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Verfasst: 15.05.2012, 21:38
von Rossi
Ach ja, bevor Du jetzt darüber grübelst, was eine unverschuldete verspätete Anzeige zur Versicherungspflicht bedeutet, stelle ich einfach mal die Begründung des Spibus (GR 27.03.2007) hierzu ein.
Der Anwendungsbereich der Regelung erfasst allein Versicherte, die das Vorlie-gen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht unverschuldet („...aus Grün-den, die es [das Mitglied] Anlage 3 nicht zu vertreten hat...“) zu spät anzeigen. Den Nachweis des „Unverschuldetseins“ hat der Versicherte, der sich hierauf beruft, zu führen. Allein der Hinweis auf die Unkenntnis der neuen Regelung oder ein Fehlverhalten, „das nicht durch falsche oder irreführende Auskunft der Krankenkasse verursacht ist“, kann wegen des Grundsatzes der formellen Pub-lizität von Gesetzen (Gesetze gelten mit ihrer Verkündung im maßgeblichen Ge-setz- und Verordnungsblatt als allen Normadressaten bekannt gegeben) nicht als unverschuldet im vorgenannten Sinne gewertet werden.“
Last und least; für roemer70 muss eine Lösung her, die im beiderseitigem Interesse liegt.
Ich persönlich - als Kassenmitarbeiter - hätte hier im Vorfeld schon mal klipp und klar die Ermäßigung auf den sog. Anwartschaftsbeitrag (ca. 45,00 € mtl) vorgenommen.
Tja, ich bin natürlich kein Kassenmitarbeiter.
Verfasst: 15.05.2012, 22:17
von Czauderna
Hallo,
nein, ins grübeln komme ich nicht, allein schon deshalb, weil ich mir nicht vorstellen kann mit einer solchen Sache in der Praxis konfrontiert zu werden,
du kennst doch den Spruch "Wo eine Wille ist, da ist auch ein Gebüsch".
Und ja, das stimmt wohl, du bist kein Kassenmitarbeiter, das ist ja hinreichend bekannt.
Ja, ich bin mal gespannt, wie die Sache hier ausgeht.
Weil du wieder einmal auf die Beratungspflicht hingewiesen hast , hätte die Kasse nicht auch so beraten müssen wie du jetzt geschrieben hast - ich meine, der Vorteil liegt da doch einwandfrei auf der Seite des Versicherten - schließlich könnte er jetzt knapp 4000,00 € sparen - antworten, melden, zahlen -das kostet doch Geld,
so wie du denn Fall siehst ist das Ergebnis doch versichert sein, aber nicht dafür zahlen müssen - ich weiß, eine sehr skurrile Frage - ist mir gerade so eingefallen.
Gruss
Czauderna
Verfasst: 15.05.2012, 22:38
von roemer70
Rossi hat geschrieben:Last und least; für roemer70 muss eine Lösung her, die im beiderseitigem Interesse liegt.
Lieb gemeint, Rossi, aber das Problem dürfte eher sentral haben.
Verfasst: 15.05.2012, 23:08
von Rossi
Okay, es richtet natürlich an den Poster des ursprünglichen Threads. Jenes ist sentral.
Ich will hoffen, dass sich sentral hiergegen wehren wird.
Denn es gibt in diesem Bereich noch nicht viel Rechtsprechung. Die meisten Betroffenen wehren sich einfach dagegen nicht.
Ich persönlich sehe in diesem Einzelfall relativ gute Chancen. Man muss es nur anpacken. Vor Gericht und auf hoher See, weiß man nie wohin die Reise geht.
Es gilt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Verwaltung. Schieße niemals mit Kanonen auf Spatzen, wenn die eigene Weste nicht weiß bzw. sauber ist. Gehe niemals in einem Kampf mit einer Kappe und einer gespiegelten Sonnebrille, in der Hoffnung, dass die Richter der Sozialgerichte meine eigenen Schwächen vielleicht nicht erkennen. Jenes ist ein Pokerspiel.
Jenes ist natürlich nur meine bescheidene Auffassung, mehr nicht nicht.
Verfasst: 15.05.2012, 23:23
von Rossi
Na ja, Günter.
Weil du wieder einmal auf die Beratungspflicht hingewiesen hast , hätte die Kasse nicht auch so beraten müssen wie du jetzt geschrieben hast - ich meine, der Vorteil liegt da doch einwandfrei auf der Seite des Versicherten - schließlich könnte er jetzt knapp 4000,00 € sparen - antworten, melden, zahlen -das kostet doch Geld,
so wie du denn Fall siehst ist das Ergebnis doch versichert sein, aber nicht dafür zahlen müssen - ich weiß, eine sehr skurrile Frage - ist mir gerade so eingefallen.
