GKV - Krankengeldverweigerungspraxis verhindern!
Moderator: Czauderna
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Hallo Machts Sinn,
ich habe mich mit dieser Thematik an den Datenschutzbeauftragten des Bundes gewandt. Hier der Text:
[quote]
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass nach meiner Beobachtung die Prüfungspflicht im Falle von „Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit“ bei „auffälligen“ Versicherten und Ärzten gemäß § 275 Absatz 1 Ziffer 3 Buchstabe b i. V. m. Absatz 1a Buchstaben a und b seitens der GKV zulasten der Versicherten und behandelnden Ärzte - Verdacht auf Verletzung von Persönlichkeitsrechten bei Generalverdacht – wahrgenommen wird. Es wird massiv das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung missachtet. (Volkszählungsurteil - BVerfG, Urteil v. 15. Dezember 1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83)
Begründung:
Die Statistik des MDK weist für 2010 die Zahl der Begutachtungen und Beratungen, die durch die GKV in Auftrag gegeben wurden mit 1.627.273 aus. (Vgl. Tab. 3a in mdk.de/314.htm)
Lediglich nur 20% der Fälle ergab ein Gutachtenergebnis „Aus medizinischer Sicht nicht weiter AU (innerhalb von 14 Tagen)“ (http://www.krankenkassenforum.de/-vp35842.html#35842). Mithin ist von einer Fehlerquote von ca. 80% auszugehen. Damit werden Hunderttausende von Versicherten und Ärzten einem Generalverdacht ausgesetzt, und dies ohne ihr Wissen.
Bemerkung
Die Indikation „Zweifel“ oder „auffällig“ ist gleichzusetzen mit „begründeter Verdacht“ auf Sozialmissbrauch. Das Verfahren der Überprüfung ist vergleichbar mit einer Rasterfahndung auf Basis eines Indikatorenkatalogs als Softwarefilter. Dies bedeutet in der o. g. Version der Prüfung das Aussprechen eines Generalverdachts gegenüber Patienten und ihren behandelnden Ärzten auf strafbares Handeln. Dies wiederum berührt die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen massiv. Hier ist eine Optimierung des Verfahrens bei gleichzeitiger Herstellung der Transparenz m. E. notwendig. Letzteres insbesondere auch deswegen, weil die GKV Anstalten des öffentlichen Rechts sind. Hier gelten andere Maßstäbe an den Vertrauens- und Persönlichkeitsschutz als in der freien Wirtschaft.
[/quote]
Ich bin sogar der Meinung, dass der §275 Abs. 1 Ziff. 3 Buchstabe b i. V. m. Abs. 1a gegen das Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit verstößt. Der Begriff "auffällig" ist nicht justiziabel. Zudem ist der Indikatorenkatalog, nach dem Auffälligkeiten gegeben sind nicht vollständig. Es wird von "insbesondere" gesprochen. D. h. die GKV können den Auffälligkeitskatalog beliebig erweitern. Damit besteht dann auch die Gefahr, dass von Kasse zu Kasse ungleiche Maßstäbe angelegt werden.
Gruß, Kernschmelze
ich habe mich mit dieser Thematik an den Datenschutzbeauftragten des Bundes gewandt. Hier der Text:
[quote]
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass nach meiner Beobachtung die Prüfungspflicht im Falle von „Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit“ bei „auffälligen“ Versicherten und Ärzten gemäß § 275 Absatz 1 Ziffer 3 Buchstabe b i. V. m. Absatz 1a Buchstaben a und b seitens der GKV zulasten der Versicherten und behandelnden Ärzte - Verdacht auf Verletzung von Persönlichkeitsrechten bei Generalverdacht – wahrgenommen wird. Es wird massiv das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung missachtet. (Volkszählungsurteil - BVerfG, Urteil v. 15. Dezember 1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83)
Begründung:
Die Statistik des MDK weist für 2010 die Zahl der Begutachtungen und Beratungen, die durch die GKV in Auftrag gegeben wurden mit 1.627.273 aus. (Vgl. Tab. 3a in mdk.de/314.htm)
Lediglich nur 20% der Fälle ergab ein Gutachtenergebnis „Aus medizinischer Sicht nicht weiter AU (innerhalb von 14 Tagen)“ (http://www.krankenkassenforum.de/-vp35842.html#35842). Mithin ist von einer Fehlerquote von ca. 80% auszugehen. Damit werden Hunderttausende von Versicherten und Ärzten einem Generalverdacht ausgesetzt, und dies ohne ihr Wissen.
