Grundsatz-Diskussion: "AU bis auf weiteres"

Informationen und Fragen zum Krankengeld

Moderator: Czauderna

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 07.07.2016, 08:15

GerneKrankenVersichert hat geschrieben:
Anton Butz hat geschrieben:Hallo Czauderna und GKV,

Zwischenfrage: Sind wir also einig, dass es zum 01.01.2016 keine rechtlich
relevante Änderung gab
Nein, und ich kann auch nicht mal ansatzweise nachvollziehen, wie du auf diese Idee kommst.
Also gibt es Klärungsbedarf. Vielleicht hilft das Beispiel von Devil1211 hier:
http://www.krankenkassenforum.de/ablehn ... ght=#80850

Sind wir darüber einig, dass ihr Arzt bis Ende 2015 - trotz AU-RL, Vordruck-
Vereinbarung, Erläuterungen, Blanko-Formular-Bedruckungs-Verfahren - das
Recht hatte, sie "bis auf weiteres" arbeitsunfähig zu schreiben?

P.S.: eine Grundsatz-Diskussion kann nur in der "Sache" gelingen.

.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 07.07.2016, 08:58

Hallo Anton,
ich bin kein Jurist, von daher tue ich mich etwas schwer mit einer Antwort.
Nach meiner Meinung hatte er es, und selbst wenn er es nicht hatte, so hat er trotzdem gemacht und damit aus seiner Sicht signalisiert, dass die AU. bis auf weiteres fortbesteht. In diesem "Einzelfall" liegt es nun an der Kasse damit umzugehen - meiner Einschätzung nach kann die Kasse im Nachhinein der Versicherten daraus keinen Nachteil entstehen lassen - da hätte sie sofort nach Erhalt der letzten AU-Meldung reagieren müssen - wie geschrieben, ich sehe das für diesen Fall so, wo es eben schon passiert ist - neue Fälle, womit wir wieder beim Grundsatz wären, dürften nicht mehr vorkommen, wenn sich die Ärzte an das halten, was ihnen vorgegeben wurde. Um das b.a.w. "wieder" als zulässig zu erklären, dazu bedürfte es einer Änderungen der entsprechenden Richtlinien, was wieder zu meiner Frage führt - wer sollte dies veranlassen ?.
Gruss
Czauderna

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 07.07.2016, 09:39

Danke Czauderna,

für soviel Sachlichkeit und die hohe Übereinstimmung sowohl "in diesem
Einzelfall" wie auch grundsätzlich.

Und zu deiner Frage: es gibt bereits Fälle, in denen Versicherte von ihrem Arzt
erfolgreich die "AUB bis auf weiteres" verlangen, wenn seine Prognose über
4 Wochen hinaus reicht, zumal kaum ein Arzt sagen kann, dass die weitere
AU 28 Tage dauert, keinesfalls aber 29 Tage.

Übrigens: Ärzte sind den Spagat zwischen dem Gesetz und den übrigen Regularien
aus der Zeit bis 31.12.2015 gewohnt und haben den "Masuch´schen Zeigefinger"
zu Schadenersatzansprüchen inzwischen bemerkt, zum Teil auch schon
gespürt:
http://www.krankenkassenforum.de/knnen- ... ght=#80787

Schönen Gruß!
Anton Butz

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 08.07.2016, 06:16

Czauderna hat geschrieben: Ich glaube nicht, dass dies hier eine "Endlosschleife" wird - wenn es keine neuen Argumente mehr gibt, dann wird die Diskussion eben beendet, auch wenn am Ende als Fazit stehen könnte, dass sich niemand hat überzeugen lassen von den Gegenargumenten - aber das ist nun halt mal so - was meinst Du ?
Gruss
Czauderna
Ich meine, dass Anton auf Gegenargumente nicht eingeht und sich noch nicht mal mit Nachweisen von seiner Meinung abbringen lässt, sondern im Gegenteil dann noch eine "Übereinstimmung" sieht, wo keine ist. Das kenne ich zu Genüge aus anderen Threads und ich habe mittlerweile kapiert, dass niemand, auch kein BVA oder BSG, Anton von seiner vorgefertigten Meinung abbringen kann. Deshalb ist mir für eine weitere Diskussion meine Zeit zu schade. Euch beiden noch viel Spaß.

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 08.07.2016, 09:36

Hallo GKV,

du hattest dich doch schon verabschiedet – war die Verlockung zu groß,
jenseits der Sache zu punkten?

