ohne zeitliche Begrenzung, 78 Wochen, oder was?

Informationen und Fragen zum Krankengeld

Moderator: Czauderna

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ippuj
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ohne zeitliche Begrenzung, 78 Wochen, oder was?

Beitrag von ippuj » 25.06.2014, 16:05

Ich hatte gerade eine angeregte Unterhaltung mit einer Krankenkassenmitarbeiterin über den folgenden Absatz in einem Schreiben an den Arbeitgeber über das Ende des Krankengeldbezugs:

"Versicherte erhalten von uns grundsätzlich Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung. Für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit zahlen wir das Krankengeld für insgesamt 78 Wochen. Im Falle von XXX endet dieser Zeitraum am XXX."

Hierzu meine Gedanken als "normal" denkender Versicherter:

Es gibt sehr wohl eine zeitliche Begrenzung beim Krankengeldbezug, auf die man hier freundlicherweise im zweiten Satz hinweist. Satz 1 ist also unzutreffend.

Der Anspruch auf Krankengeld besteht für maximal 78 Wochen, wovon jedoch die 6 Wochen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber abgezogen werden, bzw. während dieser 6 Wochen ruht der Anspruch. Also ist auch Satz 2 unzutreffend.

Da ist es nicht verwunderlich, daß es im Bereich des Krankengelds (wie hier sehr häufig zu lesen) Probleme gibt.

Was sagen denn die Fachleute hier dazu?

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 25.06.2014, 18:14

das ist der Gesetzestext....
Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert.
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__48.html

...und bei solchen "Bescheiden" der Krankenkasse ist es immer eine Gradwanderung zwischen Verständlichkeit und den gesetzlichen Anforderungen.

Poet
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Beitrag von Poet » 25.06.2014, 19:10

@ippuj: Um ganz exakt zu antworten müsste die Kasse noch viel weiter ausführen...Lohnfortzahlungsgesetz...Verdienstausfall/Bereicherungsverbot...Brutto/Netto-KRG...3Jahres-Frist usw. Das versteht dann wirklich kein Versicherter oder Arbeitgeber.

Die Aussage ist dennoch richtig, wie so oft hängen daran einige Bedingungen.

ippuj
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Beitrag von ippuj » 26.06.2014, 10:28

Genau darum geht es mir. Der Gesetzestext bringt es vernünftigerweise in einem Satz unter und ist damit zwar unerfreulich lang aber zumindest zutreffender als die zwei Sätze der Krankenkasse.

Aber auch der Gesetzestext ist wieder falsch, weil hier nicht erwähnt wird, daß es nur um den Krankengeldanspruch geht, wenn von 78 Wochen die Rede ist. Ebenso wird verschwiegen, daß die Krankenkassen erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu zählen beginnen, das steht dann wieder woanders.

Ich wiederhole mich: Kein Wunder gibt es so oft Probleme im Bereich Krankengeld, wenn Gesetze und Vorschriften nebelhaft bis widersprüchlich formuliert sind. (Es ist mir klar, daß dies ein generelles Problem mit Gesetzen ist, weil ständig daran herumgeflickt wird.)

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 26.06.2014, 18:11

die Probleme hast du aber mit allen Rechtsgebieten, nicht nur mit Krankengeld

das sind die Paragrafen zum Krankengeld-Anspruch

§ 44 Krankengeld
§ 44a Krankengeld bei Spende von Organen oder Geweben
§ 45 Krankengeld bei Erkrankung des Kindes
§ 46 Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld
§ 47 Höhe und Berechnung des Krankengeldes
47b Höhe und Berechnung des Krankengeldes bei Beziehern von Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld
§ 48 Dauer des Krankengeldes
§ 49 Ruhen des Krankengeldes
§ 50 Ausschluß und Kürzung des Krankengeldes
§ 51 Wegfall des Krankengeldes, Antrag auf Leistungen zur Teilhabe

dazu kommen natürlich noch die Regelungen zur Entgeltfortzahlung...

wenn du morgen früh ein belegtes Brötchen zum Frühstück kaufst, hast mit wesentlich mehr Paragrafen zu tun
Prüfungsschema eines „Vertrages“
1. Zustandekommen eines Vertrages
a) Angebot / Antrag
aa) empfangsbedürftige Willenserklärung
bb) die (nach verobjektiviertem Empfängerhorizont) hinreichend
bestimmt ist, mithin die essentialia negotii enthält
cc) Wirkung des Antrags
(1) Entstehung der annahmefähigen Position
(a) Bindung des Antragenden an den Antrag, § 145
(b) Ausschluss der Gebundenheit, § 145 Hs. 2
(2) Erlöschen der Wirkung des Antrags
(a) Ablehnung (beachte § 150 II)
(b) Ablauf der Fristen, §§ 147-149
(c) Kein Erlöschen durch den Tod, § 153
b) Annahme
aa) empfangsbedürftige Willenserklärung (beachte § 151 S. 1, wonach der Zugang entbehrlich sein kann)
bb) die das Angebot vorbehaltlos annimmt (ansonsten handelt es sich um ein neues Angebot, § 150 II)
c) Inhaltliche Übereinstimmung (kein Dissens)
aa) Faktischer/natürlicher Konsens
bb) Normativer/verobjektivierter Konsens
2. Unwirksamkeit des Vertrages
a) Beschränkte Geschäftsfähigkeit , § 108 I
b) Stellvertretung, § 164 I
c) Anfechtung , § 142 I
d) Gesetzesverstoß , § 134
e) Sittenwidrigkeit , § 138 I (Spezialfall: Wucher , § 138 II)
f) Formmangel , § 125
g) Nichteintritt aufschiebender Bedingung , § 158 I
h) Beachte Besonderheiten bei AGB , § 306 III
ja - es ist kompliziert und für Laien nicht immer so einfach verständlich - da geb ich dir recht. Aber wie willst du es anders lösen?

ippuj
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Beitrag von ippuj » 27.06.2014, 14:12

Ich wüßte schon einen Weg, aber da würden zuviele überbezahlte Politiker und Beamte und noch einige andere ihre Jobs verlieren. :)

Jedenfalls danke für Eure Meinungen.

roemer70
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Beitrag von roemer70 » 28.06.2014, 19:37

Vereinfachen und rechtssicher gestalten - das sind Gegensätze in der Gesetzgebung. Und letzteres ist nun einmal wichtiger.

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