Bemerkung
Die Indikation „Zweifel“ oder „auffällig“ ist gleichzusetzen mit „begründeter Verdacht“ auf Sozialmissbrauch. Das Verfahren der Überprüfung ist vergleichbar mit einer Rasterfahndung auf Basis eines Indikatorenkatalogs als Softwarefilter. Dies bedeutet in der o. g. Version der Prüfung das Aussprechen eines Generalverdachts gegenüber Patienten und ihren behandelnden Ärzten auf strafbares Handeln. Dies wiederum berührt die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen massiv. Hier ist eine Optimierung des Verfahrens bei gleichzeitiger Herstellung der Transparenz m. E. notwendig. Letzteres insbesondere auch deswegen, weil die GKV Anstalten des öffentlichen Rechts sind. Hier gelten andere Maßstäbe an den Vertrauens- und Persönlichkeitsschutz als in der freien Wirtschaft.
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Ich bin sogar der Meinung, dass der §275 Abs. 1 Ziff. 3 Buchstabe b i. V. m. Abs. 1a gegen das Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit verstößt. Der Begriff "auffällig" ist nicht justiziabel. Zudem ist der Indikatorenkatalog, nach dem Auffälligkeiten gegeben sind nicht vollständig. Es wird von "insbesondere" gesprochen. D. h. die GKV können den Auffälligkeitskatalog beliebig erweitern. Damit besteht dann auch die Gefahr, dass von Kasse zu Kasse ungleiche Maßstäbe angelegt werden.
Gruß, Kernschmelze
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Und 1997 stand da bestimmt drauf, dass diese Richtlinien den Teil der Richtlinien von 1990 ersetzen. Welchen Sinn würde es denn machen, neue, weiterentwickelte Richtlinien zu erlassen, wenn gleichzeitig die alten gelten? Die Richtlinien von 1990 können nicht einfach komplett ersetzt werden, da sie teilweise noch gelten.
So, und damit verabschiede ich mich mal wieder aus diesem Thread und beuge mich deiner fachlichen Kompetenz, die meiner meilenweit überlegen ist.
So, und damit verabschiede ich mich mal wieder aus diesem Thread und beuge mich deiner fachlichen Kompetenz, die meiner meilenweit überlegen ist.
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Hallo,
der Bundesdatenschutzbeauftragte hat schnell geantwortet.
Er konnte aus meiner ersten Anfrage kein Anzeichen eines Generalverdachts erkennen. Er argumentierte wie folgt:
Die Zahl der AU-Fälle p. a. beträgt rund 33,6 Mio (Quelle: (gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/&p_aid=3&p_aid=60328321&nummer=267&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid=48451805)
Bei einer Zahl von MDK-Gutachen von rd. 1,6 Mio (= 4,8%) werden rd. 95% der AU-Patienten nicht begutachtet. Hier könne man nicht von Generalverdacht sprechen.
Da hat der Bundesdatenschutz Recht.