Welche Gegenargumente / Nachweise meinst du? Es ist doch klar geworden,
dass AU-RL, Vordruck-Vereinbarung, Erläuterungen, Verfahrens-Regelungen
weder entscheidend Neues enthalten noch die Gesetzes-Auslegung durch BSG-
Urteile „korrigieren“ können:

10.05.2012, B 1 KR 20/11R: die Regelungen in den AU-RL können den leistungs-
rechtlichen Krankengeld-Tatbestand nicht ausgestalten

10.05.2012, B 1 KR 19/11 R: die AU-RL kann die gesetzlich bestimmten Vorausset-
zungen des Krankengeld-Anspruchs nicht konkretisieren oder gar modifizieren

26.06.2007, B 1 KR 8/07 R: aus den AU-RL ist nichts Abweichendes herzuleiten

26.06.2007, B 1 KR 37/06 R: die AU-RL stehen im Range unter dem Gesetz;
dem Bundesausschuss fehlt die Kompetenz, die Voraussetzungen des Kranken-
geld-Anspruchs zu modifizieren oder zu ändern

Dass der GKV-Spitzenverband zu vom Gesetz abweichenden
Regelungen nicht befugt ist, dürfte unstreitig sein.


Aber wenn du doch Argumente oder Nachweise hast: das hier
soll eine Grundsatz-Diskussion sein …

Schönen Gruß
Anton Butz

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 08.07.2016, 15:03

Hallo Anton,
ich darf dich mal aus "deinem" Forum zitieren :

"Der GKV ist nicht legitimiert, die Prognose
des Arztes zeitlich zu beschränken."


Da stimme ich dir vollkommen zu - soweit sich die Ärzte an die, von ihrer Seite selbst erlassenen Vorschriften halten, haben die Kasse tatsächlich keine
Einwirkungsmöglichkeiten, d.h., ob der Aruzt nun heute den 15.07. oder den
31,07., ja sogar den 07.08.2016 auf eine AU-Meldung schreibt, das muss die Kasse genau so akzeptieren - zweifelt sie das aus irgendwelchen Gründen an, dann muss sie den MDK einschalten.
Anders dagegen verhält es sich, wenn auf der Meldung von heute b.a.w. steht oder vielleicht der 31.12.2016 - hier haben wir gelesen und gelernt, dass es dann offenbar kassenindividuelle Entscheidungen gibt - einmal - die Meldung wird nicht akzeptiert und zurückgegeben unter Hinweis auf die bestehenden Vorschriften, was die Ausfüllung der AU-Meldung betrifft
oder die Meldung wird akzeptiert. Ich will mich jwtzt nicht wiederholen, aber einzig und allein der Arzt ist ausschlaggebend dafür, ob eine Meldungen richtig oder falsch ausgestellt wird, und nicht der Versicherte oder die Krankenkasse. Wenn der Arzt auf Drängen des Versicherten, also wider besseren Wissens b.a.w auf die Meldung schreibt, dann handelt er fahrlässig oder ggf. sogar grob fahrlässig, denn nicht der Versicherte, er allein bestimmt grundsätzlich die Dauer der AU. Von einem Rechtsanspruch seitens des Versicherten kann hier keinerlei Rede sein und von dem des Arztes schon gleich gar nicht - jedenfalls nicht ab dem 01.01.2016 - da jetzt wiederhole ich mich doch, und das will ich nicht.
Gruss
Czauderna

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 08.07.2016, 17:23

Hallo Czauderna,

gerade die „kassen-individuellen Entscheidungen“ sind das Problem. Wir wissen aus der Vergangenheit,
wie diese (z. B. mit der BSG-Krankengeld-Falle und eigens konstruierten Auszahlscheinen mit unterschied-
lichen Vorgaben an die Ärzte) zum Wettbewerb mit schließlich einheitlichen Nachteilen für die Versicherten
führten.

Welcher Versicherte – und noch mehr: welcher Arzt – versteht schon, dass „bis auf weiteres“ von einer
Krankenkasse akzeptiert wird aber von der anderen nicht – ein halbes Jahr nach groß publik gemachten Ver-
einfachungen / Vereinheitlichungen? Und wie könnte der Arzt fahrlässig oder gar grob fahrlässig handeln,
wenn er „b. a. w.“ arbeitsunfähig schreibt und ein Teil der Kassen dies akzeptiert?

