umstrittenes Krankengeld - Diskurs zur BSG-Rechtsprechung

Welche Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt?

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KKA
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Beitrag von KKA » 13.05.2015, 18:03

broemmel hat geschrieben: Wir haben ja ein bestimmtes Thema hier.
Interpretationsspielraum gibt es da nicht. Das Datum der AU Feststellung gibt es, der Beginn des KRG Anspruches für diesen AU Zeitraum gibt es und der Abgleich mit dem Versicherungsverhältnis an dem Tag ist auch nicht zu diskutieren.

Wenn Du meinen vorherigen Post gelesen hast dann weisst Du auch das die Versicherten informiert werden.

Und wenn Du wirklich alles in Stein meißeln willst, dann werden die Gesetze wohl noch dicker als jetzt. Ist aber auch nicht Aufgabe des Gesetzgebers jeden Einzelfall genau zu regeln.
Wenn es keine Interpretationsspielräume geben würde, gäbe es auch keine unterschiedlichen Urteile. SG entscheidet mit Urteil A, das LSG hebt dieses Urteil auf und kommt zu einer gänzlich gegenteiligen Auffassung und das BSG entscheidet endgültig. Wie kommst Du da auf den Gedanken, es gibt keine Interpretationsfreiräume?

Und nein, Aufklärung hatte ich nicht! Ich wiederhole, ich bin bei einer durchaus renommierten und gut organisierten Kasse versichert.
Aufklärung meine ich im Sinne von allgemein, z.B. Informationsbrief der Kasse an ihre Versicherten, in dem, einmalig, auf ( 'wichtige') gesetzlich verankerte Begebenheiten hingewiesen wird. Zumindest sollten die lückenlose AUB und die gesetzlich geregelten Zeitrahmen Erwähnung finden.
Niemand könnte demnach behaupten, er wusste nichts über lückenlose AUB und die Folgen für den Versicherten bei Nichteinhaltung.

Im Gegenteil, Broemmel, in Stein gemeißelte Gesetze benötigen i.d.R. weniger Papier als frei interpretierbare, es gibt weniger 'zu interpretieren :-)

Gruß
KKA

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 13.05.2015, 18:25

KKA hat geschrieben: Wenn es keine Interpretationsspielräume geben würde, gäbe es auch keine unterschiedlichen Urteile. SG entscheidet mit Urteil A, das LSG hebt dieses Urteil auf und kommt zu einer gänzlich gegenteiligen Auffassung und das BSG entscheidet endgültig. Wie kommst Du da auf den Gedanken, es gibt keine Interpretationsfreiräume?
Es gibt keine Interpretationsspielräume, sobald es eine höchstrichterliche Rechtssprechung gibt. Die sich durchaus ändern kann, keine Frage. Evtl. auch dadurch, dass SG oder LSG Argumente vorbringen, die das BSG zu einer Änderung veranlassen. Aber bis dahin haben wir eine feste Regel.
KKA hat geschrieben: Und nein, Aufklärung hatte ich nicht! Ich wiederhole, ich bin bei einer durchaus renommierten und gut organisierten Kasse versichert.
Wenn du bei einer Ersatzkasse versichert bist, musste sie dich 2012 nicht informieren, da sie die Lücke überhaupt nicht geprüft hat. Bei anderen Kassen kann es ähnlich gewesen sein, da kenne ich mich nicht aus.

KKA hat geschrieben: Im Gegenteil, Broemmel, in Stein gemeißelte Gesetze benötigen i.d.R. weniger Papier als frei interpretierbare, es gibt weniger 'zu interpretieren :-)
Um mal das Broemmelsche Beispiel heranzuziehen, eine andere Person im Haushalt kann die Haushaltsführung nicht übernehmen. Wir geben uns mit der Erklärung des Versicherten, dass das der Fall ist, zufrieden. Stünden jetzt die Gründe im Gesetz (z. B. Berufstätigkeit, Schulbesuch, Pflege von Angehörigen) wären die Prüfungen aufwändiger (Verwaltungsaufwand!) und andere Gründe könnten nicht angeführt werden. Was wäre dann mit dem lange geplanten Urlaub der volljährigen Tochter? Müsste sie diesen absagen, um ihre kleine Schwester zu betreuen? Wenn die drei genannten Ausnahmegründe in Stein gemeißelt wären, benötigten wir zwar weniger Papier und verschiedene Interpretationen könnten wir uns ebenfalls schenken, aber würde das auch zu einer höheren Gerechtigkeit und weniger Diskussionen führen?