Ich habe dann in einer weiteren Mail die Lage spezifiziert und folgenden Zusammenhang hergestellt:
Nach dem Gesundheitsreport 2010 der TK (Download unter tk.de/tk/broschueren-und-mehr/studien-und-auswertungen/gesundheitsreport-2010/222144) verzeichnete allein diese Kasse 3,4 Mio AU-Fälle. Davon waren 3,5% Krankengeldfälle also rund 120.000. Da die TK-Versicherten ein positiveres Risikoprofil haben als andere GKV, aber ansonsten wohl vergleichbare Zustände herrschen, ist davon auszugehen, dass es ca. 4,5% Krankengeldfälle p. a. insgesamt gibt. D.h., die Zahl der Krankengeldfälle gleicht etwa der Zahl der AU-Fälle mit MDK-Begutachtung, beauftragt durch die GKV (es gibt ja noch die AG als Auftraggeber).
Diese Sachlage führt zu dem Verdacht, dass im Prinzip alle Krankengeldfälle (bzw. Fälle mit einer AU-Dauer länger als ca. 6 Wochen) dem MDK zur Begutachtung vorgelegt werden. Damit ist der Status „Krankengeld“ mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Indikator, der einen Fall „auffällig“ werden lässt, mithin einem Gutachten zugeführt wird. Ist dies der Fall, dann ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Es sind somit alle GKV dahingehend zu überprüfen, ob deren Softwarefilter Indikatoren wie „Krankengeldfall“ (oder äquivalente) aufweisen.
Der Datenschutzbeauftragte meinte, dass diese pauschale Ausgangslage ihm nicht reiche, um nun eine solche Überprüfung zu veranstalten. Wichtig: Er widersprach nicht der Argumentation wie im ersten Ansatz. Er erklärte, dass er nur dann tätig werden würde, wenn ein konkreter Fall präsentiert würde, der diesen Zusammenhang vermuten ließe.
Also, schickt dem Datenschutzbeauftragten Eure Fälle. Übrigens habe ich mit dem Ref. III korrespondiert.
Gruß, Kernschmelze
PS: Der Datenschutzbeauftragte hat überraschend schnell reagiert, präzise referiert und zielführend argumentiert. Hut ab!
E-Mail über HP bfdi.bund.de/Vorschaltseite_DE_node.html
der Bundesdatenschutzbeauftragte hat schnell geantwortet.
Er konnte aus meiner ersten Anfrage kein Anzeichen eines Generalverdachts erkennen. Er argumentierte wie folgt:
Die Zahl der AU-Fälle p. a. beträgt rund 33,6 Mio (Quelle: (gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/&p_aid=3&p_aid=60328321&nummer=267&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid=48451805)
Bei einer Zahl von MDK-Gutachen von rd. 1,6 Mio (= 4,8%) werden rd. 95% der AU-Patienten nicht begutachtet. Hier könne man nicht von Generalverdacht sprechen.
Da hat der Bundesdatenschutz Recht.
Ich habe dann in einer weiteren Mail die Lage spezifiziert und folgenden Zusammenhang hergestellt:
Nach dem Gesundheitsreport 2010 der TK (Download unter tk.de/tk/broschueren-und-mehr/studien-und-auswertungen/gesundheitsreport-2010/222144) verzeichnete allein diese Kasse 3,4 Mio AU-Fälle. Davon waren 3,5% Krankengeldfälle also rund 120.000. Da die TK-Versicherten ein positiveres Risikoprofil haben als andere GKV, aber ansonsten wohl vergleichbare Zustände herrschen, ist davon auszugehen, dass es ca. 4,5% Krankengeldfälle p. a. insgesamt gibt. D.h., die Zahl der Krankengeldfälle gleicht etwa der Zahl der AU-Fälle mit MDK-Begutachtung, beauftragt durch die GKV (es gibt ja noch die AG als Auftraggeber).
Diese Sachlage führt zu dem Verdacht, dass im Prinzip alle Krankengeldfälle (bzw. Fälle mit einer AU-Dauer länger als ca. 6 Wochen) dem MDK zur Begutachtung vorgelegt werden. Damit ist der Status „Krankengeld“ mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Indikator, der einen Fall „auffällig“ werden lässt, mithin einem Gutachten zugeführt wird. Ist dies der Fall, dann ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Es sind somit alle GKV dahingehend zu überprüfen, ob deren Softwarefilter Indikatoren wie „Krankengeldfall“ (oder äquivalente) aufweisen.
