Wechsel eines Selbständigen in die GKV

Moderator: Czauderna

Antworten
Christian K.
Beiträge: 2
Registriert: 18.11.2018, 17:41

Wechsel eines Selbständigen in die GKV

Beitrag von Christian K. » 19.11.2018, 11:43

Folgender Fall: Ein Selbständiger, 54 Jahre (Vollendung des 55. Lebensjahres Ende 2019), seit 1997 privat krankenversichert (davor als abhängig Beschäftigter in der GKV), hätte die Möglichkeit, zum 01.01.2019 in ein zunächst auf sechs Monate befristetes abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu wechseln. Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um ein Unternehmen, für das der Selbständige bislang beratend tätig war. Das Unternehmen befindet sich in Köln, der Selbständige hat seinen Sitz in Frankfurt a. M. und will im Home Office als Angestellter für seinen neuen Arbeitgeber tätig werden. Das vereinbarte Gehalt würde - hochgerechnet auf 12 Monate - unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze von 60.750 Euro für 2019 bewegen.
Die selbständige Tätigkeit soll nebenberuflich beibehalten werden, jedoch in einem finanziell und zeitlich unbedeutenden Umfang.

1) Wie prüft die gesetzliche Krankenversicherung, ob tatsächlich eine abhängige Beschäftigung vorliegt? Orientiert man sich in erster Linie am geschlossenen Arbeitsvertrag bzw. dem hier vereinbarten Gehalt und der Wochenstundenzahl oder werden weitere Kriterien berücksichtigt? Kann im konkreten Fall die geographische Distanz (Frankfurt-Köln) oder die Tatsache, dass der Betroffene für das Unternehmen zuvor als Selbständiger tätig war, zum Problem werden?

2) Ist damit zu rechnen, dass die Prüfung im geschilderten Fall - Wechsel eines bislang privat versicherten Selbständigen in die GKV kurz vor Erreichen der Altersgrenze von 55 - besonders streng ausfällt? Sind entsprechende Erfahrungen aus der Praxis bekannt?

3) Ist die einmal bestätigte Aufnahme in die GKV verbindlich oder kann die Mitgliedschaft von der jeweiligen Krankenkasse zu einem späteren Zeitpunkt widerrufen werden, weil z.B. bestimmte Aspekte des Falls falsch beurteilt wurden oder neue Aspekte hinzukamen? Kommen solche Fälle häufiger vor oder handelt es sich eher um eine theoretische Möglichkeit?
Innerhalb welcher Frist muss der Widerruf erfolgen oder anders gefragt: Wann besteht für den Betroffenen Rechtssicherheit (Stichwort Vertrauensschutz)?

Danke!

Czauderna
Beiträge: 11322
Registriert: 10.12.2008, 14:25

Re: Wechsel eines Selbständigen in die GKV

Beitrag von Czauderna » 19.11.2018, 21:29

Hallo, und willkommen im Forum.
Christian K. hat geschrieben:Folgender Fall: Ein Selbständiger, 54 Jahre (Vollendung des 55. Lebensjahres Ende 2019), seit 1997 privat krankenversichert (davor als abhängig Beschäftigter in der GKV), hätte die Möglichkeit, zum 01.01.2019 in ein zunächst auf sechs Monate befristetes abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu wechseln. Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um ein Unternehmen, für das der Selbständige bislang beratend tätig war. Das Unternehmen befindet sich in Köln, der Selbständige hat seinen Sitz in Frankfurt a. M. und will im Home Office als Angestellter für seinen neuen Arbeitgeber tätig werden. Das vereinbarte Gehalt würde - hochgerechnet auf 12 Monate - unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze von 60.750 Euro für 2019 bewegen.
Die selbständige Tätigkeit soll nebenberuflich beibehalten werden, jedoch in einem finanziell und zeitlich unbedeutenden Umfang.

