Die Fakten, nachzulesen unter http://www.swr.de/forum/read.php?2,83591,page=9
dieGräfin hat 21 Jahre bei der AOK gearbeitet, wurde dann entlassen. Gründe unbekannt. Hat sich daraufhin bei der TK versichert.
Elternzeit, ALG 1 und dann arbeitsunfähig ab 26.01.2016
1. Lücke in der Krankschreibung 15.03.16 - 18.03.16, rückwirkende Krankschreibung am 18.03.16 ab 14.03.16
2. Lücke in der Krankschreibung 25.04.2016 - 27.04.16, rückwirkende Krankschreibung am 27.04.16 zum 25.04.16
ALG-Anspruch bis 08.03.16
Irrtümliche Zahlung durch Agentur für Arbeit bis 31.03.16
Deshalb Versicherungspflicht bis 31.03.2016, die Lücke führt nicht zu einem vollständigen Verlust der KG-Anspruches.
Dies wurde erst aufgrund des Widerspruches geklärt. Ich vermute, dass die Agentur für Arbeit eine Abmeldung bei der Kasse zum 08.03.16 erstellt hat und dies erst aufgrund des Widerspruches derGräfin und Ermittlungen der Kasse korrigiert hat. Bei der Agentur für Arbeit scheint der letzte Satz des § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist) weitestgehend unbekannt zu sein, dass fällt mir in der Praxis auch immer wieder auf. Vielleicht sollte Rossi da mal eine Schulung anbieten.
Die Klärung des Sachverhaltes dauerte bis zum 13.07.16. Dem Widerspruch gegen die Einstellung der Zahlung wurde abgeholfen. Bis zur zweiten Lücke 25.04.2016 - 27.04.2016.
Und jetzt wird es spannend.
DieGräfin hat doch tatsächlich zum 25.04.16 ein neues Arbeitsverhältnis begonnen. Dies teilte sie der Kasse am 30.07.2016 per Mail mit, also NACHDEM die Kasse die zweite Lücke festgestellt hat.
Die von derGräfin dargestellten Fakten:
Arbeitsverhältnis ab 25.04.2016
Die Beschäftigung wurde nicht aufgenommen, da die Tagesmutter derGräfin krank war. Mit dem Arbeitgeber wurde vereinbart, dass die Stunden nachgearbeitet werden.
Bezahlung erfolgte für den 26.04.2016, warum auch immer.
Denn arbeiten konnte sie an diesem Tag nicht, da sie am 27.04.16 den Arzt aufsuchte, der feststellte, dass sie bereits seit 25.04.16 arbeitsunfähig war.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erfolgte laut § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht, es besteht kein Tarif- oder Arbeitsvertrag, der den Arbeitgeber dazu verpflichtet, Gehalt in den ersten vier Wochen der Arbeitsunfähigkeit zu zahlen.
Eine Anmeldung zur Sozialversicherung wurde vom Arbeitgeber vom 25.04.2016 - 09.05.2016 erstellt.
Mir drängt sich der Eindruck auf, dass dieGräfin besonders clever sein wollte und sich letztendlich doch in ihrem eigenen Netz verfangen hat.
Die Gräfin steht auf dem Standpunkt, dass am 25.04.2016 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begonnen hat, aufgrund dessen sie Anspruch auf Krankengeld hat.
Die TK bestreitet dies.
Den missglückten Arbeitsversuch gibt es nicht mehr. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Arbeitsvertrag ausreicht, dass die Versicherungspflicht entsteht.
http://lexetius.com/2014,2247
Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestand nicht (§ 3 Abs. 3 EntgFG)Der "Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis" zur Begründung einer Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) erfordert in diesem Sinne, dass ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis in Vollzug gesetzt wird. In ein Beschäftigungsverhältnis tritt ein, wer entweder eine entgeltliche Beschäftigung tatsächlich aufnimmt oder trotz Nichtaufnahme dennoch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt erwirbt, etwa weil er von der Arbeitsverpflichtung – gegebenenfalls auch einseitig durch den Arbeitgeber – freigestellt ist oder wegen AU einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.