broemmel
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Beitrag von broemmel » 13.05.2015, 18:26

Wenn es keine Interpretationsspielräume geben würde, gäbe es auch keine unterschiedlichen Urteile. SG entscheidet mit Urteil A, das LSG hebt dieses Urteil auf und kommt zu einer gänzlich gegenteiligen Auffassung und das BSG entscheidet endgültig. Wie kommst Du da auf den Gedanken, es gibt keine Interpretationsfreiräume?

Und nein, Aufklärung hatte ich nicht! Ich wiederhole, ich bin bei einer durchaus renommierten und gut organisierten Kasse versichert.
Aufklärung meine ich im Sinne von allgemein, z.B. Informationsbrief der Kasse an ihre Versicherten, in dem, einmalig, auf ( 'wichtige') gesetzlich verankerte Begebenheiten hingewiesen wird. Zumindest sollten die lückenlose AUB und die gesetzlich geregelten Zeitrahmen Erwähnung finden.
Niemand könnte demnach behaupten, er wusste nichts über lückenlose AUB und die Folgen für den Versicherten bei Nichteinhaltung.

Im Gegenteil, Broemmel, in Stein gemeißelte Gesetze benötigen i.d.R. weniger Papier als frei interpretierbare, es gibt weniger 'zu interpretieren

Gruß
KKA
In solchen Fällen entscheidet das BSG nicht den Einzelfall sondern entscheidet grundsätzlich. Und schon ist der Interpretationsspielraum kleiner.

Ich kann nicht für Deine Kasse schreiben. Wenn ich mich recht erinnere war es aber so 2012 als das BVA damit anfing die Kassen massiv anzugehen, um die BSG Rechtsprechung anzuwenden. Ich weiss nicht, wann Deine Kasse die Umsetzung begonnen hat. Vielleicht hätte sie in Deinem Fall 2012 die BSG Regelungen nicht beachtet. Da wäre natürlich auch kein Informationsbedarf vorhanden. (nur eine Möglichkeit. Aber Du hast ja auch spekuliert, oder?)

Darf ich Dich an Mein Beispiel mit der Haushaltshilfe erinnern? Das Gesetz wird definitiv länger. Ansonsten überrasche mich mit einer klaren Formulierung :)

JanneXX
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Beitrag von JanneXX » 13.05.2015, 19:06

Anton Butz hat geschrieben:
JanneXX hat geschrieben: es ist mmn beides wichtig, dass die einen im vorfeld der bsg-krankengeld-falle
durch aufklärung + umfassende beratung ein hineintappen der versicherten zu
verhindern suchen, während die anderen an der gesetzesänderung meißeln.
Einverstanden: solange es die BSG-Krankengeld-Falle gibt bzw. sie angewandt wird.
Allerdings sieht das BSG insoweit keine allgemeine Aufklärungs- und Beratungspflicht.
Mit anderen Worten: lt. BSG wäre es legal, dass Ahnungslose wegen einer banalen
Formalität von ihren Ansprüchen aus dem Zwangsversicherungsverhältnis getrennt
werden.
Schön, dass die Krankenkassen zumindest davon abweichen, also Geld für Aufgaben
ausgeben, die sie gar nicht haben :(

was der 1. senat des bsg bis 31.12.2014 den rechtsunkundigen (pflicht-)versicherten aufbürdete ist skandalös + gehört an/von anderer stelle beurteilt!
kein notarzt, oder selbst mein hausarzt, käme beispielsweise zu mir nach hause, um die weitere AU festzustellen, die zweifellos gegeben und nicht zu bestreiten ist. oder ließe ich mich, von wem auch immer, ins nächste krankenhaus transportieren, um meine weitere AU feststellen zu lassen, zeigten die mir dort nen vogel! das gehört nicht zu deren aufgaben, daher völlig an der realität vorbei, diese quark-rechtsprechung bis ende 2014!
oder dass ich die AU-richtlinien kennen und korrekt interpretieren können soll, was sogar täglich damit konfrontierten nicht immer leicht fällt ...


