Beratungspflicht der Krankenkasse zu Beitragsfragen

Fragen zu einzelnen Krankenkassen

Moderator: Czauderna

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Ulli157
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Beratungspflicht der Krankenkasse zu Beitragsfragen

Beitrag von Ulli157 » 18.01.2010, 10:45

Hallo werte Forum-Mitglieder,
mein Vater (70) bezieht seit 2004 Altersrente, war aber bis Ende 2009 noch selbständig tätig. Seine Krankenkasse hatte ihn zum Versicherungsbeginn 2005 als freiwillig versicherten Rentner eingestuft und aufgrund seines Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze jeweils den höchsten Beitrag berechnet.
Ab 2008 hat er seine Tätigkeit aus Altersgründen nur noch im geringen zeitlichen Umfang (< 15 Std. pro Woche) ausgeübt, weshalb sein Einkommen auch unter die Beitragsbemessungsgrenze gesunken ist.
Einmal jährlich fragt seine Krankenkasse nach dem Einkommen, wobei im Fragebogen nach den Werten des jüngsten Einkommensteuerbescheides gefragt wird. Aus diesem Anlass habe ich 2008 und 2009 insgesamt dreimal bei seiner Krankenkasse telefonisch nachgefragt, ob es nicht aufgrund seines gesunkenen Einkommens eine Möglichkeit zur Beitragsreduzierung gibt. Mir wurde jedoch immer erklärt, dass eine Beitragsreduzierung erst möglich ist, wenn ein Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze per Steuerbescheid nachgewiesen wird. Die Möglichkeit der Einstufung als pflichtversicherter Rentner bei Nebenberuflichkeit seiner selbständigen Tätigkeit wurde nicht erwähnt.
Von seiner Steuerberaterin hat mein Vater Anfang Dezember 2009 erfahren, dass in 2009 seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit unterhalb seiner Rente liegen und diese Tätigkeit deshalb als nebenberuflich einzuschätzen sei, weshalb er bei seiner Krankenkasse als pflichtversicherter Rentner eingestuft werden könnte. Eine umgehende Nachfrage bei der Krankenkasse bestätigte diese Auffassung. Allerdings sei die Einstufung nur für die Zukunft und nicht rückwirkend möglich.
Zusammengefasst bedeutet das für mich, dass die vorteilhafte Einstufung als pflichtversicherter Rentner ab 2009 möglich gewesen wäre, wenn man sie rechtzeitig beantragt hätte. Für das gesamte Jahr 2009 hätte sich dadurch ein Beitragsunterschied von ca. 3.500 € ergeben.
Meine Frage bezieht sich nun darauf, ob die Krankenkasse aufgrund ihrer gesetzlichen Informationspflicht nicht auf diese Möglichkeit hätte hinweisen müssen, als ihr der Fall geschildert und nach einer Möglichkeit zur Beitragsreduzierung gefragt wurde.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 18.01.2010, 14:33

Hallo,
nun, grundsätzlich ist das schon richtig - die Krankenkasse hat eine Beratungspflicht und so wie geschildert sehe ich auch einen erheblichen finanziellen Nachteil, der dem Versicherten entstanden ist.
Es stellt sich die Frage wie der Kontakt nun tatsächlich war , d.h. musste die Krankenkasse aus dem Umstand dass nicht der Versicherte selbst sondern ein Angehöriger bei der Kasse telefonisch nachgefragt hat zu der Erkenntnis gelangen dass für den Versicherten keine hauptberufliche Selbständigkeit mehr vorlag oder bezog sich die "Problematik" "nur" auf die Frage der Einkommensreduzierung.
Diese Frage kann hier wohl nicht geklärt werden.
Gruß
Czauderna

Ulli157
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Beitrag von Ulli157 » 18.01.2010, 17:06