Lasse doch einfach Deine Bauchgefühle hier völlig aussen vor.
Die Beratungspflicht ist erneut nicht auf meinem Mist gewachsen. Denn diese ist gesetzlich verankert und ein normativer Auftrag an alle Sozialleistungsträger. Die Kassen ist auch ein Sozialleistungsträger, oder!?.
Muss ich Dir jetzt noch verklickern, was passiert, wenn man diesen Auftrag zur Beratung und Aufklärung nicht nachkommt?
Hierfür hat das BSG dann auch noch den Grundsatz des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in der gefestigten Rechtsprechung entwickelt.
Für mich ist eins klar, wenn ich nicht vernünftig berate oder aufkläre, dann kann ich nicht volle Pulle auf den armen Schutzbedürftigen herumprügeln.
Wenn man sich diesen Grundsatz nicht hinter den Ohren geschrieben hat, dann muss man sich nicht wundern, dass man ggf. Gerichts- und Rechtsanwaltskosten zu tragen hat. Das ist alles.
Ferner haut mich Deine nachfolgende Aussage jetzt völlig vom Hocker:
Zitat:
so wie du denn Fall siehst ist das Ergebnis doch versichert sein, aber nicht dafür zahlen müssen - ich weiß, eine sehr skurrile Frage - ist mir gerade so eingefallen.
Aha, zu welchem Ergebnis kommt der Kassendaddy denn hier?
Für mich ist es ziemlich klar, Die Bestimmugen des § 186 Abs. 11 SGB V sind mehr als eindeutig.
Die Kasse muss hier - obwohl versichert - die Beiträge ermäßigen oder
gar erlassen.
Wenn die Beiträge erlassen werden, dann ist man autonamtisch nicht mehr verischert, oder wie?
Lieber Günter, jenes übersteigt derzeit meine Vorstellungskraft.
Verfasst: 16.05.2012, 10:54
von vlac
...
Verfasst: 16.05.2012, 11:18
von broemmel
vlac hat geschrieben:Hallo,
und zunächst einmal guten Morgen. Aus meiner Sicht ist der Fall, den sentral hier präsentiert hat, zu undeutlich, um eine dezidierte Aussage dazu treffen zu können - es sind einfach zu viele Fragen offen: Wie genau sah die Kommunikation zwischen Krankenkasse und Betroffenem aus - was wurde gesagt und geschrieben? Und auch: Wie konnte es dazu kommen, dass der Betroffene bei der Kasse zunächst als Bezieher von ALG I und dann als Bezieher von ALG II geführt wurde? Dies sind Fragen, die, unter anderem, beantwortet werden müssten, um eine rechtliche Bewertung des Falles durchführen zu können, und es sind Fragen, die ein Anwalt klären sollte.
Unterschreibe ich in allen Punkten.
Man sollte sich immer bewusst sein das alles hier im Forum immer nur von einer Seite geschildert wird. Und damit auch immer einseitig.
Man bekommt hier immer nur die Sicht des Betroffenen. Um einen klaren Standpunkt zu vertreten muss man aber immer beide Seiten sehen und alle Informationen vorliegen haben.
Generell kommen hier von einigen immer die Aussagen das da geklagt werden muss und das derjenige selbstverständlich Recht hat. Damit werden Erwartungen und Hoffnungen geschürt die man unter Umständen nicht belegen kann da man nicht alle Fakten kennt.
Ein Richter entscheidet im übrigen auch erst nachdem er von beiden Seiten alle Informationen zum Sachverhalt erhalten hat. Er wertet sie entsprechend den Rechtsgrundlagen und kommt dann im Einzelfall zu einem Ergebnis.
Wenn auch immer wieder Urteile von einem LSG zitiert werden. Eine generell Rechtswirkung entfalten nur BSG Urteile. Sieht man auch daran das durchaus verschiedene LSG zu unterschiedlichen Urteilen kommen (liegt halt daran das Einzelfälle beurteilt werden)
Verfasst: 16.05.2012, 23:21
von Rossi
Jenes hast Du aber jetzt wunderbar ausgdrückt, broemmel
Zitat:
Wenn auch immer wieder Urteile von einem LSG zitiert werden. Eine generell Rechtswirkung entfalten nur BSG Urteile
Aha, ist dies ein Versteckspiel, oder was soll jenes werden?
Bist Du ein Kampfterrier und lässt es immer druff ankommen? Die Hoffnung, dass ein BSG es "vielleicht" anders sehen könnte, stirbt natürlich niemals. Völlig klar.
@vlac, wie sah die Kommunikation zwischen Kasse und Kunde aus?