Anmerkung: Je mehr es die Kassen schaffen, zur aktuellen „Recht“sprechungslage
aufzuklären und zu beraten, um damit zu „überschneidenden“ AU-Bescheinigungen
beizutragen, umso größer wird die Zahl der Opfer nach der beabsichtigten Neuregelung
sein, nachdem die AUB dann nicht mehr „überschneidend“ sein darf, sondern unbedingt
„lückenlos“ anschließen muss.

da schließe ich mich kka´s meinung ein paar posts weiter an: präzise "in Stein gemeißelte Gesetze benötigen i.d.R. weniger Papier als frei interpretierbare, es gibt weniger 'zu interpretieren" und damit weniger opfer und klagen.

Ich halte die gesamte Konstruktion für rechtswidrig, weswegen meine Intention einen
Schritt weiter geht:

rückwirkende Realisierung von geltendem Recht lt. Gesetzeswortlaut und
Gesetzessystematik sowie Ausgleich der durch die BSG-Krankengeld-Falle
verursachten Schäden!
dito, falls ich dich korrekt verstanden habe ("alter" 1. senat, dessen rechtsprechung bis zur ablösung ende 2014 sowie das derzeit noch geltende gesetz)?

Janne

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 13.05.2015, 19:17

Ich sehe das auch so, dass die BSG-Krankengeld-Fallen-Recht"sprechung nichts mit Interpretation
zu tun hat. Derart an der Realität vorbei kommt mit "Quark-Rechtsprechung" noch glimpflich weg.
Ja, Janne, du hast mich richtig verstanden.

Weil diese Formulierung
Anmerkung: Je mehr es die Kassen schaffen, zur aktuellen „Recht“sprechungslage
aufzuklären und zu beraten, um damit zu „überschneidenden“ AU-Bescheinigungen
beizutragen, umso größer wird die Zahl der Opfer nach der beabsichtigten Neuregelung
sein, nachdem die AUB dann nicht mehr „überschneidend“ sein darf, sondern unbedingt
„lückenlos“ anschließen muss.
ziemlich rüde angegriffen wurde, muss das „Horrorszenario“ näher beleuchtet werden. Das passt
jetzt prima zu Interpretationsspielräumen:

Die Formulierung
„Der Anspruch auf Krankengeld bleibt bestehen, wenn nach dem Ende der ärztlich
festgestellten Arbeitsunfähigkeit deren Fortdauer wegen derselben Krankheit am
nächsten Arbeitstag, der ein Werktag ist, ärztlich festgestellt wird.“
bewirkt, dass der Krankengeld-Anspruch in allen anderen Fällen nicht bestehen bleibt. Dies
bedeutet trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit allein aus formalen Gründen:

1. Die Wirkung der sog. „BSG-Krankengeld-Falle“ wird über den bisher betroffenen Personen-
kreis hinaus auf alle Versicherten ausgedehnt und die Zeit der Entgelt-/Leistungsfortzahlung
in den ersten 6 Wochen in den Risiko-Bereich einbezogen.

2. Der Tag des nächsten Arzt-Besuchs wird gesetzlich auf den Werktag nach dem Ende
des AU-Bescheinigungs-Zeitraums vorbestimmt.

3. Außer zu spätem Arzt-Besuch führt auch zu früher Arzt-Besuch zum Verfall des Anspruchs.

4. Bei hinzugetretener allein fortbestehender Krankheit ist der Anspruch ausgeschlossen.

5. Unterlassene Unterscheidung von Feststellung und Bescheinigung der AU wird legalisiert.

Zu 2 und 3. gibt es hier etwa ab Minute 7:00 O-Ton von Prof. Ronald Richter, Vorstand des
Deutschen Sozialgerichtstages e. V. und Vorsitzender der Arge Sozialrecht im DAV
:

http://www.mdr.de/mediathek/fernsehen/video266394.html


billy
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Beitrag von billy » 13.05.2015, 20:31

Zu 1.
Herr Butz, zu diesem Thema gab es bereits einen Thread, in dem Sie sich mit den Gegenargumenten nicht auseinandergesetzt haben, sondern schlichtweg ignorant darüber hinweg gegangen sind. Nach wie vor bestreite ich vehement, dass Ihre These rechtlich haltbar ist. Und noch immer hoffe ich auf eine Begründung, die über das Wort "der" hinaus geht.