1) Wie prüft die gesetzliche Krankenversicherung, ob tatsächlich eine abhängige Beschäftigung vorliegt? Orientiert man sich in erster Linie am geschlossenen Arbeitsvertrag bzw. dem hier vereinbarten Gehalt und der Wochenstundenzahl oder werden weitere Kriterien berücksichtigt? Kann im konkreten Fall die geographische Distanz (Frankfurt-Köln) oder die Tatsache, dass der Betroffene für das Unternehmen zuvor als Selbständiger tätig war, zum Problem werden?
Nun in der Praxis läuft es so, bzw. so kenne ich es aus meiner Praxis. Der Arbeitnehmer sagt seinem Arbeitgeber welcher Krankenkasse er wählen möchte. Dann meldet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer als kranken versicherungspflichtigen Arbeitnehmer an. Die Krankenkasse setzt sdich dann mit dem Arbeitnehmer in Verbindung und bittet ihn einen Aufnahmeantrag auszufüllen. In diesem Antrag wird u.a. auch danach gefragt wo er bisher krankenversichert war und ob er selbständig tätig ist.
Er gibt an, dass er bisher PKV versichert war und dass er neben seiner Arbeitnehmertätigkeit auch nebenberuflich Selbständig sein wird. Dann können folgende Szenarien eintreten - 1.) Es passiert nix - die Krankenkasse versendet die Mitgliedsbescheinigung nach § 175 GB V. an die Kasse und dem neuen Mitglied seine Krankenversichertenkarte - alles in Butter.
2.) die Krankenkasse übersenden dem Antragsteller einen ausführllichen Fragebogen, aufgrund dessen sie bzw. der Rentenversicherungsträger entscheidet ob Arbeitnehmer oder hauptberuflich Selbständig zutrifft.
Es werden eine Menge Fragen gestellt - Knackpunkte sind u.a. die Unternehmensform, z.B. GmbH. ja oder nein - die wöchentliche Arbeitszeit als Selbständiger und natürlich auch das Einkommen und ob Arbeitnehmer beschäftigt werden - wie gesagt, nur Knackpunkte. Ja, und dann siehe oben - Entscheidung der Kasse/Rentenversicherung lautet auf Arbeitnehmer ......... - lautet die Entscheidung allerts auf hauptberuflich Selbständig dann wird es nix mit dem Wechsel in die GKV.


2) Ist damit zu rechnen, dass die Prüfung im geschilderten Fall - Wechsel eines bislang privat versicherten Selbständigen in die GKV kurz vor Erreichen der Altersgrenze von 55 - besonders streng ausfällt? Sind entsprechende Erfahrungen aus der Praxis bekannt?
ja selbstverständlich wird da "genauer" hin geguckt wenn es zur Überprüfung kommt und meiner Meinung nach auch zu Recht.

3) Ist die einmal bestätigte Aufnahme in die GKV verbindlich oder kann die Mitgliedschaft von der jeweiligen Krankenkasse zu einem späteren Zeitpunkt widerrufen werden, weil z.B. bestimmte Aspekte des Falls falsch beurteilt wurden oder neue Aspekte hinzukamen? Kommen solche Fälle häufiger vor oder handelt es sich eher um eine theoretische Möglichkeit?
Innerhalb welcher Frist muss der Widerruf erfolgen oder anders gefragt: Wann besteht für den Betroffenen Rechtssicherheit (Stichwort Vertrauensschutz)?
Ich hatte einen solchen Fall erst einmal in meiner 48 jährigen Praxis, da hatte sich ein Arzt (!!!) die Mitgliedschaft aufgrund falscher Angaben erschlichen und der flog raus, d.h. die Mitgliedschaft wurde storniert damals. Was ich damit sagen will, wenn der Arbeitsvertrag wasserdicht ist, also einer Betriebsprüfung beim Arbeitgeber standhalten wird und wenn seitens des Betroffenen gegenüber der Krankenkasse/Rentenversicherung vorsätzlich keine falschen Angaben gemacht werden oder Angaben verschwiegen werden, dann ist die Sache natürlich auch verbindlich

Danke!
Gruss
Czauderna

Christian K.
Beiträge: 2
Registriert: 18.11.2018, 17:41

Beitrag von Christian K. » 20.11.2018, 12:35

Hallo Czauderna,

vielen Dank für die ausführliche Antwort!

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann werden Krankenkasse bzw. Rentenversicherung insbesondere dann in eine intensivere Prüfung des Falls eintreten, wenn der Wechselwillige in seinem Aufnahmeantrag angibt, neben seiner abhängigen Beschäftigung auch selbständig tätig sein zu wollen. Wird dabei auf einen bestimmten Prognosezeitraum abgestellt? Kommt es allein auf die tatsächlich ausgeübte selbständige Tätigkeit bzw. die damit generierten Einnahmen an oder reicht die bloße Existenz eines Gewerbes aus?