Bleibt noch die Freistellung. Da kommt die plötzlich erkrankte Tagesmutter ins Spiel. DieGräfin wird für den 25.04.16 freigestellt und soll die Stunden nacharbeiten. Nur wann? Der Arbeitgeber (derGraf?) beendet das Arbeitsverhältnis zum 09.05.2016 - warum ist unklar. Und zahlt noch schnell für den 26.04.16 Gehalt. Als Ausgleich für die am 25.04. nicht geleisteten Stunden?!? Oder vielleicht eher deshalb, weil das BSG "zunächst" von einer Freistellung ausgeht, die doch irgendwann irgendwie ausgeglichen werden muss?
Jetzt könnte man meinen, ja, die Kasse ist ausgeknockt. Muss zahlen, ätsch.
Wäre doch da nicht diese unselige rückwirkende Krankschreibung ab 25.04.2016. Denn wie soll denn jemand die Arbeit aufnehmen und dann aus welchen Gründen auch immer eine Freistellung erhalten können, der objektiv arbeitsunfähig ist? Die Kasse vergewissert sich schriftlich beim Arzt, ob tatsächlich ab 25.04.2016 Arbeitsunfähigkeit vorlag. Der Arzt bestätigt dies. Damit tritt keine Versicherungspflicht ein, durch die rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht am 27.04.16 kein Krankengeldanspruch.
Zum Abschluss noch die Auffassung des BSG zur Beweislast
http://lexetius.com/1998,145
Jetzt ist es an der Gräfin zu zeigen, dass sie tatsächlich am 25.04.2016 in der Lage gewesen wäre, die Arbeit aufzunehmen.Das richtet sich nicht nur nach den Angaben oder Erklärungen der Betroffenen, sondern danach, ob die tatsächlichen Verhältnisse insgesamt den Schluß auf die ernstliche Absicht rechtfertigen, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist abgesehen von den Fällen einer rechtlich unverbindlichen familienhaften Mithilfe, einer selbständigen Tätigkeit oder einer geringfügigen Beschäftigung insbesondere dann zu verneinen, wenn ein Scheingeschäft vorliegt, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen. Versicherungspflicht tritt ferner nicht ein, wenn ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis von vornherein mit der Absicht eingeht, die Tätigkeit unter Berufung auf die ihm bekannte Arbeitsunfähigkeit nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben. Legen die Umstände des Falles ein mißbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse nahe, so bedarf es einer sorgfältigen Aufklärung dieser Umstände und der von den Arbeitsvertragsparteien wirklich verfolgten Absichten. Beispielsweise können zusätzliche Ermittlungen erforderlich sein, wenn bereits bei der Arbeitsaufnahme Arbeitsunfähigkeit besteht, dieses bekannt ist und die Arbeit alsbald aufgegeben wird. Kommen weitere Umstände, etwa eine familiäre oder verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien, das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrags, eine offensichtlich vom üblichen Rahmen abweichende Lohnhöhe, der Verlust eines anderweitigen Versicherungsschutzes oder eine rückwirkende Anmeldung bei der Krankenkasse nach zwischenzeitlichem Auftreten einer kostenaufwendigen Erkrankung (vgl zB Urteil des LSG Bremen vom 16. Juli 1998 – L 2 Kr 14/94, Die Beiträge Beilage 1998, 298) hinzu, kann von einer Versicherungspflicht nur ausgegangen werden, wenn weitere Tatsachen diese Verdachtsmomente entkräften. Soweit sich die Tatsachengrundlage objektiv nicht aufklären läßt, trägt derjenige den rechtlichen Nachteil, der sich auf sie beruft (vgl Urteil des 12. Senats vom 4. Dezember 1997 – BSGE 81, 231, 240 = SozR 3—2500 § 5 Nr 37 S 146).
Dass der Arbeitgeber sie fristgemäß (innerhalb von 6 Wochen nach Beginn der Beschäftigung) und nicht erst nach dem Bescheid der Kasse vom 13.07.2016 bei der Kasse angemeldet hat.
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