Zu 4.
Diese These hätte ich gerne ausführlicher begründet.

Zu. 2 und 3.
Sie haben bisher genau diese These geäußert, ich hielt dies für abwegig. Ich bin mir sicher, dass Sie eine juristische Ausbildung haben, aber da Sie in vielen Dingen aus meiner Sicht völlig daneben liegen mit Ihrer Gesetzesinterpretation, habe ich diese Ihre Auffassung belächelt. Asche über mein Haupt....offenbar ist Ihre These juristisch sogar begründet. Auch aus meiner Sicht geht das nicht! Aber ich bin durchaus optimistisch, dass der Gesetzgeber diesen Fehler noch durch das Wort "spätestens" korrigiert. Tut er dies nicht, dann muss man sich fragen, ob die Absicherung durch KG nicht absichtlich auf dünne Beine gestellt werden soll. Denn wie es im Film richtig gesagt wird.....Krankenkassen könnten dann ja gar nicht anders entscheiden.

Insgesamt möchte ich zum Thema Gesetzesinterpretation aber mal provokant fragen: kennt jemand irgendein ein Gesetz, dass nicht interpretierbar ist? Selbst im Strafrecht kommt es bei identischen Straftaten zu unterschiedlichen Strafmaßen. Und diese beruhen doch in erster Linie auch auf Interpretationen und unterschiedlichen Bewertungen.

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 13.05.2015, 22:28

Hallo billy,

zu 1. und 4.: Dies ergibt sich (für mich) aus der mit dem Gesetz-Entwurf
vorgesehenen Formulierung und dem bereits dargestellten Umkehrschluss.
Wenn Sie sicher sind, dass dem nicht so ist: ich hänge da nicht dran und muss
bzw. könnte Sie ohnehin nicht überzeugen. Aber vielleicht hat der Autor des Films
auch nach diesen Punkten gefragt und dazu noch Antworten im „Kasten“ ... ?

Sind wir wenigstens darin einig, dass die Gefahr bestehen könnte – rein theoretisch?
Zu 4. wird meine Auffassung von verschiedenen Sachverständigen-Stellungnahmen
geteilt:
http://www.bundestag.de/bundestag/aussc ... vsg/365318

Dass der vorgeschlagene Gesetzes-Text noch korrigiert wird, erscheint auch mir sehr
wahrscheinlich. Und wir sind offenbar ebenso über die Frage einig, „ob die Absicherung
durch KG absichtlich auf dünne Beine gestellt“ ist / werden soll wie über die Tatsache,
dass Gesetze interpretiert werden müssen.

Wo sich unsere Meinungen unterscheiden, ist der Punkt, dass die BSG-Krankengeld-
Fallen-„Recht“sprechung nichts mit ernsthafter Gesetzes-Interpretation zu tun hat –
ebensowenig die Papageien-„Recht“sprechung der Instanzgerichte.

KKA
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Beitrag von KKA » 13.05.2015, 23:53

broemmel hat geschrieben:
Darf ich Dich an Mein Beispiel mit der Haushaltshilfe erinnern?
Zunächst, wenn das SG Urteil A fällt, dieses vom LSG verworfen wird und urteilt B, reflektiert das keine Interpretationsfreiräume? Wie ist das zu umschreiben?

Wo finde ich Dein Beispiel 'Haushaltshilfe'?


Gruß
KKA

broemmel
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Beitrag von broemmel » 14.05.2015, 00:00

In Gesetzgebungsverfahren sind ganz viele Organisationen beteiligt. Aber wenn Du alles genau regeln willst. Nehmen wir die Haushaltshilfe. Voraussetzung ist: eine andere im Haushalt lebende Person kann diese nicht durchführen (neben anderen Voraussetzungen).