Im Beispielsfall ist der Arbeitsvertrag auf sechs Monate befristet. Ob es danach zu einer Anschlussbeschäftigung kommt, ist offen. Es könnte deshalb sein, dass der Betroffene nach dem Ende der Befristung wieder hauptberuflich selbständig wird, die Versicherungspflicht nach § 5 SGB V also endet und sich eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV anschließt. Sollte er für die Dauer der abhängigen Beschäftigung nicht selbständig im Nebenberuf tätig sein, würde er das Gewerbe in dieser Zeit ruhen lassen, also keine geschäftlichen Aktivitäten entfalten und deshalb auch keine Einnahmen generieren.

Weitere Fragen:

1) In wie viel Prozent der Fälle wird einem bis dahin selbständig tätigen Antragsteller, der aus der PKV in die GKV wechseln will, nach Ihrer langjährigen Erfahrung ein ausführlicher Fragebogen zugeschickt, um den Status zu überprüfen?

2) Wie genau heißt dieser ausführliche Fragebogen, den man ggf. von der GKV übersandt bekommt bzw. ist dieser Fragebogen zur Einsicht etwa im Internet verfügbar?

3) Muss der bislang selbständig Tätige seine Mitgliedschaft in der PKV zunächst kündigen, bevor er einen Antrag auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenkasse seiner Wahl stellen kann, oder ist es umgekehrt (Aufnahmebestätigung durch die GKV als Voraussetzung für die Kündigung der PKV)?

Danke!

Beste Grüße
Chris

Czauderna
Beiträge: 11322
Registriert: 10.12.2008, 14:25

Beitrag von Czauderna » 20.11.2018, 13:13

Christian K. hat geschrieben:Hallo Czauderna,

vielen Dank für die ausführliche Antwort!

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann werden Krankenkasse bzw. Rentenversicherung insbesondere dann in eine intensivere Prüfung des Falls eintreten, wenn der Wechselwillige in seinem Aufnahmeantrag angibt, neben seiner abhängigen Beschäftigung auch selbständig tätig sein zu wollen. Wird dabei auf einen bestimmten Prognosezeitraum abgestellt? Kommt es allein auf die tatsächlich ausgeübte selbständige Tätigkeit bzw. die damit generierten Einnahmen an oder reicht die bloße Existenz eines Gewerbes aus?

Im Beispielsfall ist der Arbeitsvertrag auf sechs Monate befristet. Ob es danach zu einer Anschlussbeschäftigung kommt, ist offen. Es könnte deshalb sein, dass der Betroffene nach dem Ende der Befristung wieder hauptberuflich selbständig wird, die Versicherungspflicht nach § 5 SGB V also endet und sich eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV anschließt. Sollte er für die Dauer der abhängigen Beschäftigung nicht selbständig im Nebenberuf tätig sein, würde er das Gewerbe in dieser Zeit ruhen lassen, also keine geschäftlichen Aktivitäten entfalten und deshalb auch keine Einnahmen generieren.
Ich weiß nicht ob "ruhen" ausreicht für die Kasse, gerade wenn es so offensichtlich ist, dass bei einem befristeten Arbeitsvertrag eigentlich nur ein Weg in die GKV gesucht wird, aber da sollte sich einer der aktiven Experten hier mal dazu äußern.

Weitere Fragen:

1) In wie viel Prozent der Fälle wird einem bis dahin selbständig tätigen Antragsteller, der aus der PKV in die GKV wechseln will, nach Ihrer langjährigen Erfahrung ein ausführlicher Fragebogen zugeschickt, um den Status zu überprüfen?
nach meiner eigenen Erfahrung = 100% , aber das ist mit Sicherheit nicht repräsentativ

2) Wie genau heißt dieser ausführliche Fragebogen, den man ggf. von der GKV übersandt bekommt bzw. ist dieser Fragebogen zur Einsicht etwa im Internet verfügbar?
wie der genau heißt, das liegt an der Kasse und im Internet wird man einen solchen Feststellungsbogen mit Sicherheit nicht finden, jedenfalls habe ich noch keinen gesehen, ausgenommen wenn es sich um eine GmbH handelt - da gibt es einige

3) Muss der bislang selbständig Tätige seine Mitgliedschaft in der PKV zunächst kündigen, bevor er einen Antrag auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenkasse seiner Wahl stellen kann, oder ist es umgekehrt (Aufnahmebestätigung durch die GKV als Voraussetzung für die Kündigung der PKV)?
Wenn er krankenversicherungspfllichtig wird, lässt er sich von der GKV eine entsprechende Bescheinigung für die PKV geben und kann dann seine Mitgliedschaft dort kündigen - meines Wissens nach gelten dann die üblichen Kündigungsfristen dann nicht bei der PKV

Danke!

Beste Grüße
Chris
Gruss
Czauderna

Antworten