Also zurück zum Recht, zum BSG, dem in der Vergangenheit alle Krankenkassen weitgehend blind folgten –
bis der Gesetzgeber eingriff:

Lt. BSG ist die AU-Feststellung mit Wirkung für die Zukunft stets mit einer Prognose verbunden, die ihre
Grundlage in ärztlichen Kenntnissen und Erfahrungen hat. Diese Prognose mag zwar in der Regel umso un-
sicherer sein, je weiter sie in die Zukunft reicht. Wo dabei im Einzelnen zeitliche Grenzen zu ziehen sind,
bestimmt sich jedoch nach der Art der betroffenen Krankheit und den für die jeweilige Arbeitsunfähigkeit
bedeutsamen Umständen des Einzelfalls. Danach kommt es nach dem SGB V auf die sichere Aussage
gemessen an den Kriterien an. Wie im Exkurs für GKV bereits dargestellt, sind die AU-RL und andere
nachrangige Papierchen nicht entscheidend.

Die Konflikt-Situation für die Ärzte ist klar, aber die haben sie sich selbst eingebrockt, sie ist anders
als mit der BSG-Krankengeld-Falle durch die gesetzliche Krankengeld-Falle nicht wieder auf den Rücken
der Versicherten abzuwälzen. Die Versicherten haben Anspruch auf die zutreffende ärztliche
AU-Prognose und -Bescheinigung.

Schönen Gruß
Anton Butz

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 08.07.2016, 18:02

Hallo,
Die Konflikt-Situation für die Ärzte ist klar, aber die haben sie sich selbst eingebrockt, sie ist anders
als mit der BSG-Krankengeld-Falle durch die gesetzliche Krankengeld-Falle nicht wieder auf den Rücken
der Versicherten abzuwälzen. Die Versicherten haben Anspruch auf die zutreffende ärztliche
AU-Prognose und -Bescheinigung.

was aber nicht den Schluss zulässt, dass der Arzt genau diese Prognose, nicht in einzelne Zeitabschnitte aufteilen muss, sondern lediglich b.a.w. eintragen darf. Im Übrigen würde dadurch jede AU:Bescheiniogung, aber auchg wirklich jede, quasi Makulatur werden, wenn die Ärzte dann, weil sie eben dürften, jede AU-Bescheinigung mit b.a.w. versehen würden - egal, um welche Diagnose es sich dreht und es würde auch bedeuten, dass es dann nur noch maximal zwei Meldungen innerhalb eines Falles geben würde - die Erstmeldung mit b.a.w. und maximal die letzte Meldung, wenn die Arbeitsfägikeit bescheinigt würde. Das würde dann auch bedeuten, dass die Krankenkasse, solange keine zweite Meldung eingereicht würde, das Krankengeld automatisch am letzten Arbeitstag des Monats von sich aus überweisen muesste weil es keine Endemeldung durch den behandelnden Arzt geben würde - warum auch - denn b.a.w. würde gelten bis zum Widderuf. Wäre das dann die Praxis ??.

Du merkst schon, ich schreibe mich etwas in Rage, deshalb höre ich an dieser Stelle erst mal auf - richtig ist, dass die Versicherten das Recht haben, dass Ihr Arzt eine Arbeitsunfähigkeit gegenüber Arbeitgeber und Krankenkasse bescheinigt - aber nicht das Recht, dass auf der Meldung statt eines (ggf. vorläufigen) Datums der Vermerk b.a.w. steht.
Ich frage mich bei dieser Diskussion, ob Du während deiner Tätigkeit
nicht auch mit Themen zu tun hattest wo Daten zwingend gefordert wurden und keine unklaren Texte. Nehmen wir mal die Widerspruchsfrist - da heisst es klar und unmissverständlich innerhalb eines Monats nach Erhalt und wenn die Rechtsbehelfsbelehrung entfällt, dann eben nach einem Jahr - eine klare Fristenregelung und wenn diese nicht beachtwt wird, dann ist die Sache erledigt in nahezu allen Fällen - oder nehmen wir die Frist über die Kostenübernahme von Leistungen - wird diese Frist überschritten, muss die Kasse leisten - da geht es auch um feste Daten und nicht um b.a.w. - du hast noch nie berichtet was mal beruflich oder zuletzt beruflich gemacht hast oder vielleicht sogar noch machst - bei mir weiss man, das ich Krankenkassenmitarbeiter bin und sogar meinen richtigen Namen - bei dir nur Letzteres.
Es wäre vielleicht fairer für die Diskussion, wen man (die Foren-User) wuesste aus welchem "Lager" du kommst - nur so ein Gedanke.
Gruss
Czauderna