Hallo Czauderna,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort.
Wenn ich Sie richtig verstehe, halten Sie eine entsprechende Beratungspflicht grundsätzlich für gegeben.
Da ich generell den „Papierkram“ für meinen Vater erledige, landete auch der Fragebogen zur Einkommensabfrage auf meinem Tisch. Da in ihm nach den Werten des jüngsten Steuerbescheides gefragt wurde, rief ich vor dem dem Ausfüllen bei der Krankenkasse an.
Ich habe in dem Gespräch die damals aktuelle Situation geschildert, dass mein Vater altersbedingt „kürzer tritt“ und deshalb aufgrund des geringeren zeitlichen Arbeitsumfangs nur noch über ein Einkommen deutlich unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze verfügt, so dass der Höchstbeitrag unangemessen ist.
Da liegt nach meinem heutigen Wissensstand bei einem Rentner die Nachfrage, ob eventuell die Voraussetzungen der Nebenberuflichkeit vorliegen, doch auf der Hand. Da ein entsprechender Hinweis nicht erfolgte, wurde dann im Fragebogen zur Einkommensabfrage das Antwortfeld zur Arbeitszeit von uns gar nicht ausgefüllt (angemessene Ausfüllhinweise fehlen bei den Fragebögen leider).
Die Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse durch mich und nicht durch meinen Vater selbst ist m.E. unkritisch, da mein Vater mich entsprechend bevollmächtigt hatte. Von der Krankenkasse gab es auch keinen Hinweis, dass die erwünschte Auskunft nur meinem Vater persönlich gegeben werden kann.
Lohnt es sich Ihrer Meinung nach, bei der Krankenkasse noch mal nachzuhaken?

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 18.01.2010, 17:10

Hallo,
ja, auf jeden Fall ist dies zu empfehlen - es ist durchaus denkbar dass die Kasse Ihrer Argumentation folgt und rückwirken die Pflichtversicherung als Renter einräumt - auf der Schiene "Unterlassene Beratung" könnte das klappen - warum sollte das, was bei den Banken funktioniert nicht auch bei einer Krankenkasse klappen - versuchen würde ich es in jedem Fall.
Gruß
Czauderna

Gast

Beitrag von Gast » 18.01.2010, 18:33

für mich stellt sich noch die Frage, ob ihr Vater allein tätig ist, oder ob er noch Angestellte beschäftigt. Denn: Jemand, der mindestens 1 Arbeitnehmer mehr als geringfügig in seinem Betrieb beschäftigt, ist grundsätzlich hauptberuflich selbstständig tätig.

Ulli157
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Beitrag von Ulli157 » 18.01.2010, 23:57

Hallo krümel2007,
vielen Dank für diesen Hinweis, aber dieser Punkt ist mir bekannt. Es gab über die ganze Zeit aber nur eine geringfügig Beschäftigte (400€-Minijob), so dass diese Voraussetzung der Nebenberuflichkeit erfüllt ist.

Ulli157
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Beitrag von Ulli157 » 18.02.2010, 15:17

Hallo Czauderna und alle anderen Forummitglieder,
falls es interessiert, möchte ich gern noch mitteilen, dass ich mich noch einmal schriftlich an die Krankenkasse gewendet und den Vorgang detailliert geschildert habe. Und bereits nach wenigen wurde tatsächlich ein Beratungsfehler eingestanden und mein Vater rückwirkend ab Jahresbeginn 2009 als pflichtversicherter Rentner eingestuft. Nachdem wir die tatsächliche Höhe der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit für 2009 nachgewiesen haben, hat die Krankenkasse heute die zuviel bezahlten Beiträge erstattet. Wie der Fall zeigt, lohnt es sich manchmal doch, hartnäckig zu sein.
Mit freundlichem Gruß
Ulli 157

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 18.02.2010, 15:19

Hallo,
sehr gut - herzlichen Glückwunsch dazu - ja, solche Foren haben doch auch einen sinnvollen Zweck.
Grunß
Czauderna

Rossi
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Beitrag von Rossi » 21.02.2010, 16:48

Hm, für mich hat das mit einer Beratungspflicht nicht viel zu tun. Denn die sog. Pflichtversicherung im Rahmen der KVdR tritt nämlich kraft Gesetzes ein, wenn die Voraussetzungen hierzu vorliegen und genau so wird die KVdR verdrängt, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.


Wir können doch festhalten, dass durch den damaligen Rentenantrag dem Grunde nach die Voraussetzungen für die KVdR vorlagen. Papi hatte die 9/10 in der 2. Hälfte des Erwerbslebens erfüllt, er war treues Mitglied der Solidargemeinschaft.

