vielleicht noch auffangen (wenn sie das will) - aber bei den kleinen und ganz kleinen Kassen gibt es diese Möglichkeit nicht. Das erzeugt weitere Fehler und weitere Gerichtsverfahren - denn wohin sollen sich die Betroffenen auch sonst wenden.

Wenn man nun berücksichtigt, dass diese Probleme nicht nur im Umfeld der Krankenkassen bestehen, sondern auch im Bereich des ALG II, dann sind lange Verfahrensdauern vor den Gerichten eigentlich nur eine logische Konsequenz. Eine tragische Konsequenz, wie ich persönlich denke.

Tragisch, weil die Fehler in der Umsetzung des Prinzips Sozialstaat dazu führen, dass es immer öfter (die Zahl der Verfahren hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen) auf das Prinzip Rechtsstaat tritt, zumal bei vielen Menschen in Deutschland sich der Automatismus ausgebildet hat, sofort vor Gericht zu ziehen - und dort auf eine Grenze stößt, weil der Rechtsstaat nicht darauf eingestellt ist: Weder personell, noch im Verfahrensrecht.

Das hat für den Bürger ganz konkrete Auswirkungen: Es führt zu langen, oft sehr langen Verfahrensdauern. Was darin resultiert, dass der Bürger, der zum Betroffenen wird, meist nur einen einzigen Schuss hat, bevor er sich geschlagen geben muss.

Denn wer, der Geld braucht, kann Monate, vielleicht Jahre darauf warten, dass das Sozialgericht das Hauptsacheverfahren eröffnet - und dann gar immer weiter, weiter, weiter vor Gericht streiten. Für die meisten ist die Einstweilige Anordnung wohl die letzte Instanz vor dem Absturz: die Miete will jetzt bezahlt werden, und die Kinder wollen auch jetzt essen - und eben nicht erst in 18 Monaten oder so. Wobei ich die 18 Monate gerade erfunden habe.

Das weiß jede Rechtsabteilung, nicht nur bei einer Krankenkasse: Dort sitzen Leute, die dazu ausgebildet sind, zu gewinnen. Man wird dafür bezahlt. Zu Hause sitzt jemand, der in der Zeit nicht bezahlt wird, jedenfalls nicht von der Krankenkasse, wenn es ums krankengeld geht. Sobald die Sache in der Rechtsabteilung gelandet ist, entwickelt eine Sache also eine ganz eigene Dynamik, und man kann als Betroffener nur darauf hoffen, dass der Richter, der den Antrag auf Einstweilige Anordnung auf dem Tisch hat, Verständnis hat - und die Rechtsabteilung der Krankenkasse gerade keine Lust zum Spielen hat. Denn ich habe auch schon gehört, dass Richter EAen mit der Begründung abgelehnt haben, es bestehe keine Dringlichkeit, weil der Kläger ja ALG beantragen könne.

Das waren nur ein paar Anmerkungen, die absolut nicht perfekt sind (und vor allem viel, viel zu lang) - ich bitte um Entschuldigung.

Ist Deutschland ein Sozialstaat - Ja
Ist Deutschland ein Rechtsstaat - Auch Ja.
Ist Deutschland ein sozialer Rechtsstaat - ich denke Nein.

Verfasst: 24.07.2012, 19:42
von Machts Sinn
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Verfasst: 06.09.2012, 11:02
von Machts Sinn
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Verfasst: 07.09.2012, 14:08
von Machts Sinn
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Verfasst: 07.09.2012, 17:08
von Czauderna
Hallo Machts Sinn ,
wenn das ein kurzer Text war, dann will ich
aber keinen langen Text hier lesen.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 07.09.2012, 17:27
von Carola
Ich denke nach einen langen Text den man von Machts Sinn liest,
kann man getrost die Notaufnahme besuchen wegen Unterernährung :-)
lg

Verfasst: 07.09.2012, 17:33
von reallyangry
Hallo MachtsSinn,
wie heißt es so schön:

Wenn du den Sumpf trockenlegen willst, dann darfst du nicht die Frösche fragen.

Deine "Vorlagen" sind super, aber ohne Erklärung für den Laien / vom System angeschmierten nicht nachvollziehbar.

z.B. : Wenn die Kasse mir schreibt:
...zahlen wir Ihnen Krankengeld ab dem xx.xx.xxxx
Ist dieses Schreiben ein Dauerverwaltungsakt bis maximal 78 Wochen (stillschweigend und konkludent)???? der nur beendet werden kann, wenn die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt ist (und es der Aufhebung nicht extra bedarf) oder die 78 Wochen erreicht sind?