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 09.07.2016, 00:03

Hallo Czauderna,

mit „Zeitabschnitte“ verwendest du einen – nach meiner Meinung überflüssigen
und irreführenden – Begriff des BSG in unzutreffendem Zusammenhang. Das BSG
sagt:

"Eine einzige ärztliche Feststellung der AU kann einen Anspruch auf Krg für
mehrere Zeitabschnitte begründen und weitere AU Meldungen erübrigen."


Mit Zeitabschnitten sind also offensichtlich Zahlungszeiträume gemeint. Gleichzeitig
ist damit klar, dass eine einzige ärztliche Feststellung genügt, der Arzt die Prognose also
nicht in einzelne Zeitabschnitte aufteilen muss, sondern „b. a. w.“ eintragen darf.

Die Berechtigung der Ärzte, „b. a. w.“ einzutragen, hat das BSG meines Wissens bisher
nicht beschränkt. Gut denkbar, dass die Formel immer passt, wenn das Ende der AU nicht
konkret absehbar ist. Mit „Makulatur“ hat das weniger zu tun als mit „Prognose“.

Allerdings scheinst du nahe am Rentenalter noch ziemlich innovativ zu sein – ganz auf
der Linie der Sozialgerichte Mainz und Speyer. Auf den Beginn und das Ende der AU abzu-
stellen, statt auf mehrere Arbeitsunfähigkeiten innerhalb einer AU gefällt mir sehr gut.
Auch nach meiner Einschätzung geht es um die Arbeitsunfähigkeit, nicht um einzelne
AU-Abschnitte.

Was mit „Rage“ zu tun hat und jenseits der Sache ist, lassen wir jetzt besser weg – im
Interesse der Übersichtlichkeit, Neutralität - der Sache.

Schönen Gruß
Machts Sinn

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 09.07.2016, 10:09

Hallo Anton,
Rentennahes Alter, gefällt mir, ist allerdings egal, ob dicht davor oder schon lange mitten drin, nicht wahr ?. Innovativ in diesem Punkt bin ich nicht, ich habe nur das Szenario wiedergegeben, welches dir vorschweben könnte, und da meine Gedanken dazu dir gefallen haben - Bingo !
Was bleibt nun als Erkenntnis - du hast eine Meinung, die du leider rechtlich nicht untermauern kannst, denn all deine "Belege" behandeln (Achtung, da kommt er wieder) Einzelfaelle und stammen aus der Vergangenheit. Ich belege meine Meinung mit der neuen AU-Bescheinigungen seit 01.01.2016 und den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen - hinzu kommt das, was GKV in der Sache geschrieben hat und meine eigenen Recherchen bei uns und mittlerweile auch bei Bekannten und Freunden von anderen Kassen - b.a.w ist dort kein Thema, weil nicht vorhanden. Es ist durchaus möglich, dass sich das ändern kann, aber dann haben die Ärzte das Problem, sonst niemand.
Gruß
Czauderna

vlac
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Beitrag von vlac » 09.07.2016, 10:26

Hallo,

eine Frage, die ich mir bei diesem Szenario stelle: Was passiert, wenn der Patient dann über einen längeren Zeitraum nicht mehr zum Arzt geht, und auch keine Behandlung stattfindet, aber dann nach einem gewissen Zeitraum trotzdem Krankengeld haben möchte?

Im Fall, der diesen Thread ausgelöst hat, waren das etwas mehr als drei Monate ohne Arztbesuch (der erste Arztbesuch fand nach Aussage der Fragestellerin am 24.03.16 statt; die AU wurde aber erst Anfang Mai ausgefertigt). In diesen drei Monaten kann auch das nach Aussage der Fragestellerin verordnete Antidepressivum nicht durchgehend genommen worden sein, weil nicht einmal die größtmögliche Packungsgröße nicht so lange reichen würde. Es gibt also außer der eigenen Darstellung der Fragestellerin über ihren gesundheitlichen Zustand hinaus nur die Möglichkeit, das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage von Plausibilität und Mutmaßungen zu "erraten".