Allerdings wird diese Pflichtversicherung der KVdR verdrängt bzw. beseitigt, wenn man hauptberuflich selbständig ist.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist.





Die KVdR ist der Tatbestand nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und deswegen war Papi freiwilliges Mitglied in der Solidargemeinschaft.

Okay!

Wenn Papi dann nicht mehr hauptberuflich selbständig ist, dann lebt sofort die KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V wieder auf, da die Ausschlusskriterien des § 5 Abs. 5 SGB V nicht mehr erüllt sind. Papi ist ja nicht mehr hauptberuflich selbständig.

Sowohl in § 5 Abs. 5 SGB V als auch in 186 oder 190 SGB V ist keine gesetzliche Einschränkung zu entnehmen, dass es nicht rückwirkend geht.

Ergo, kraft Gesetzes als Rentner versicherungspflichtig mit dem Zeitpunkt, wo Papi nicht mehr hauptberuflich selbständig ist.

Die Kasse könnte vermutlich auf die Bestimmungen des § 240 Abs. 4 Satz 7 SGB V herumreiten. Denn hiernach sind Beitragsänderungen erst ab dem Zeitpunkt zu berücksichtigen. wo sie vom Mitglied mitgeteilt werden.

Leider gilt diese Vorschrift nur für die freiwillig Versicherten und deren Beitragseinstufung. Wir sind hier nicht im Bereich einer freiwilligen Krankenversicherung im Sinne von § 9 SGB V, sondern einzig und allein im Bereich einer Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V.

Und diese Pflichtversicherung entsteht kraft Gesetzes und beseitigt dann sogar sofort die freiwillige Krankenversicherung. Dieses hat der Gesetzgeber in § 191 SGB V geregelt.

Will heissen, die Pflichtversicherung hat hier schon in 2008 begonnen, da dort die Tätigkeit offensichtlich von hauptberuflich auf nebenberuflich umgestellt wurde.

Anders kann ich es derzeit nicht beurteilen, bei einem Studium der einschlägigen Rechtslektüre. Oder gibt es hierzu etwa anderslautende Rechtsprechung?

heinrich
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Beitrag von heinrich » 21.02.2010, 16:58

Anders kann ich es derzeit nicht beurteilen, bei einem Studium der einschlägigen Rechtslektüre. Oder gibt es hierzu etwa anderslautende Rechtsprechung?

Rossi. du hast alles richtig abgeleitet. Es gibt auch keine anderweitige Rechtsprechung.

Ich glaube, der Fragesteller hat das mit der falschen Beratung auch nicht so gemeint, wie Du es verstanden hast.

Rossi
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Beitrag von Rossi » 21.02.2010, 18:03

Nun denn, dann ist der Papi sogar unter Umständen seit 2008 als Rentner versicherungspflichtig, oder?

Es ist also explizit zu klären, war er haupt- oder nebenberuflich selbständig. Der Ansatz mit den unter 15 Stunden wöchentlich ist schon gar nicht mal schlecht. Es kommt dann noch darauf an, ob die Tätigkeit eine wirtschaftliche Bedeutung hat.

Die ganze Klamotte kann dann allerdings bei einer rückwirkenden Versicherungspflicht als Rentner mehr als interessant werden.

In dieser Konstellation entfällt nämlich rückwirkend der Anspruch auf den bisher gewährten Beitragszuschuss aus der Renten; ferner war der Rententräger verpflichtet selber noch Beiträge aus der Rente einzubehalten und an die Kasse zu zahlen.

Jenes ist alles, zumindest ab 2009 bislang nicht geschehen. Also kommt dort noch etwas.

Über die Bestimmungen des § 255 Abs. 2 SGB V ist der Rententräger berechtigt, die nicht eingehaltenen Beitragsanteile von der Rente nunmehr nachträglich einzuhalten und an die Kasse weiterzuleiten.

Dann kommt aber zusätzlich noch der bislang gewährte Beitragszuschuss. Und wenn ihr mich fragt, der Rententräger wird auch hier versuchen den Beitragszuschuss zurückzufordern. Meine bescheidene Ansicht, kann der Rententräger ruhig machen, aber ne Rechtsgrundlage hierfür hat er nicht, bzw. sind diese explizit nicht erfüllt!

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