Relativ einfach:
- zeitnahe Abmeldung (Nov. 2008) Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des ALG I-Bezuges
- zeitnahes Anschreiben der Kasse hinsichtlich der weiteren Versicherung (Änderungsmitteilung / Antrag zur weiteren Versicherung)
- umgehende Antwort des Kunden; nicht versichert, kein Antrag auf ALG II
- Mitgliedschaft zur freiw. Kv. wird eingetragen
- Beitragsbescheide, Mahnungen wurden angeglich versandt, können jedoch nicht nachgewiesen werden
- Stornierung der freiw. Kv. durch Kasse (ohne Rechtsgrundlage) / Kasse weiß selber nicht warum und fragt den Kunden hinsichtlich der Gründe für die Stornierung
- Dornröschenschlaf der Kasse ab Nov. 2008 - Jan. 2012
- Jan. 2012 Mitteilung der Kasse, dass eine Anmeldung im Rahmen des ALG II Bezuges nicht erfolgt ist?????????
- Versicherung ist ungeklärt
- Beitragsbescheid der Kasse über 4.000 Glocken
Warum die Kasse jetzt darum reitet, dass eine Anmeldung im Rahmen des ALG II nicht erfolgt ist, übersteigt derzeit meine Vorstellungskraft. Der Kunde hat in der der Veränderungsmitteilung klipp und klar angegeben, dass er "kein ALG II" beantragen wird.
Wenn die Kasse diesen expliziten Hinweis nicht gelesen oder gar verstanden hat, dann kann man den Spieß nicht einfach lapidar umdrehen.
Es liegt hier auf der Hand. Die Kasse hat offensichtlich von einer Anmeldung im Rahmen des ALG II-Bezuges geträumt. Leider war es anders! Der Kunde hat es sogar nachweislich vorher schriftlich mitgeteilt. Man hat es offensichtlich im hopp, hopp, Schwensgalopp übersehen.
So ist nicht anders die anschließende vermeintliche Stornierung der eingetragenen Mitgliedschaft nach § 9 SGB V zu verstehen. Dabei hat diese Stornierung im Ansatz nocht nicht einmal ein rechtliches Fundament. Die Beendigung einer freiw. Kv. ist in § 191 SGB V geregelt.
Wenn keine Anmeldung vom Jobcenter zur Pflichtversicherung vorliegt, dann endet die freiw. Kv. auch nicht.
Summa, summarum, alles total verworren. Aber die Hardcoreschiene jetzt volle Pulle die Beiträge zu forden, ist - meines Erachtens - völlig überzogen.
Verfasst: 18.05.2012, 09:35
von Sportsfreund
Hi Rossi,
kennst Du den Fall persönlich? Du hast Infos und einen zeitlichen Ablauf, der so aus den Schilderungen des Thread-Erstellers gar nicht hervorgehen.
Aber sei es drum. Dass die Kasse erst jetzt aus dem "Dornröschenschlaf" erwacht ist nicht in Ordnung. Dass sie die Beiträge (zunächst) im Rahmen der Verjährungsfristen geltend macht, ist denke ich verständlich. Sie wird wohl kaum von sich aus Beiträge erlassen, die sie Kraft Amtes für den Gesundheitsfonds einzuziehen hat.
Dass man dann miteinander redet und ein Erlass dann doch eingeräumt werden kann, ist eine andere Frage.
Gruß
Verfasst: 18.05.2012, 09:52
von broemmel
Moin Rossi,
also ich finde ja eher das Du hier als Kampfterrier auftrittst.
Ohne Dinge nachzufragen setzt Du einfach irgend etwas voraus und bestimmst bereits das die Kasse Beiträge zu erlassen hat und tust so als ob ein LSG Urteil die generelle Rechtswirkung entfaltet.
Hier in dem Forum kann man doch nur Empfehlungen geben. Den genauen Sachverhalt kannst Du doch gar nicht kennen.
Wie man aufgrund von Vermutungen und Ahnungen ohne genaue Kenntnis des Sachverhaltes eine so bestimmtes Ergebnis haben kann verstehe ich nun mal nicht. Alles hat zwei Seiten. Und eine Seite wird hier einfach ignoriert. Von meinem Empfinden her fehlt da die Neutralität. Und die sollte man hier doch versuchen zu bewahren.
Verfasst: 18.05.2012, 10:34
von Rossi
Moin broemmel,
ich kenne den Sachverhalt, da sich sentral an mich gewandt hat.
Na ja, was soll ich sagen, es ist alles etwas dumm gelaufen, oder?
Völlig klar ist auch, dass sich die Kassen grundsätzlich an die Verjährungsfristen nach § 25 SGB IV halten müssen. Denn dafür sind diese nun mal geschaffen worden.