Auf einer allgemeinen Ebene gesprochen wäre bei diesem Konzept Missbrauch Tür und Tor geöffnet: Man könnte durch "strategische Arztbesuche" MDK-Prüfungen, aber auch die "Gesundschreibung" durch den Arzt hinaus zögern.

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 09.07.2016, 10:50

Hallo Czauderna,

ja, wir werden hier - sozialrechtlich - wohl kein Einvernehmen herstellen können. Und zu arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten sind
wir hier ohnehin nicht am richtigen Platz:

​Bild

Trotzdem auch dazu eine Meinung: Auch Arbeitgeber und Beschäftigte haben ein Recht darauf, dass AU länger als 1 Monat
bescheinigt wird, wenn absehbar ist (prognostiziert wird), dass sie länger dauert. Dann bleibt nur "bis auf weiteres".

Schönen Gruß
Anton Butz

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 11.07.2016, 09:05

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Weitere Unzulänglichkeiten


Die Begrenzung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf längstens „einen Monat“ wurde am 06.05.2015 mit Wirkung ab 01.01.2016 vom GKV-Spitzenverband mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vereinbart.
4 voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich oder letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit

In das Kästchen „Voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich oder letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit“ ist das Datum einzusetzen, bis zu welchem auf Grund des erhobenen ärztlichen Befundes voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen wird. Die Prognose der Dauer der Arbeitsunfähigkeit soll nicht für einen mehr als zwei Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden. Ist es auf Grund der Erkrankung oder eines besonderen Krankheitsverlaufs sachgerecht, kann die Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von einem Monat bescheinigt werden.

Die Entscheidung stammt also nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Er hat erst am 17.12.2015 beschlossen, die AU-RL zu ändern und in § 5 nach Absatz 3 diesen Absatz 4 einzufügen:
„(4) 1Die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit soll nicht für einen mehr als zwei Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden. 2 Ist es auf Grund der Erkrankung oder eines besonderen Krankheitsverlaufs sachgerecht, kann die Arbeitsunfähigkeit bis zur voraussichtlichen Dauer von einem Monat bescheinigt werden. 3 Kann zum Zeitpunkt der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bereits eingeschätzt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des bescheinigten Zeitraums enden wird oder tatsächlich geendet hat, ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Endbescheinigung zu kennzeichnen.“
(Tragender?) Grund bzw. Eckpunkt dieser Entscheidung war

2.2 Anpassung an die geänderter Vordruckmuster 1 und 17

Im Rahmen der Beratungen hat der G-BA die Frage diskutiert, ob gleichzeitig mit der Umsetzung der gesetzlichen Anpassungen auch die Veränderungen an den für die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit bisher genutzten Vordruckmustern 1 und 17 in der AU-RL umgesetzt werden sollen. Hintergrund war, dass eine Entbürokratisierung durch eine Vereinheitlichung der Muster erzielt werden sollte und Teile der bisher zur Attestierung der Arbeitsunfähigkeit nach dem Ende der Entgeltfortzahlung in § 6 der ArbeitsunfähigkeitsRichtlinie enthaltenen Aussagen missverständlich waren und daher teilweise zu Problemstellungen bei der Krankengeldgewährung führten. Einheitlich wurde daher die Auffassung vertreten, dass eine entsprechende Berücksichtigung sinnvoll sei, da hierdurch eine möglichst umfangreiche Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten erreicht werden könnte.

Mit der Zielsetzung einer vereinfachten und transparenteren Attestierung der Arbeitsunfähigkeit wurde im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Vordruckmuster das Vordruckmuster 17 in das Vordruckmuster 1 integriert. Hierdurch entfällt bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt die bisher in der AU-RL vorgesehene Unterscheidungsnotwendigkeit, ob eine Arbeitsunfähigkeit während eines Entgelt- /Leistungsfortzahlungsanspruches oder nach dem Ende des Entgelt- /Leistungsfortzahlungsanspruches zu attestieren ist. Die §§ 5 und 6 der AU-RL waren daher gleichfalls inhaltlich zusammenzuführen, was zu redaktionellen Anpassungen, Verschiebungen oder Streichungen in Teilen der Sätze führte.

Die tatsächliche Umsetzung des neuen Vordruckmusters erfordert die entsprechende Anpassung der AU-RL. Im Hinblick auf die notwendige Vorlaufzeit für eine Anpassung war in den Beratungen im G-BA ein zeitgleiches Inkraftreten des Vordruckmusters und der gegenständlichen Änderung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie avisiert worden. Aus diesem Grund wurde durch die Vertragspartner die Gültigkeit des neuen Vordruckmusters ab dem 1. Januar 2016 vereinbart. Auch deshalb ist eine kurzfristige Abstimmung dieser Änderung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie bis zum Jahresende 2015 erforderlich.