Also muss nach Deiner Aussage nun der Gesetzgeber genau definieren unter welchen Voraussetzungen die Übernahme des Haushaltes anderen Personen möglich ist. Tja. Na dann viel Spaß, wenn Du alle Eventualitäten in ein Gesetz pressen möchtest. Denn es gibt eine Vielzahl von Konstellationen in den privaten Haushalten.
Da ist das Beispiel Haushaltshilfe.

Zu dem Thema Unterschiedliche Entscheidungen SG und LSG hat GKV ja schon Stellung genommen. Der schliesse ich mich voll und ganz an.

Da spielt auch die Rangfolge der Gerichte eine Rolle. SG, LSG, BSG. Das ist die Reihenfolge. von unten nach oben.

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 14.05.2015, 07:48

Hallo KKA und Broemmel,

am Beispiel "Haushaltshilfe" dürfte die hier diskutierte Problematik der
BSG-Krankengeld-Fallen-"Recht"sprechung kaum deutlicher werden als
unmittelbar am Krankengeld.

Gesetzes-Interpretation, die den Gesetzes-Wortlaut sowie die -Systematik
übergeht und zu Sinn & Zweck sowie sowie zum Willen des (historischen)
Gesetzgebers an den Haaren herbeigezogene Argumente präsentiert, ist
gar keine Gesetzes-Interpretation, sondern fadenscheinige Konstruktion -
aus welchen Gründen auch immer.

Schönen Gruß!
Anton Butz

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 14.05.2015, 12:02

Auch wenn ich eigentlich nicht mehr antworten möchte, da Argumente bei AB sowieso nicht ankommen, so kann ich doch nicht einfach stehen lassen, was hier so gepostet wird und zur Verunsicherung von kranken Menschen beiträgt.

Zunächst Grundsätzliches:

Hier wird es immer so dargestellt, als könne ein Arzt nur bis zum nächsten Arztbesuch krankschreiben und wer dann diesen einen Termin verpasst, der steht ohne Krankengeldanspruch da. Es gibt es zwei verschiedene Konstellationen:

Der Arzt befristet die Arbeitsunfähigkeit bis zum nächsten Arztbesuch, da er sie nicht länger beurteilen kann. In dem Fall muss der Versicherte rechtzeitig zum Arzt, um die weitere Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Meiner Meinung nach wäre eine sachgerechte Lösung die von KKA vorgeschlagene, der Arzt kann eine gewisse Anzahl von Tagen (z. B. a nalog der 2 Tage der AU-Richtlinien) rückwirkend die Arbeitsunfähigkeit feststellen. Damit wäre die Sache erledigt. In diese Richtung geht ja auch die Gesetzesänderung, allerdings bezieht sie sich nur auf das Wochenende.

Der Arzt befristet die Arbeitsunfähigkeit ohne weiteres Nachdenken bis zum nächsten Arztbesuch, obwohl er der Ansicht ist, der Versicherte sei länger arbeitsunfähig (z. B. Ca-Erkrankung mit Chemotherapie). In dem Fall könnte er die Arbeitsunfähigkeit z. B. bis zum Ende der Chemotherapie befristen, Auszahlscheine aber im vom Patienten gewünschten Rhythmus ausstellen. Die Gefahr der "Krankengeld-Falle" wäre gebannt. In der Praxis geschieht dies öfter, als es die in Foren geschilderten Fälle vermuten lassen, da dann ja das Krankengeld gezahlt wird, auch wenn jemand mal einen Termin beim Arzt verpassen sollte.

Und jetzt zum Verunsicherungs-Anton:

Erstmal reden wir hier über eine Gesetzesvorlage, welches Gesetz mit welchen Folgen erlassen wird, weiß niemand. Deshalb kann auch niemand behaupten, dass dies und jenes so passieren wird. Trotzdem zu den Behauptungen des AB:
Anton Butz hat geschrieben: 1. Die Wirkung der sog. „BSG-Krankengeld-Falle“ wird über den bisher betroffenen Personen-
kreis hinaus auf alle Versicherten ausgedehnt und die Zeit der Entgelt-/Leistungsfortzahlung
in den ersten 6 Wochen in den Risiko-Bereich einbezogen.
Haben wir wie von billy angemerkt bereits ausführlich diskutiert, Belege für diese Behauptung bist du nach wie vor schuldig.