Anderseits kommt dann ggf. die Verwirkung, sowie der Erlass bzw. die Ermäßigung nach § 186 Abs. 11 SGB V i. V. m. § 76 SGB IV ins Boot.
Bei der Verwirkung ist natürlich ein strenger Maßstab anzulegen, ansonsten könnte man § 25 SGB IV (Verjährung) in der Regel ersatzlos streichen.
Die Kasse hat sich sogar förmlich entschuldigt, okay, aber dennoch die vollen Beiträge gefordert.
Für mich persönlich - ist nur meine bescheidene Auffassung - wäre zumindest eine Ermäßigung auf den sog. Anwartschaftsbeitrag eine Lösung, die im beiderseitigen Interesse stehen dürfte. Aber hierauf ist die Kasse bislang noch nicht einmal eingegangen.
Verfasst: 18.05.2012, 10:46
von Rossi
Öhm, hier wird ein Aufsatz angeboten.
http://www.wzsdigital.de/ce/kein-gesetz ... etail.html
Kein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz wegen der rückwirkenden Forderung von Versicherungsbeiträgen?
Dr. Manfred Hammel
§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V soll nach den dieser Bestimmung zugrunde liegenden gesetzgeberischen Motiven seit dem 1. April 2007 grundsätzlich einen Krankenversicherungsschutz auch für all diejenigen Personen gewährleisten, welche über keine ausreichende Absicherung gegen die finanziellen Folgen einer Erkrankung verfügen.
Häufig werden aber Antragsteller, die seit Längerem kein Mitglied eines Krankenversicherungsträgers waren, von der gesetzlichen Krankenkasse mit der Forderung nach einer Begleichung rückwirkend geltend gemachter Beiträge als Voraussetzung für eine Wiederaufnahme in die Versichertengemeinschaft konfrontiert.
Es wirft sich hier die Frage nach der Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungspraxis sowie nach sachgerechten Lösungen auf.
Vielleicht steht dort auch etwas hinsichtlich der Ermäßigung (§ 186 Abs. 11 SGB V) drinne.
Verfasst: 18.05.2012, 11:46
von broemmel
Moin Rossi,
wenn sich der Threadersteller an Dich gewandt hat hast Du sicher mehr Informationen als hier ersichtlich. Keine Frage.
Aber auch aus der Sicht des Threaderstellers. Für eine neutrale Bewertung ist doch der gesamte Vorgang nötig. Also auch die Seite der Kasse.
Und darauf zielt meine Einlassung hier ab.
Verfasst: 20.06.2012, 00:32
von Rossi
Man glaubt es kaum, aber die Kasse hat schon mal ein wenig eingelenkt.
Es wurde auch ein Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der aus dem Dornröschenschlaf erwachenden Kasse gestellt.
Zitat der Kasse:
"Vielen Dank für Ihr vorgenanntes Schreiben.
Wir sind dabei, Ihre umfangreichen Einwände zu prüfen.
Die Vollziehung der Beitragsbescheide vom XX.XX.XXXX sowie den Stundungsbescheid vom XX.XX.XXXX setzen wir bis auf weiteres zunächst aus.
Sobald wir Ihre Argumente abschließend geprüft haben, informieren wir Sie.
Mit freundlichen Grüßen"
So etwas habe ich bislang in der Praxis ziemlich selten gehabt.
Wir schauen mal, wohin die Reise geht.
Verfasst: 06.07.2012, 15:36
von Rossi
Ein großes Lob an die Kasse. Es hat nicht lange gedauert, danach kam dies Schreiben.
Vielen Dank für die ausführliche Widerspruchsbegründung vom ....
Wir haben uns eingehend mit Ihren Ausführungen auseinandergesetzt und dabei geprüft, ob die Kriterien für einen Erlass der Beitragsforderung erfüllt sind.
Es freut uns nun, Ihnen mitteilen zu können, dass wir zu dem Entschluss gekommen sind, Ihrem Antrag auf Erlass der Beitragsnachforderung im Rahmen des § 186 Absatz 11 Sozialgesetzbuch V zu entsprechen.
Die von Ihnen bereits gezahlten Beträge aufgrund der Stundungsvereinbarung verlieren mit dieser Entscheidung ihre Gültigkeit. Wir erstatten die bereits gezahlten Beträge umgehend auf das uns bekannte Konto.
Es tut uns leid, dass die Angelegenheit für Sie Unannehmlichkeiten zur Folge hatte. Umso erfreulicher ist sicher nun der für Sie positive Abschluss.
Wir wünschen Ihnen alles Gute und stehen Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.