In § 5 Absatz 4 der AU-RL wurde zudem eine Maximaldauer für die AU-Attestierung vorgesehen, um den Ärzten jederzeit die geforderte Angabe eines Datums für das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu ermöglichen. Zusätzlich wurde der Zusammenführung der Vordruckmuster 1 und 17 dahingehend Rechnung getragen, dass die nunmehr auf dem Vordruckmuster vorgesehene Endbescheinigung definiert wurde.

Damit ist deutlich: Die Begrenzung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf längstens „einen Monat“ stammt nicht vom G-BA, sondern wurde von ihm nur umgesetzt - ohne auf die bisher gegenteilige Rechtsprechung des BSG zu "bis auf weiteres" ("b. a. w.") auch nur mit einem Wort einzugehen.

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 11.07.2016, 11:33

Anton Butz hat geschrieben:.

Damit ist deutlich: Die Begrenzung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf längstens „einen Monat“ stammt nicht vom G-BA, sondern wurde von ihm nur umgesetzt - ohne auf die bisher gegenteilige Rechtsprechung des BSG zu "bis auf weiteres" ("b. a. w.") auch nur mit einem Wort einzugehen.

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Beschäftige dich doch einfach mal mit der Rangfolge der Normen, dann wirst du selbst merken, das deine Äußerungen keinen Sinn ergeben.

Interessant ist mal wieder, dass du das sogenannte Richterrecht, das du im Zusammenhang mit dem lückenlosen Nachweis der Arbeitsunfähigkeitkeit, anzweifelst, nun als Norm über andere Normen erhebst, obwohl es die letzte Norm in der Rangfolge darstellt.

Und wirf mir jetzt bitte nicht wieder vor, ich würde ja doch wieder mitdiskutieren. Ich diskutiere nicht, sondern weise lediglich auf Basiswissen hin, über das jeder verfügen sollte, der bei einer solchen Diskussion ernsthaft mitreden möchte.

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 11.07.2016, 13:51

.
Rangfolge von Normen - interessant!

Dass die “Recht”sprechung über allem steht, müsstest Du inzwischen bemerkt
haben. Der 1. BSG-Senat unter Leitung des Präsidenten Peter Masuch hat dies jahre-
lang unter Beweis gestellt und sich dabei nicht nur über den Wortlaut des § 46 SGB V,
sondern auch über Grundsätze der Sozialgesetzbücher I und X erhoben. Aber immer-
hin ist klar geworden, dass auch nach seiner Einschätzung Arbeitsunfähigkeits-
Richtlinien und Erläuterungen … - aber das hatten wir längst:

10.05.2012, B 1 KR 20/11R: die Regelungen in den AU-RL können den leistungs-
rechtlichen Krankengeld-Tatbestand nicht ausgestalten

10.05.2012, B 1 KR 19/11 R: die AU-RL kann die gesetzlich bestimmten Voraus-
setzungen des Krankengeld-Anspruchs nicht konkretisieren oder gar modifizieren

26.06.2007, B 1 KR 8/07 R: aus den AU-RL ist nichts Abweichendes herzuleiten

26.06.2007, B 1 KR 37/06 R: die AU-RL stehen im Range unter dem Gesetz; dem
Bundesausschuss fehlt die Kompetenz, die Voraussetzungen des Krankengeld-
Anspruchs zu modifizieren oder zu ändern.


Auch wenn du das wohl weiterhin nicht glauben wirst, die Arbeitsunfähigkeits-Richt-
linien stehen am Schluss der Normenkette. Danach kommen nur noch die insoweit
irrrelevanten Vereinbarungs- und Erläuterungstexte.

Deswegen nochmals für GKV: Die AU-RL des G-BA vermögen an der gesetzlichen
Rechtslage in der Auslegung des BSG nichts zu ändern, auch nicht die unterlas-
sene Beanstandung durch Frau Dr. Renate Lottis vom BMG:
https://www.g-ba.de/downloads/40-268-36 ... it_BMG.pdf

Dabei kommt es nicht darauf an, dass Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-
Vereinigungen sowie das BMAS gar nicht beteiligt waren.

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