Anton Butz hat geschrieben: 2. Der Tag des nächsten Arzt-Besuchs wird gesetzlich auf den Werktag nach dem Ende
des AU-Bescheinigungs-Zeitraums vorbestimmt.
Um die Arbeitsunfähigkeit zu verlängern. Die Regelungen, wann ein neuer Bewilligungsabschnitt entsteht und unter welchen Voraussetzungen ein neuer Anspruch entsteht, ändert sich außer dem Wegfall des Karenztages nichts. Deshalb ist auch diese Aussage Nonsens
Anton Butz hat geschrieben: 3. Außer zu spätem Arzt-Besuch führt auch zu früher Arzt-Besuch zum Verfall des Anspruchs.
Die als Beleg hinzugezogene Aussage des Professors bezieht sich alleine auf den geplanten neuen Satz.. Zum wiederholten Mal die Unterschiede:

Jetztige Fassung:
§ 46
Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht
1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an,
2. im übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.
https://dejure.org/gesetze/SGB_V/46.html

Geplante Änderung, vorab noch das vom Paragraphen, was bestehen bleibt:
46
Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht
15. § 46 wird wie folgt geändert:
a) Satz 1 Nummer 2 wird wie folgt gefasst:
„2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
an.“
b) Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
„Der Anspruch auf Krankengeld bleibt bestehen, wenn nach dem Ende der ärzt-
lich festgestellten Arbeitsunfähigkeit deren Fortdauer wegen derselben Krankheit
am nächsten Arbeitstag, der ein Werktag ist, ärztlich festgestellt wird.“
http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateie ... rf_VSG.pdf

Der Professor bezieht sich alleine auf den zweiten Satz, den man seiner Meinung nach ersatzlos streichen solle. Und was hätten wir dann? Die bisherige Regelung mit dem Beginn des Anspruchs auf Krankengeld (ab Tag der ärztlichen Feststellung statt ab dem Folgetag) und dem Ende mit Datum der ärztlichen Feststellung (durch Rechtssprechung entwickelt, wird durch das Gesetz nicht geändert). Und dem Beginn eines neuen Anspruchs, wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Die berühmte abschnittsweise Bewilligung.

Dieser zweite Satz ist nur dann von Bedeutung, wenn es um die Verlängerung des Anspruchs geht. Und dann sind diese starren Termine wichtig und einzuhalten. In dem Fall verlängert sich der Bewilligungsabschnitt bis zum nächsten Arbeits-/Werktag, obwohl die Arbeitsunfähigkeit nur bis zum Tag vor dem Wochenende/Feiertag bescheinigt war. Ein "zu früher" Arztbesuch verlängert nicht den Krankengeldanspruch im Sinne des Satzes 2, es beginnt jedoch ein neuer Anspruch im Sinne des Satzes 1. In jedem Fall und bei jedem Versicherten aufgrund des § 192 SGB V.

Wenn ich natürlich die Rechtssprechung der abschnittsweisen Bewilligung nicht akzeptiere und der Ansicht bin, dass es nur EINEN Krankengeldanspruch gibt, der verlängert wird oder nicht, kann ich zu deinen Schlussfolgerungen gelangen. Also, wenn das BSG seine Rechtssprechung ändern sollte, stimme ich dir zu. Aber bis dahin nicht.
Anton Butz hat geschrieben: 4. Bei hinzugetretener allein fortbestehender Krankheit ist der Anspruch ausgeschlossen.
Auch hier bleibst du mal wieder einen Belegt schuldig. In welcher der vielen Stellungnahmen finde ich wo diese Aussage?
Anton Butz hat geschrieben: 5. Unterlassene Unterscheidung von Feststellung und Bescheinigung der AU wird legalisiert.
Auch dieses Thema hatten wir bereits ausführlich. Kein Beleg bisher.

billy
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Beitrag von billy » 14.05.2015, 13:01

Nachdem die Aussage von AB und dem Tenor des Films gesackt ist, versuche ich mal ein Beispiel:

AU bis 03.05. wegen Rücken
Folge-AU am 04.05. wegen Psycho

Würde nach dem strengen Wortlaut der geplanten gesetzlichen Regelung, der Aussage von AB und dem Film bedeuten, dass am 03.05. der KG-Anspruch wegen Rücken und die Mitgliedschaft nach 192 SGB V endet.....ab 04.05. neue Krankheit wegen Psycho, neue Beurteilung.....ergo, kein KG- Anspruch.