Diese Auseinandersetzungen dürfte es doch gar nicht geben, wenn das Schreiben den Sachverhalt (und auch die möglichen Konsequenzen) in "einfachen" Worten erklärt.

z.B. Könnte jedes dieser Krankengeldbescheide den Zusatz haben, dass eine Untersuchung durch den MDK angeordnet werden könnte, wenn Zweifel an der AU Bescheinigung bestünden / oder um den Heilerfolg zu sichern.

Im Moment erhalten die meisten ein Schreiben, welches vorgaukelt, dass man gemäß des sozialen Sicherheitsnetzes im Krankheitsfalle erst einmal aufgefangen wird. Anschließend werden die Knüppel geworfen.

Der Sumpf muss ausgetrocknet werden, aber anscheinend ist das nicht Aufgabe des BSG ist, welches dann tatsächlich "wischi-waschi" redet, anstatt Tacheles zu endscheiden. Die Richter sind doch auch nur Frösche.

Verfasst: 07.09.2012, 18:17
von Machts Sinn
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Verfasst: 07.09.2012, 21:00
von Czauderna
Hallo Machts Sinn,

"Aber beim BSG gibt es noch einige andere Senate und auch einen Großen Senat. Und darüber kommt das Bundesverfassungsgericht ... "

Das sind so Sätze von dir, die richtig gerne mag - denn ohne diesen ganz konkreten Hinweis, dass alles vorangegangene mehr oder weniger nur deine Auffassung und du glaubst oder meinst ausdrückt, ohne den käme man wirklich auf den Gedanken, dass du deine Anwaltskanzlei zumachen musstest und dich nur noch ehrenamtlich im Forum bewegst.
So aber, werden wie immer die Betroffenen überfrachtet mit deinen "Rechtskenntnissen" - wie hat ein anderer User geschrieben "abenteuerlich" ohne Nachweis des Erfolges - aber, wie immer, wenn es doch einige begriffen haben wie reallyangry, in deine Schelte über das BSG. einzustimmen, solange darfst du dich auch bestätigt fühlen.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 08.09.2012, 01:35
von Kernschmelze
Hallo,

meine Erfahrung: MS hilft, GKV-Fraktion versucht zu retten, was zu retten ist.

Gruß, Kernschmelze

Verfasst: 08.09.2012, 11:26
von Czauderna
Hallo Kernschmelze,

da gibt es nichts zu retten !!!
Die "GKV-Fraktion" tritt hier im Gegensatz zu anderen "Fraktionen" nicht an um den Ratsuchenden zu beweisen, dass sie allesamt im Unrecht sind und gefälligst zufrieden sein sollen mit dem was Sie bekommen haben, sondern um Ihnen mit entsprechenden Rat aus der Praxis heraus zu helfen. Die anderen "Fraktionen" treten hier allem Anschein nach an um den Krankenkasse insgesamt zu unterstellen, dass diese vorsätzlich, ja sogar kriminell gegen die Versicherten insgesamt arbeiten würden und benutzen die hier vorgetragen Fälle als Transportmittel ihrer Botschaft. Grund dafür könnten u.a. auch eigene, negative Erfahrungen sein.
Die "GKV-Fraktion" hat hier nichts zu retten, wir bleiben nur standhaft, denn mithin nicht im Sinne des Forenbetreibers kann es sein, wenn sich die "GKV-Fraktion",
ob dieser ständigen Diffamierungen und Unterstellungen einfach hier vom Acker macht und den anderen Fraktionen das Feld überlässt - ich glaube, das wollen nicht einmal die, denn die Ratsuchenden wollen schon, dass Ihnen auch die Menschen helfen, die tagtäglich mit solchen oder ähnlichen Fällen zu tun haben, und nicht nur ausschließlich "kopierte" Gesetze oder Mustertexte, oder was noch schlimmer ist, weil sie es nicht erkennen, selbst verfasste Musterschreiben erhalten, deren Chancen auf Erfolg oftmals hinterfragt werden müssen.
Die GKV-Fraktion hat hier nichts zu retten, weil wir nichts zu verlieren haben.
Gruss
Czauderna

Verfasst: 09.09.2012, 22:27
von reallyangry
Hallo Kernschmelze,
ich sehe das genauso wie du:
Hallo,

meine Erfahrung: MS hilft, GKV-Fraktion versucht zu retten, was zu retten ist.

Gruß, Kernschmelze
Wobei ich nicht alles, was hier an Ratschlägen gegeben wird mit
"Ich glaub' mich tritt ein Pferd" kommentieren muss.
Gruß
ReallyAngry