Der Datenschutzbeauftragte meinte, dass diese pauschale Ausgangslage ihm nicht reiche, um nun eine solche Überprüfung zu veranstalten. Wichtig: Er widersprach nicht der Argumentation wie im ersten Ansatz. Er erklärte, dass er nur dann tätig werden würde, wenn ein konkreter Fall präsentiert würde, der diesen Zusammenhang vermuten ließe.
Also, schickt dem Datenschutzbeauftragten Eure Fälle. Übrigens habe ich mit dem Ref. III korrespondiert.
Gruß, Kernschmelze
PS: Der Datenschutzbeauftragte hat überraschend schnell reagiert, präzise referiert und zielführend argumentiert. Hut ab!
E-Mail über HP bfdi.bund.de/Vorschaltseite_DE_node.html
§ 12 SGB V läßt grüßen i.Vm § 60 SGB IV, nett gemacht ansonsten alles kalter Kaffee, der Rest ist so von Gesetz geregelt, heißt das nach 47 SGB IX natürlich ein Intresse daran besteht das das die Kosten niedrig gehalten wird, sollen, siehe entsprechende BSG Rechtsprechung. Wir haben vier verschienden SV Trägervon denen ggf. Leistungen erbracht werden sollen müssen, solle wie Artikel 1 GG nicht tangiert sehe ich da nichts was irgendwie das das DSG da verletzt wird. 5 % v. 100 %. Da würde ich doch denn mal dem BRH mal eher empfehlen das gesamte Prozessmanagement im Bereichder REHA untersuchen, da gibt es nochviel zutun.
Also was die rechtlichen Grundlagen betrifft, bin ich bei euch. Bei manchen Kassenentscheidungen die hier im Forum vorgetragen wurden, haben sich mir ebenfalls die Nackenhaare aufgestellt (und das sehen GKV und Czauderna offensichtlich auch so). Ob eure Intention diese Fälle erfassen würde...? Wer weiß. Aber vielleicht nochmal eine kleine Anmerkung zum CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Werner Kammer...
Wie sieht es eigentlich aus, wenn die Voraussetzungen zu Leistungen Mutter-Vater-Kind-Kuren im Gesetz weiter "erleichtert" würden, weil es wieder mal gerade 'hipp' ist und im Gegenzug (so direkt sagt das natürlich keiner) das Krankengeld von 90 auf 70% des letzten Nettos begrenzt wird, weil die Ausgaben gerade aus dem Ruder laufen... "Kostendämpfung die x-te" Nur mal so als kleines Gedankenspiel über den Zweck (einer sinnvollen) Fallsteuerung, aber auch zum Thema wie Politiker so ticken. Gegen wen sich dann wohl wieder der Groll der Versicherten richten würde... Naja, alle Jahre wieder
Ich hab die Begutachtungsanleitung eigentlich so verstanden, dass es einen Unterschied zwischen "Zweifel" und "auffällig" gibt
Wie sieht es eigentlich aus, wenn die Voraussetzungen zu Leistungen Mutter-Vater-Kind-Kuren im Gesetz weiter "erleichtert" würden, weil es wieder mal gerade 'hipp' ist und im Gegenzug (so direkt sagt das natürlich keiner) das Krankengeld von 90 auf 70% des letzten Nettos begrenzt wird, weil die Ausgaben gerade aus dem Ruder laufen... "Kostendämpfung die x-te" Nur mal so als kleines Gedankenspiel über den Zweck (einer sinnvollen) Fallsteuerung, aber auch zum Thema wie Politiker so ticken. Gegen wen sich dann wohl wieder der Groll der Versicherten richten würde... Naja, alle Jahre wieder
Ich hab die Begutachtungsanleitung eigentlich so verstanden, dass es einen Unterschied zwischen "Zweifel" und "auffällig" gibt