Denkfehler?? (hoffe ich.....)

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 14.05.2015, 15:06

billy hat geschrieben:Nachdem die Aussage von AB und dem Tenor des Films gesackt ist, versuche ich mal ein Beispiel:

AU bis 03.05. wegen Rücken
Folge-AU am 04.05. wegen Psycho

Würde nach dem strengen Wortlaut der geplanten gesetzlichen Regelung, der Aussage von AB und dem Film bedeuten, dass am 03.05. der KG-Anspruch wegen Rücken und die Mitgliedschaft nach 192 SGB V endet.....ab 04.05. neue Krankheit wegen Psycho, neue Beurteilung.....ergo, kein KG- Anspruch.

Denkfehler?? (hoffe ich.....)
In dem Fall handelt es sich nicht um den klassischen Hinzutritt, sondern um eine neue Erkrankung. Bei dieser Konstellation (kein ursächlicher Zusammenhang, sondern tatsächlich zwei verschiedene Krankheitsfälle vorausgesetzt) besteht m. E. sowohl nach altem als auch nach geplantem neuen Recht kein Anspruch auf Krankengeld, wenn kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld vorhanden ist. In dem Fall müsste der Arzt meiner Meinung nach sowieso eine Erst- und keine Folgebescheinigung ausstellen (§ 5 Abs. 2 Satz 5 AU-RL) https://www.g-ba.de/downloads/62-492-81 ... -11-14.pdf.

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 14.05.2015, 18:36

GerneKrankenVersichert hat geschrieben: Dieser zweite Satz ist nur dann von Bedeutung, wenn es um die Verlängerung
des Anspruchs geht. Und dann sind diese starren Termine wichtig und einzu-
halten. In dem Fall verlängert sich der Bewilligungsabschnitt bis zum nächsten
Arbeits-/Werktag, obwohl die Arbeitsunfähigkeit nur bis zum Tag vor dem
Wochenende/Feiertag bescheinigt war. Ein "zu früher" Arztbesuch verlängert
nicht den Krankengeldanspruch im Sinne des Satzes 2, es beginnt jedoch ein
neuer Anspruch im Sinne des Satzes 1.
In jedem Fall und bei jedem Versicher-
ten aufgrund des § 192 SGB V.
Zunächst eine Frage: ist dies von dir oder gibt es dafür einen "Beleg"?

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 14.05.2015, 18:54

Anton Butz hat geschrieben:
GerneKrankenVersichert hat geschrieben: Dieser zweite Satz ist nur dann von Bedeutung, wenn es um die Verlängerung
des Anspruchs geht. Und dann sind diese starren Termine wichtig und einzu-
halten. In dem Fall verlängert sich der Bewilligungsabschnitt bis zum nächsten
Arbeits-/Werktag, obwohl die Arbeitsunfähigkeit nur bis zum Tag vor dem
Wochenende/Feiertag bescheinigt war. Ein "zu früher" Arztbesuch verlängert
nicht den Krankengeldanspruch im Sinne des Satzes 2, es beginnt jedoch ein
neuer Anspruch im Sinne des Satzes 1.
In jedem Fall und bei jedem Versicher-
ten aufgrund des § 192 SGB V.
Zunächst eine Frage: ist dies von dir oder gibt es dafür einen "Beleg"?
Der Beleg ist die geltende Rechtssprechung des BSG zur abschnittsweisen Bewilligung des Krankengeldes und dass an den Rechtsgrundlagen, die zu dieser Rechtssprechung führen, bis auf die Abschaffung des Karenztages keine Änderungen vorgesehen sind.

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... n&nr=13755

http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateie ... rf_VSG.pdf

Auch der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass weiterhin die Voraussetzungen im Sinne der abschnittsweisen Bewilligung gelten. Deshalb schlägt er in seiner Stellungnahme vor, dies im zweiten Satz mit "jeweils" zu präzisieren.

http://www.bundestag.de/bundestag/aussc ... vsg/365318

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